Lung King Heen – Puff, the magic dragon
Im vierten Obergeschoss des Hotels Four Seasons in Hongkong befindet sich das erste jemals mit drei Sternen ausgezeichnete chinesische Restaurant (seit 2008). „Ausblick des Drachens“ heißt der Name übersetzt. Tatsächlich ist die Sicht hier ganz angenehm, gerade an einem Tisch am Fenster.
Unter Foodies gibt es – gerade in Hongkong – besonders viele Regeln, wo man was, was nicht, wann und wie essen sollte, und ins Lung King Heen geht man sonntags zum Dim-Sum-Lunch. Doch für eine Reservierung an einem Sonntag war selbst Monate im Voraus nichts zu machen, also bin ich an diesem Montag hier, voller Zuversicht, dass ein Drei-Sterne-Restaurant auch zu anderen Zeiten gutes Essen auftischen kann.
Es kann. Meine Auswahl an Dim Sum beginnt mit gedämpften Reistaschen mit Hummer und Wasserkastanie in einer Sauce von fermentierten Bohnen (ca. € 20). Äußerst delikat. Der weiche Teigmantel ist ganz zart und löst sich im Mund auf, die Füllung gibt ätherische, würzige Aromen frei, und in der dunklen Sauce schmecke ich zwar keine Bohnen heraus, dafür aber frisches Lauch, pikanten Ingwer sowie Pilze und eine leichte Süße. Das hat mit den glibberig weißen Dingern in deutschen Restaurants, die „chinesische Spezialitäten“ verkaufen, nichts zu tun.
Ich fahre fort mit gebackener Abalone mit gewürfeltem Huhn für die besten sieben Euro, die ich je in Essen investiert habe. Die als puff pastry bezeichnete Gebäckspezialität ist gerade mit Abalone eine Art Messlatte für das Dim-Sum-Niveau von Restaurants. Hier begeistert das kleine Teil mit einer heißen Füllung, die von einer Ambivalenz zwischen süß und herzhaft lebt. Das Teil lebt nicht lange, aber hoch!
In einer ähnlichen Geschmackswelt geht es weiter mit Gebäckmit Barbecue-Schwein und Pinienkernen (ca. € 8), ebenfalls ganz fein, aber noch etwas süßlicher und teiglastiger als die Abalone.
Dazu probiere ich glasweise einige chinesische Weine, zu Beginn einen Chardonnay und jetzt eine Bordeaux-Cuvée: keine Weltklasse, aber überraschend hochwertig. Warum auch nicht? Das Land ist riesig, und der Weinbedarf explodiert. Ist ja auch mal ganz nett, wenn die Chinesen nicht immer nur „unseren“ ganzen Bordeaux wegschlürfen, sondern ihr eigenes Süppchen kochen.
Es geht weiter mit gedämpften Teigtaschen mit Garnele, Schwein und Conpoy. Letzteres bezeichnet getrocknete Jakobsmuschel und befindet sich in kleinen Abschnitten obenauf. Die Optik lässt es nicht sofort vermuten, doch auch diese Teile sind eine Offenbarung. Recht fest, herzhaft und gerade so heiß, dass man sich nicht verbrennt, aber die Wärme von innen für Wohlbefinden sorgt. Besonders in Kombination mit einer der stets auf dem Tisch stehenden scharfen Saucen ist das alles ein großer Schmaus.
Die letzten Dim Sum, die ich hier genieße, sind mit Schwein und Krebsfleisch und einem heißen Sud gefüllt. Dabei muss man etwas Vorsicht walten lassen. Diese weitere Köstlichkeit kombiniert man mit einer pikanten Sauce mit Rotweinessig und erfreut sich an derlei Aromenvielfalt.
Satt bin ich längst, aber nicht satt an Eindrücken, daher habe ich noch zwei weitere Gänge bestellt. Die Auswahl der Speisekarte ist enorm: Froschschenkel mit Meersalz, Wagyu-Rind mit Morcheln, Hummer mit Knoblauch und Thymian … Hier kann man wochenlang essen gehen, ohne dasselbe zu bestellen – in westlichen Spitzenrestaurants ist eine derartige Vielfalt kaum denkbar.
Meine Wahl fiel auf Hot Peppers (ca. € 17), einem Teller mit scharfem Paprikagemüse, das in einem öligen, heißen, intensiv-aromatischen Sud nachgart. Das ist zwar eher eine Beilage, die man sich mit mehreren Personen und mit noch mehr Gerichten am Tisch teilt, doch ich komme auch allein gut damit klar. Sehr gut sogar. Die Schoten sind die schmackhaftesten, die ich je probiert habe, und der Sud ist voller traumhafter Aromen. Kein Gericht im herkömmlichen Sinn, aber ein exzellenter Teller.
Der nächste Gang – einer geht noch – ist Schwarzer Seehecht (Chilean sea bass) mit süßer Sojasauce (ca. € 41). Das perfekt gebratene Filet wird mit verschiedenen grünen Gemüsen serviert (u. a. Blattspinat und Frühlingszwiebel) und mutet von der Zubereitung etwas französisch an. Die Aromen sind zwar ganz klar von dieser Seite der Welt, aber eine Art „westliche Finesse“ ist unverkennbar. Der interkulturelle Mix begeistert.
Doch gerade das letzte Gericht macht auch deutlich, dass chinesische Küche, bei der weniger einzelne, perfekte Zutaten im Mittelpunkt stehen, sondern eher Handwerk und „Würze“, es schwer hat, sich mit Hochküchen wie der Französischen oder Japanischen zu messen. Zwar muss sie das auch nicht, aber ob man daran wirklich drei Sterne heften kann, ist fraglich. Keine Frage jedoch ist, ob man das Lung King Heen besuchen sollte, wenn man vor Ort ist. Ich hätte auf einige der Restaurants meiner Reise verzichtet und mich lieber zwei, drei Mal durch die Speisekarte hier probiert. Und das wiederum kann man von einigen anderen Drei-Sterne-Restaurants auch nicht immer behaupten.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Lung King Heen (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Chan Yan-tak |
Ort: | Hongkong, China |
Datum dieses Besuchs: | 06.04.2015 |
Guide Michelin (HK/MAC 2015): | *** |
Meine Bewertung dieses Essens |