Kaisergranat, König der Verwechslung – eine kulinarische Aufklärung
Es ist ein Phänomen, das vor allem in Deutschland immer wieder zu beobachten ist: Die heillose Verwirrung um Krustentiere. Ob Scampi, Langostino oder doch lieber Gambas – die verschiedenen Meeresbewohner, sofern die Begriffe überhaupt solche bezeichnen, scheinen hierzulande für Gäste und Küchenprofis ebenso austauschbar zu sein wie Butter und Margarine – in beiden Fällen ein kulinarisches Sakrileg.
Für viele Gäste – und sogar Köche, bis hinauf in den Spitzenbereich – ist das Thema eher Pedanterie als Herzensangelegenheit. Wer beim Stammitaliener irgendwas mit Scampi bestellt, hat oft schon den Urlaub im Kopf: Amalfi-Küste, Vespaduft, ein Glas Weißwein. Und wer im Sternerestaurant Langostino liest, vermutet Edles.
Doch was da so appetitlich auf den Tellern landet, ist oft nicht das, was auf der Karte steht. Viele Gäste hinterfragen das nicht, frei nach dem Motto: Die Küche wird schon wissen, was sie tut, Hauptsache, es schmeckt. Doch geht es hier um weit mehr als um Taxonomie. Es geht um Respekt für das Produkt und Ehrlichkeit gegenüber dem Gast.
Scampi und Garnelen – zwei Welten, ein Missverständnis
Scampi ist der italienische Plural von Scampo, was einen Kaisergranat (Nephrops norvegicus) bezeichnet. Das sind hummerartige Krustentiere mit schlankem Körper und langen, harten Scheren.
Ihr Fleisch ist zart, mit mild-nussigen Aromen, und zerfällt bei zu hohen Temperaturen. Kaisergranate sind eine teure Delikatesse. Es gibt sie nicht als Zuchtware – und daher auch nicht tiefgefroren in Plastikbeuteln. Sie dekorieren auch nur äußerst selten Spaghetti, schon gar nicht beim Nachbarschaftsitaliener. Was man dort oft an dessen Statt vorfindet, sind Garnelen – eine ganz andere Tierfamilie.
Garnelen heißen auf Italienisch Gamberetti, in größerer Form Gamberoni. Sie haben eine dünne Schale, die sich recht leicht entfernen lässt, lange Fühler und einen schmalen Körper. Ihr Fleisch ist, je nach Sorte, fest und hält auch hohen Gartemperaturen stand. Es gibt diverse Garnelenarten, von kleinen Nordseekrabben (Crangon crangon) bis zur roten Riesengarnele (Aristaeopsis edwardsiana), eine spanische Delikatesse. In der Tiefkühlabteilung im Supermarkt findet man oft Garnelen aus chinesischen oder thailändischen Zuchtbetrieben.
Garnelenarten sind so vielfältig wie ihre Namen, die je nach Region und Sprache variieren. Hier eine kleine Übersicht, um etwas Licht ins sprachliche Dunkel zu bringen:
Sprache | Bezeichnungen (Bsp.) |
---|---|
Deutsch | Garnelen, Nordseekrabben, Krabben |
Französisch | Crevettes, Gambas |
Italienisch | Gamberetti, Gamberoni |
Spanisch | Gambas, Gambones, Carabineros, Camarónes, Langostinos |
Englisch | Shrimps, Prawns |
Wenn also Garnelen als Scampi verkauft werden, ist das eine wettbewerbswidrige Täuschung.
Languste, Langustine, Langostino – was denn nun?
Nun ist es eine Sache, dass Garnelen in der deutschen Gastronomie oft fälschlicherweise als Scampi verkauft werden. Aber auch andersherum will das mit der korrekten Bezeichnung von Kaisergranaten oft nicht gelingen. Diesem sprachlichen Problem begegnet man überwiegend in der Spitzengastronomie, da hier Kaisergranate überhaupt erst zum Einsatz gelangen.
Nur in seltenen Fällen belässt man die Zutat bei ihrem deutschen Begriff. Kaisergranat klingt für viele Gäste unbekannt und wenig spektakulär. Die Synonyme »Norwegischer Hummer« oder »Kaiserhummer« sind noch sperriger. Daher bedient man sich oft fremdsprachlicher Bezeichnungen. Die klingen exotisch und suggerieren einen Hauch von Luxus. Hierbei passieren die größten Fehler.
Im Französischen heißt der Kaisergranat langoustine. In Restaurants mit französischer Küche ist es mitunter üblich, französische Begriffe zu verwenden, daher ziert der Begriff häufig auch die Menüs deutscher Speisekarten. Bei der Verwendung des Begriffs Langoustine handelt es sich in diesem Fall um ein so genanntes Lehnwort. Man leiht sich den Begriff aus einer fremden Sprache, hier dem Französischen. Damit unterstreicht man die Assoziation mit der gehobenen französischen Küche. Das ist sprachlich und inhaltlich nicht zu beanstanden. Wer ganz korrekt sein will, hebt das Fremdsprachenwort z. B. durch Kursivschreibung hervor. Im Englischen ist der Begriff langoustine sogar in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Kaisergranat wird im angelsächsischen Sprachraum fast immer mit dem französischen Ursprungswort bezeichnet.
