Sushi Mizutani – Erkenntnisküche
Ein neuer Tag in Tokio. Die Reservierungen, die ich heute habe, sind beide für Restaurants im Stadtteil Ginza, weswegen dieser heute meine volle Aufmerksamkeit erfährt.
Den kulinarischen Start des Tages habe ich im Sushi Mizutani vorgesehen. Dort ist Hachiro Mizutani am Werk, einer der berühmtesten Sushi-Chefs in Japan. Wie vielen dieser älteren Herren haftet auch an ihm der Ruf, etwas Streng zu sein und dass Reservierungen hier eigentlich nur erwünscht sind, wenn man Japanisch spricht. Mein Dank noch mal an dieser Stelle an das Concierge-Team vom Park Hyatt Tokyo, welches wirklich beachtliche Reservierungserfolge für mich erzielt hat.
Die Situation vor Ort ist typisch: Das Restaurant befindet sich in irgendeinem Geschäftsgebäude in einer der unzähligen Gassen abseits der Haupt-Einkaufsstraße. Ein Foto vom Hauseingang habe ich dabei, und dank des auffälligen Eingangs mit den Lettern „JUNO“ ist es auch recht einfach zu finden.
Mit dem Aufzug fahre ich in den neunten Stock und befinde mich schon fast direkt im Restaurant, in dem ich um kurz vor zwölf Uhr noch der erste Gast bin. Mizutani-san und ein weiterer Gehilfe treffen schon erste Vorbereitungen hinterm Tresen: Die Holzkästen, denen später der Fisch entnommen wird, werden positioniert, Arbeitsflächen abgewischt, Messer zurechtgelegt.
Im resoluten Blick des Meisters sehe ich durchaus auch etwas Skepsis meine Person betreffend, aber ich schlage mich wacker. Glücklicherweise ist der Grund meines Besuchs hier nicht erklärungsbedürftig, weswegen ich vermutlich mit Lächeln, Nicken und Jasagen recht weit kommen werde. Die erste Frage, die mir der ehrwürdige Mizutani-san dann stellt, kann ich gerade noch entschlüsseln, weil die Wörter Sashimi und Sushi am Ende fallen. Ich signalisiere ihm durch entsprechende Gesten absolute Offenheit gegenüber allem und hoffe, damit schon mal eine Tür zu öffnen.
Ich wage es kaum, mein Handy zu zücken, um nach Fotos zu fragen, doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt … gewinnt aber auch nicht immer. „No pitcha!“ entgegnet man mir, und mein Apparat verschwindet schnell wieder in meiner Hosentasche. Das ist schade, aber in einem derart intimen Rahmen für mich absolut verständlich.
Ich bin noch immer der einzige Gast, als Mizuntani-san nun beginnt, mir Sashimi zu servieren. Etwas später gesellen sich noch zwei Freundinnen an den Tresen, die viel mit Mizutani-san scherzen und dadurch etwas zur Auflockerung der recht ernsthaften Atmosphäre hier beitragen.
Die Bewegungen des alten Meisters mit dem Messer sind noch fließender und intuitiver als bei allen anderen von mir zuvor besuchten. Vom präzisen, schrägen Schnitt in den Fisch, dem Platzieren der Portion auf mein Tablett bis zur Aufnahme durch mich in meinen Mund: all das ist als eine zusammenhängende Aktion zu betrachten, für deren Gelingen man selber einen Teil der Verantwortung trägt. Diese Erkenntnis trifft mich hier wie ein Schlag. Die Wechselwirkung zwischen Koch, Speise und Gast könnte nicht deutlicher sein als in diesem Moment. Schade, dass ich dem alten Herrn meine Gedanken nicht nahebringen kann.
In den nächsten knapp 60 Minuten bekomme ich grandioses Sashimi und Nigiri-Sushi aller einschlägigen Arten serviert. Einzelne Beschreibungen sind aufgrund mangelnder Notizen und Fotos zwar nicht möglich, aber auch unnötig. Jeder Happen, der mir serviert wird, ist einladend und köstlich – und es sind viele Happen. Sehr viele.
Satt, um 30.000 Yen erleichtert (ca. € 215), aber bereichert durch die Ausbeute der neu erlangten Erkenntnis, begebe ich mich auf einen langen Spaziergang. Ich habe siebeneinhalb Stunden zu überbrücken. Dann dürfte ich auch wieder Appetit haben.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Sushi Mizutani |
Chef de Cuisine: | Hachiro Mizutani |
Ort: | Tokio, Japan |
Datum dieses Besuchs: | 14.04.2014 |
Guide Michelin (TYO 2014): | *** |
Meine Bewertung dieses Essens (?): |