Haerlin – Zwischenstand: pole position
Bereits im vergangenen September stellte ich fest: das Haerlin im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten ist derzeit Hamburgs bestes Restaurant und verdient einen zweiten Stern. Mit dem Erscheinen des neuen Michelin-Führers im November wurde meine Einschätzung dann auch bestätigt, obwohl sich das Haerlin in der roten Gastronomiefibel die kulinarische pole position mit dem Jacobs Restaurant teilt. Dieser Sterneregen ist gut für die Gäste und gut für die Hansestadt, die seit nahezu zwanzig Jahren kein Zwei-Sterne-Haus mehr gesehen hat. Nun sind es gleich zwei.
Seitdem war ich weitere drei Mal im Haerlin essen, doch habe ich bisher nicht im Einzelnen darüber berichtet. Der Grund dafür ist einfach: nach jedem Besuch war mir klar, dass ein folgender nicht lange auf sich warten lassen wird und ich dann lieber zusammenfassend berichten wollte. Hier also endlich ein kurzer Zwischenstand zu meinem derzeit favorisierten (Sterne-)Restaurant Hamburgs.
Die Mannschafft des Haerlin hat viel getan, um sich diesen persönlichen Spitzenplatz zu erobern. An erster Stelle stehen natürlich die raffinierten und schmackhaften Gerichte Christoph Rüffers, der z. B. mit so wunderbaren Kreationen wie einem in Buchenrauch warm geräucherten Salm mit Rote-Bete-Schnee, Estragoncreme und Haselnüsseln zubegeistern weiß. Die kleine Speise duftet nach einem knisternden Lagerfeuer im Wald – und schmeckt auch so.
Auch hervorzuheben ist am selben Abend die Gänseleberkoralle mit Périgord-Trüffeleis, Rotkohlsaft und Zimt-Nussbutter-Gel. Das Ensemble besticht nicht nur durch die ausgefeilte texturelle Vielfalt und das „weihnachtliche“ Geschmacksbild, sondern nicht zuletzt mit der Gänseleber, die von hervorragender Qualität und auch genau richtig portioniert ist. Zuviel des Guten kann gerade bei dieser Zutat etwas monoton sein, wie es mir bei einer anderen Vorspeise, SoftAir von der Gänseleber mit Rhabarber und Haselnüssen in Texturen, einmal vorkam – trotz der insgesamt sehr stimmigen aromatischen Komposition.
Doch es ist nicht nur die überwiegende Mehrzahl an Speisen, die hier große Freude bereitet, sondern auch die Leistungen des charmanten Serviceteams rund um Restaurantleiter Raoul Steinbach. Der jung besetzten Mannschaft gelingt es scheinbar mühelos, sich auf die Gäste aller Couleur einzulassen und bedient hier jeden mit einer Freundlichkeit, die niemals aufgesetzt erscheint. Dies – zusammen mit einer offenbar stets fortschreitenden „Entschlackung“ des festlichen Saals (moderne Kunst statt Wandteppiche) – trägt dazu bei, dass man hier überaus zwanglos dinieren kann. Natürlich ist das Haerlin ein sehr elegantes Restaurant, doch jegliche Scheu vor übertriebener Förmlichkeit oder Etikette wäre hier fehl am Platz. Das passt zur internationalen Klientel und ist ebenfalls ein begrüßenswertes Alleinstellungsmerkmal dieses Hauses.
Zu weiteren kulinarischen Highlights meiner vergangenen Besuche zählen, unter anderem, verschiedenste exzellente Zubereitungen mit Meerestieren, z. B.
Jacobsmuschel mit warmem Ochsenmark, Erdknollen und Bergamotte-Crème, eine äußerst filigrane und vielschichtige Speise voller Entdeckungen und Kontraste;
sowie Kaisergranat, wunderbar eigenständig mit Frischkäse-Senfcrème, Roten Rüben und geeistem Sauerampfer – ein Gericht, das neben herausragendem Wohlgeschmack auch ein spannendes Temperatur- und Texturspiel bietet – oder gerne auch in Kombination mit süßer Frucht und orientalischen Gewürzen wie bei Kaisergranat mit gelben Karotten, Aprikose Muskatkürbis und orientalischen Gewürzen, wobei dort der Kaisergranat etwas in den unberechtigten Hintergrund rückt.
Hervorragend sind im Haerlin auch Fleischgerichte aller Façon, wie z. B. ein wirklich phänomenales Holsteiner Reh mit Walnusscrème, Wintergemüsen und kandierter Olive, das ich im Januar hier genießen konnte. Tranchen von rosa gegartem Rehrücken, darauf roh marinierte Gänseleber mit Hibiskussalz, sowie ein Wildjus mit Wacholder und „Zwergoragengel“ und diverse weitere spannende Mitspieler sorgen für Begeisterung am Gaumen und am Tisch.
Die Tatars zu Beginn eines Menüs sind schon Klassiker, z. B. das würzige Rindertatar mit Maiscrème und Senfkörnereis „1024 Pixel“ oder das elegante Kalbstatar mit Topinamburespuma, Gänselebereis und Finkenwerder Herbstprinz.
Neigt sich ein Menü dem süßen Finale zu, triumphiert die Küche vorab stets mit einem erfrischenden Gang voller Finesse, wie z. B. ein Grünes Matchatee-Birnensorbet mit Litschi und Zitronellensud oder der Erfrischung aus Zitrone, Rhabarber und Joghurt. Von diesen immer wundervollen Pré-Desserts nahm ich gerade erst eines in die Liste meiner besten Speisen auf.
Wirklichen Grund zur Enttäuschung gibt es hier nie. Alle Speisen sind sehr gut, häufig hervorragend, und Christoph Rüffer scheint trotz der vorherrschenden Souveränität, Offenheit und Eigenständigkeit der Gerichte noch lange nicht am Ende seiner Möglichkeiten angekommen zu sein. Ich freue mich bereits jetzt auf das weitere genussreiche Beobachten der Entwicklungen.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Haerlin (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Christoph Rüffer |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieser Besuche: | 08.11.2011, 20.01.2012, 20.04.2012 |
Guide Michelin (D 2012): | ** |
Meine Bewertung dieser Essen | und und |