Tourniert: Entdeckungen in Fernost (Teil 1)
Da ich oft schneller esse als ich schreiben kann, bleibt die Beschreibung einiger Restaurants manchmal länger liegen als mir lieb ist. Das muss keinesfalls die Folge eines schlechten Erlebnisses sein. Im Gegenteil, manche Restaurants sind von mir hoch bewertet und verdienten ausführlichere Berichte.
Im Folgenden möchte ich – wie üblich in diesem Format etwas anekdotischer – meine Eindrücke über verschiedene Restaurants teilen, die ich während meiner beiden umfangreichen Reisen nach Asien im vergangenen Jahr besucht habe. An Aktualität dürfte davon nichts eingebüßt haben. Weitere Berichte in diesem Zusammenhang folgen.
Restaurants:
The Pizza Bar on 38th, Tokio
Sushi Kanesaka, Tokio
Sushi Yuden, Osaka
Cave de K, Kyoto
Tempura Uchitsu, Hongkong
The Pizza Bar on 38th vs. Pizza Studio Tamaki (Roppongi), Tokio
Wer denkt bei Tokio nicht sofort an Pizza? Immerhin ist die Metropole aus internationalen Bestenlisten (z. B. 50 Top Pizza) nicht mehr wegzudenken. Nicht überall stecken aber Japaner dahinter. Der Kopf hinter The Pizza Bar on 38th im 38. Stock des Hotels Mandarin Oriental ist der aus Rom stammende Daniele Cason.
Um einen Tisch hier zu bekommen, habe ich für meine letzten 24 Stunden in Japan extra ein Zimmer hier im Hotel gebucht, denn sonst sind Reservierungen – man ahnt es schon – selbst an diesem unprätentiösen Tresen ein Ding der Unmöglichkeit.
Man beginnt zum Beispiel mit einfachen, aber guten Vorspeisen wie einer Tomatenvariation mit Pesto oder einem Rucolasalat – das Qualitätsniveau japanischer Zutaten ist einem sicher.
Natürlich ist man aber für die Pizza hier, die man sogar in einer Art Tasting-Menü verkosten kann. Ich probiere ganz klassisch eine Marinara und eine Diavola, beide werden direkt vor mir nach neapolitanischem Vorbild zubereitet. Das Ergebnis ist beeindruckend gut, in diesem Fall mit moderaten Röstspuren, einem vergleichsweise formstabilen Teig bei gleichzeitiger »Zähigkeit« sowie mit leicht knusprigem Rand.
Die Pizzen im Pizza Studio Tamaki, kurz PST, sind wilder – davon konnte ich mich vor Jahren schon einmal in einer anderen Filiale überzeugen. Die Filiale in Roppongi ist etwas einladender.
Der Teig im PST folgt einer ausgeklügelten Rezeptur aus japanischen und amerikanischen Mehlsorten. Die Pizzen werden extrem kurz und heiß im Holzofen gebacken – man muss sie danach etwas ruhen lassen, um sich nicht zu verbrennen.
Die Röstspuren sind prägnant, aber nie bitter – sie zerfallen auch sofort, da es sich um hauchdünne Lufttaschen handelt, die man zuvor absichtlich in den Teig formt –, der Belag ist flüssiger, die ganze Angelegenheit etwas »schmutziger«. Was Pizza betrifft, ist das PST mein Favorit, wenn auch nur um die Länge eines Nudelholzes.
Informationen zu diesen Restaurants | |
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Restaurant: | The Pizza Bar on 38th (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Daniele Cason |
Ort: | Tokio, Japan |
Datum dieses Besuchs: | 28.07.2023 |
Guide Michelin (Tokio 2023): | Empfohlen |
Meine Bewertung dieses Essens: | |
Restaurant: | Pizza Studio Tamaki (Roppongi) (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Tsubasa Tamaki |
Ort: | Tokio, Japan |
Datum dieses Besuchs: | 16.07.2023 |
Meine Bewertung dieses Essens: |
Sushi Kanesaka, Tokio
Die ganz großen Namen der Tokioter Sushi-Szene (Saito, Sugita, Ogata, Sawada u. a.) sind inzwischen zu exklusiven Clubs geworden, die nur noch von Stammgästen buchbar sind. Neue Gäste – ganz gleich, ob Einheimische oder Ausländer –, haben keinen Zutritt mehr. Kein Hotel-Concierge, kein Online-Dienst und keine wie auch immer gefärbte Kreditkarte können einem da weiterhelfen.