Doch damit endet die sprachliche Verwirrung nicht. Aus der korrekten französischen Bezeichnung langoustine sind in deutschen Speisekarten häufig fehlerhafte Varianten entstanden. Besonders die Begriffe Langustine, Langustino und Langostino werden gerne synonym für Kaisergranat verwendet, obwohl es sich dabei um völlig andere Tiere oder gar um Fabelwesen handelt. Diese Begriffe haben sich verselbstständigt, vermutlich auch, weil sie ähnlich klingen und sich exotisch und luxuriös anhören. Im Detail:
Eine Langustine existiert nicht. Das Wort ist vermutlich aus dem französischen Begriff langoustine hervorgegangen und im Zuge einer falschen Aussprache in so manche Speisekarte eingezogen. Gemeint ist damit fast immer ein Kaisergranat.
Eine Languste (Palinurus elephas) ist ein größerer Verwandter des Hummers, allerdings ohne Scheren. Sie ist sehr breit, hat eine harte Schale und zählt zu den teuersten Krustentieren überhaupt. Man findet die Zutat eher im Rahmen einer exquisiten exotischen Grillküche als in der westlichen Spitzenküche. Mit dem zarten Kaisergranat hat sie nichts gemein, weder geschmacklich noch optisch. Dennoch wird dieser Begriff manchmal fälschlicherweise für einen Kaisergranat verwendet.
Der Begriff Langostino ist besonders irreführend. Er klingt wie die spanische Variante von langoustine (Kaisergranat), hat jedoch mit diesem Tier nichts zu tun. Der Begriff Langostino bezeichnet in Spanien eine bestimmte, größere Garnelenart – niemals jedoch einen Kaisergranat, der im Spanischen cigala heißt. Dem Begriff Langostino begegnet man in deutschen Speisekarten häufiger. Anstatt, korrekterweise, einer Riesengarnele kann man dann meistens mit einem Kaisergranat rechnen. Das ist zwar in der Regel das hochwertigere Produkt, aber dennoch falsch und irreführend.
Langustino – auch dieses Wort ist schlichtweg ausgedacht und existiert in keiner Sprache außer dem Küchendeutsch. Es handelt sich um eine sprachliche Missbildung oder Verwechslung, die aus ähnlichen Begriffen wie der französischen langoustine (Kaisergranat) und der spanischen langosta (Languste) entstanden sein könnte.
Hier eine Übersicht über die korrekten Bezeichnungen von Kaisergranat in verschiedenen Sprachen:
Sprache | Bezeichnungen (Bsp.) |
---|---|
Deutsch | Kaisergranat, Norwegischer Hummer, Kaiserhummer |
Französisch | Langoustine |
Italienisch | Scampo (Pl. Scampi) |
Spanisch | Cigala |
Englisch | Langoustine, Norway Lobster, Dublin Bay prawn |
Fazit
Die Verwirrung um die Bezeichnungen von Krustentieren wie Kaisergranat, Garnelen, Langusten oder Fabelwesen wie »Langustino« ist kein bloßer Schönheitsfehler auf der Speisekarte. Es geht um mehr als nur linguistische Feinheiten oder kulinarische Haarspalterei. Wer als Gast – ob in der einfachen Trattoria oder im Sternerestaurant – ein hochwertiges Produkt bestellt, sollte dieses auch erhalten. Eine präzise und ehrliche Deklaration ist daher ein Gebot der Gastfreundschaft, des Respekts vor der Ware und letztlich auch der Qualitätssicherung für die Küche.
Der Kaisergranat, als teures, delikates und empfindliches Krustentier, verdient es, unter seinem richtigen Namen gewürdigt zu werden – ob auf Deutsch, Italienisch, Französisch oder Englisch. Denn nur so kann sichergestellt werden, dass der Gast versteht, was er bestellt, und der Koch sich an der authentischen Handwerkskunst messen lässt. Wer hingegen mit klangvollen, aber falschen Begriffen hantiert, mag kurzfristig einen exotischen Touch verleihen, untergräbt damit jedoch langfristig Glaubwürdigkeit und Vertrauen.
Ein bewusster Umgang mit der Sprache, eine sorgfältige Beschaffung der Zutaten sowie eine offene Kommunikation zwischen Küche, Service und Gast tragen dazu bei, kulinarische Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Wer also in Zukunft Scampi oder Langostino liest, sollte sicher sein können, dass genau das serviert wird, was dort steht – und so auch den unverfälschten Genuss erleben, den diese Meeresbewohner eigentlich bieten.