Yan Toh Heen – die Ente
Na gut, dann eben alles noch mal. Dies mal aber richtig. Vorgestern war ich nämlich schon mal hier, bin aber gnadenlos in die Touristenfalle getappt. Dabei hatte ich mir wirklich viel Mühe gegeben, dem Restaurant mitzuteilen, dass ich ausschließlich wegen der authentischen, echten, na ja, eben der Pekingente, kommen wollte. Selbst auf den Hinweis, dass eine solche für mich allein ganz sicher zu viel – um nicht zu sagen: ungeeignet – wäre, hatte ich erwidert, dass ich dies in Kauf nähme, um eben die Pekingente zu probieren. Dieser Austausch fand bereits vor Wochen per E-Mail statt.
Als ich dann vor zwei Tagen hier war, im Untergeschoss des fürchterlich hässlichen Hotels InterContinental, wusste man auch schon vorbildlich Bescheid, dass ich die Ente verspeisen wollte. Nur wollte man mir sie partout nicht servieren. Das hat zwar niemand so gesagt, aber der Kellner hat es irgendwie geschafft, mir ein anderes Gericht anzudrehen, mit der Erklärung, es sei alles so wie bei der echten, authentischen, na ja, eben der Ente, nur eben als kleinere Portion. Das hatte mich natürlich skeptisch gemacht, daher fragte ich nach, ob wirklich alles so sei wie bei der großen …, genau, der Ente, was der Kellner mir versicherte.
Was ich dann bekam, war eine falsche Ente – eine „Ente“ also. Das wusste ich Narr zu dem Zeitpunkt allerdings nicht, sollte dies ja meine erste echte Pekingente sein. Befreundete Foodies machten mich auf diesen Umstand hinterher aufmerksam. Die falsche Pekingente zeichnet sich nämlich paradoxerweise dadurch aus, dass sie überhaupt Entenfleisch enthält. Bei der echten Ente werde nur die Haut serviert.
Doch meine Ente enthielt eine Menge Entenfleisch und schmeckte im Wesentlichen so wie beim Chinamann um die Ecke. Einzig neu war für mich das Prozedere, wie man die Ente dann verspeist, was übrigens bei der richtigen Ente, die ich heute essen werde, dasselbe ist.
Man erhält dazu diverse Saucen und einige Gemüsebeilagen, die man dann – zusammen mit der (richtigen oder falschen) Ente – in kleine Pfannkuchen einrollt und so Stück für Stück zu sich nimmt. Entenchiladas, sozusagen.
Begeistert hatte mich das alles nicht. Das Fleisch schmeckte irgendwie unangenehm säuerlich, die Haut war labbrig, und was die Gemüsebeilagen betrifft: trister könnten die kaum aussehen, und für eine solche Kritik braucht es kein Wissen um chinesische Küche. Ein paar Dim Sum hatte ich auch noch vorweg, die mir auch nicht besonders gefielen. Kein Vergleich zu den Köstlichkeiten im The Eight oder Lung King Heen.
In Summe also ein Trauerspiel. Und als ich dann noch erfuhr, dass man mich mit der falschen Ente getäuscht hatte, äußerte ich später meinen Unmut per E-Mail. Keine zehn Minuten später rief der Restaurantmanager bei mir an, entschuldigte sich und resümierte zutreffend, dass ich ja gekommen sei, um die echte Pekingente zu essen, mir aber eine falsche Ente serviert worden sei. Dies täte ihm aufrichtig leid, und ich wäre nun zur richtigen Ente eingeladen. Den Hinweis, dass diese für mich alleine zu viel sei, konnte er sich aber auch dieses Mal nicht verkneifen.
Also bin ich an diesem Dienstagmittag nun erneut hier, bewaffnet mit dem Wissen, dass die echte Ente gar keine Ente enthält und dadurch sehr leicht als „Ente“ zu entlarven ist.
Das Prozedere ist nun tatsächlich ein ganz anderes. Zunächst wird mir die Ente präsentiert, komplett mit Kopf und Hals und einer verführerisch knusprig aussehenden, rötlich braun gerösteten, glänzenden Haut.
Mit einem großen, scharfen Messer werden Stücke davon heruntergeschnitten. Sie enthalten nahezu kein Fett mehr, sind halbtransparent und von der Textur irgendwo zwischen knusprig und bissfest. Das ist recht beeindruckend – und köstlich –, aber auch etwas monothematisch.
Um dem entgegenzuwirken, veranstaltet man mit der Haut dann dasselbe wie auch bei der falschen Ente. Man wickelt sie in die Teigrollen und variiert Saucen und Gemüsebeilagen. Von dem feinen Geschmack der Haut bleibt dabei aber nicht so viel übrig.
Danach – ich habe mich hinsichtlich der Menge schon recht gut geschlagen, glaube ich –, folgt noch eine weitere Zubereitung, dieses Mal dann doch mit Fleisch. In Eisbergsalatblättern findet man kleine Würfel Entenfleischs in einer süßlich-herzhaften Sauce und mit etwas Gemüse. Ganz schmackhaft. Nach zwei Salatschälchen resigniere ich dann und verlasse wenig später sehr satt und um die Erfahrung einer richtigen Pekingente reicher das Restaurant.
Jetzt Mal Hand aufs Herz. Das mag ja alles ganz gut gewesen sein. Aber wenn man die Fakten auf den Tisch legt, bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Warum serviert ein angebliches Spitzenrestaurant überhaupt richtige und falsche Gerichte? Warum geht man nicht auf Anhieb auf den Wunsch eines Gasts ein, der schon Wochen vorher Interesse an einem authentischen Gericht äußert? Und, entscheidender noch: Eisbergsalat? Trockene Gurken? Geschmacklose Tortillas? Das mag ja alles authentisch sein und sich – gerade mit mehreren Personen am Tisch – toll zelebrieren lassen, hat aber mit zwei Michelin-Sternen so viel zu tun wie Steffen Henssler mit Sushi.
Draußen ist es heiß, stickig und hässlich. Ich sehne mich nach Abkühlung. Und während ich in mein Hotel zurückfahre, träume ich vom Winter. Dann gibt’s nämlich Ente. Richtige Ente. Mit allem drum und dran.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Yan Toh Heen (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Lau Yiu Fai |
Ort: | Hongkong, China |
Datum dieser Besuche: | 05.04.2015 und 07.04.2015 |
Guide Michelin (HK/MAC 2015): | ** |
Meine Bewertung dieser Essen | und |