Glücklicherweise ist Sushi in Tokio grundsätzlich auf höchstem Niveau – erst recht im Bereich der Spitzenküche –, weswegen ich meiner Reservierung im ebenfalls renommierten, aber leichter reservierbaren Sushi Kanesaka in Ginza sehr entgegensehe. Nur die strikte und nicht mehr zeitgemäße Keine-Fotos-Regel ärgert mich etwas – wenn man schon umgerechnet fünfhundert Euro für das Mahl bezahlt.
Als ich im Untergeschoss des unscheinbaren Gebäudes ankomme, stellt sich nicht auf Anhieb dieses typisch wohlige Gefühl ein, das mich in den meisten japanischen Sushi-Restaurants überkommt. Das liegt an Details, aber auch daran, dass die Klimaanlage nicht funktioniert. Bei immer noch weit über dreißig Grad Außentemperatur fällt das ins Gewicht. Ebenfalls ist es befremdlich, dass hier nur Touristen sitzen. Das ist natürlich paradox, immerhin bin ich selbst einer, aber ein gutes Zeichen ist das nicht. Eine der Besucherinnen, teuer, aber stillos ausgestattet, scheint nicht einmal Fisch zu mögen und sammelt die Nigiris auf ihrem Tablett. Dass der Küchenchef das duldet, lässt mir den Appetit vergehen.
Ich habe zu den Speisen an sich, außer meiner flüchtigen Gesamtwertung, keine Notizen, keine Fotos und nach zehn Monaten auch kaum eine Erinnerung mehr. Besonders prägend war es offenbar nicht. Qualitativ und handwerklich exzellentes Sushi gab es trotzdem.
Informationen zu diesem Restaurant | |
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Restaurant: | Sushi Kanesaka |
Chef de Cuisine: | Shinji Kanesaka |
Ort: | Tokio, Japan |
Datum dieses Besuchs: | 20.07.2023 |
Guide Michelin (Tokio 2023): | ** |
Meine Bewertung dieses Essens: |
Sushi Yuden, Osaka
Mich beschlich das Gefühl, auf dieser kulinarisch immensen Reise zu wenige klassische Sushi-Restaurants gebucht zu haben, daher wollte ich keine solcher Gelegenheiten ungenutzt lassen. Für meine drei Tage in Osaka buchte ich daher das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Sushi Yuden.
Das Restaurant ist sehr unauffällig an einer Hauptstraße gelegen. Sonderbarerweise öffnet mir niemand die Tür, obwohl ich pünktlich bin. Erst nach einem Anruf in meinem Hotel, welches wiederum das Restaurant anruft, vor dem ich gerade stehe, öffnet sich die Tür.
Das Restaurant ist deutlich bescheidener eingerichtet als die kostspieligen Tempel in Tokio, dafür angenehm urig. Hier ist man als Ausländer wieder fremd, das ist mir lieber so.
Küchenchef Yuya Nishimura serviert eine klassische Abfolge von kleinen Vorspeisen und Edomae-Sushi, z. B. eine frische, umamibetonte Kombination von Seeigel und Junsai (Froschkraut) oder ein Nigiri mit ansprechend körnigem Reis und präzise geschnittenem Kohada (eine Heringsart), den ich häufig schon in saftigerer, klarerer Qualität erlebt habe. Eine Besonderheit ist, dass die Speisen hier direkt auf dem Tresen angerichtet werden, nicht etwa auf einem Teller.
In Summe bietet das Sushi Yuden ein angenehm unprätentiöses, regelrecht nachbarschaftliches Erlebnis. Die Qualität ist gut, aber besonders auffällige Highlights finde ich an diesem Abend nicht.
Informationen zu diesem Restaurant | |
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Restaurant: | Sushi Yuden (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Yuya Nishimura |
Ort: | Osaka, Japan |
Datum dieses Besuchs: | 23.07.2023 |
Guide Michelin (Kyoto/Osaka 2023): | * |
Meine Bewertung dieses Essens: |
Cave de K, Kyoto
Kyoto ist die letzte Etappe meines (viel zu heißen) Sommers in Japan, und ich habe hier absichtlich etwas Raum für Spontaneität gelassen. Direkt neben meinem Hotel, dem atemberaubend schönen Ritz-Carlton, das sich auf japanisch zurückhaltende Weise ans Ufer des Kamo-Flusses schmiegt, fällt mir eine Weinbar auf.
Die im Eingangsbereich aufgereihten leeren Flaschen bezeugen Substanz. Ich reserviere gleich einen Tisch für übermorgen.
Nach einem exzellenten, aber frühen Mahl im Maeda ist ein Abschluss des Abends in der Cave de K genau das Richtige. Es gibt eine wundervolle Speisekarte mit kleinen, meist französisch oder italienisch inspirierten Gerichten, Dutzende herausragende Weine – besonders Champagner und Burgunder –, französische Rohmilchkäse und spanischen Jamon, den der Barchef im Anzug gewissenhaft direkt vom Bein schneidet.
Das ist alles von so exzellenter Qualität, wie man es tausende Kilometer entfernt in Europa auch nur selten erleben kann – eigentlich absurd.
Als ich am zweiten Abend noch mal hier einkehre, zu ganz simpler, aber ganz wundervoller Pasta, bin ich ob des einfachen, authentischen Genusses fassungslos und den Tränen ein gutes Stück näher.
Nach über zehn intensiven Tagen mit japanischer Spitzenküche erwische ich mich bei dem Gedanken, dass – müsste ich für den Rest meines Lebens eine Art von Küche wählen – es genau diese hier wäre, in genau diesem Restaurant.
Informationen zu diesem Restaurant | |
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Restaurant: | Cave de K |
Ort: | Kyoto, Japan |
Datum dieser Besuche: | 26.07.2023, 27.07.2023 |
Meine Bewertung dieses Essens: |
Tempura Uchitsu, Hongkong
Das Four Seasons Hotel in Hongkong ist mit diversen Spitzenrestaurants ausgestattet (darunter Caprice, Sushi Saito, Lung King Heen), und seit einiger Zeit auch mit dem Tempura Uchitsu. Das Schwesterrestaurant des besternten Tentempura Uchitsu in Tokio befindet sich im 45. Stock des Hotels und wird von einer externen Unternehmensgruppe betrieben, zu der in Hongkong auch andere exklusive Restaurants wie das Sushi Saito nebenan und das Ta Vie gehören.
Als ich an diesem 26. Dezember mittags hier einkehre, staune ich nicht schlecht, dass ich der einzige Gast sein werde. (Man erklärt dies mit der Katerstimmung nach dem gestrigen Feiertag.) Am Tresen, der sonst Platz für 12 Gäste hat, ist nur ein Stuhl mittig platziert und der Platz akkurat eingedeckt. Im Hintergrund blickt man auf ein riesiges, waldartig bepflanztes Aquarium. Die Situation ist filmreif.
In den kommenden fast exakt sechzig Minuten servieren mit ein Tempura-Meister und ein weiterer Koch dann nicht nur das beste Tempura, das ich je gegessen habe, sondern auch noch eines der besten Menüs des Jahres.
Schon die Eröffnung ist famos, mit einer phänomenalen, leicht gegrillten Jakobsmuschel aus Hokkaido, serviert in einem heißen, dichten Hühnerfond mit japanischem Lauch und Perilla-Blüten. Das Arrangement mit dem vielleicht besten Chawanmushi, das ich je probiert habe, bei dem frischer, saftiger Forellenkaviar für Spannung sorgt, und einem daneben angerichteten frittierten Noriblatt mit zauberhaftem Hokkaido-Seeigel, könnte ich schon wieder aufstehen, das Restaurant verlassen und zurückfliegen, damit sich die ganze Reise gelohnt hat.
Auf diesem Niveau geht es weiter, das Tempurahandwerk des Meisters ist bewundernswert, die Speisen sind heiß, saftig, knusprig und perfekt balanciert.
Nach der Hitze des Frittierten gibt es kühlen, mageren Thunfisch (Akami), der durchs Marinieren eine besonders appetitliche Textur bekommen hat, mit Algen und frischem Wasabi – himmlisch –, gefolgt von einem sensationellen Gericht mit Krebsfleisch und einer leicht essigbetonten, angedickten Sauce.
Meine Bewertungen in den Notizen schwanken ausschließlich zwischen 9/10 und 10/10, hier sind eigentlich drei Sterne fällig.
Informationen zu diesem Restaurant | |
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Restaurant: | Tempura Uchitsu (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Takahisa Uchitsu |
Ort: | Hongkong, China |
Datum dieses Besuchs: | 26.12.2023 |
Guide Michelin (Hong Kong & Macau 2023): | Empfohlen |
Meine Bewertung dieses Essens: |