Tourniert: Neues aus Hamburg
Es ist kein Geheimnis, dass ich der Gastronomielandschaft meiner Heimatstadt kritisch gegenüber eingestellt bin. Schenkt man lokalen Medien Glauben, könnte man auf die Idee kommen, es täte sich viel. Es würde immer besser. Es gäbe Hunderte Möglichkeiten, gut essen zu gehen. All das ist – mit einem gesunden Anspruch an Qualität und kurzweilige Gastronomie – jedoch nach wie vor unzutreffend. Die Situation ist desolat, oftmals beschämend. Über die wenigen Ausnahmen habe ich bereits öfter berichtet, sie sind an dieser Stelle nicht Thema.
Thema sind hier nun drei mehr oder wenige neue Restaurants, die ich in der letzten Zeit – durchaus positiv gesinnt – besucht habe. Was mir dort jeweils in unterschiedlicher Ausprägung Probleme bereitet hat, liest man in den folgenden Kurzberichten.
Jin Gui
Nach jahrelanger Bauzeit ist in der Hamburger Innenstadt an der Stadthausbrücke ein neuer Gebäudekomplex entstanden, der sich blicken lassen kann. In den so genannten „Stadthöfen“ bietet zum Beispiel das Designhotel Tortue ein beeindruckendes kosmopolitisches Flair und zwei Restaurants. Das asiatische Restaurant Jin Gui habe ich neulich besucht.
Das Restaurant bietet laut der Website eine „asiatisch dirigierte“ Küche. Der Dirigent, oder vielmehr Küchenchef, ist allerdings Spanier.
In dem verwinkelten, dunklen Restaurant nimmt man in sofaartigen Sitzecken Platz, in denen man so versackt, dass man nur mühevoll an die Dinge am Tisch gelangt. Probiert das vorher eigentlich niemand aus? Auf dem langen Weg zum WC – einige Treppen runter und verkeimte Türklinken dazwischen – sehe ich mich nach einer alternativen Sitzmöglichkeit um. Vergebens, der Laden ist brechend voll, aber die Plätze ohnehin alle gleich unbequem.
Die „asiatisch dirigierte“ Karte klingt ein bisschen so wie die Speisekarten vom Nikkei Nine und Izakaya. Doch was dann am Tisch landet, ist – im Gegensatz zu den Genannten – eigentlich kaum zu glauben.
Ein Sashimi von der Stachelmakrele (Hamachi) ist noch von akzeptabler Qualität (€ 24), aber die banale Dekoration mit Petersilie (in der Karte steht Koriander) und Kirschtomate wirft bereits erste Fragezeichen auf (6/10). Ein weiteres Sashimi vom Tilapia (€ 22) bietet erneut Fisch von unauffälliger Qualität und eine skurrile Garnitur mit derselben Supermarkttomate und vollkommen deplatziertem Schnittlauch (6/10).
Weiter auf dem Tisch – ich war bei meiner Bestellung recht optimistisch –, steht ein „New Style Dim Sum“, bestehend aus pappigen, lauwarmen Teigtaschen mit „Chicken Curry“- bzw. „Cream Veggie“-Füllungen, die beide kaum differenzierbar sind. Ein dicke, im Zickzackmuster aufgetragene Art Mayonnaise-Creme führt den kulinarischen Alptraum fort, der mich 18 überflüssige Euro kostet. (5/10)
Als schließlich verschiedene „Sushi“-Zubereitungen den Tisch erreichen, u. a. mit staubtrockenem Aal, „Wasabi“ aus der Tube und einer der tristesten Thunfischqualitäten, die mir seit langem untergekommen sind – und die ich auch nicht anrühre –, breche ich das Essen ab (5/10). Als der (freundliche) Restaurantleiter auftaucht, hat er seinen bemitleidenswerten Küchenchef im Schlepptau, der jedoch an dieser Misere völlig unschuldig ist. Die meisten Gäste würden sich das hier nun mal so wünschen, so das schockierende Geständnis des Maître.
Tatsächlich ist man am Nachbartisch glücklich. Es sei „schon jetzt besser als beim Henssler“, parliert eine über die asiatisch dirigierten Kreationen staunende Tischgesellschaft, als sei auch das eine Referenz.
Ich dirigiere mich nur noch schnell zum Ausgang, auf Nimmerwiedersehen. Im Haerlin gehe ich noch etwas Käse essen. Den exzellenten von Bernard Antony. Ein hervorragendes Gericht mit Steinbutt schüttelt die Küche gegen 23 Uhr auch noch aus dem Ärmel. Eine Wonne.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Jin Gui (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Alejandro Moranda |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 15.09.2018 |
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Zeik
Jung, kreativ, engagiert, all diese Attribute treffen auf die neue Crew im Hamburger Zeik zu, die das bekannte Restaurant von Axel Henkel übernommen hat. Es befindet sich in notorisch schwieriger Lage, mitten in Winterhude. Dort sitzt das Geld zwar locker, aber die kulinarischen Bedürfnisse werden meist bei den beklagenswerten Italienern um die Ecke befriedigt. Für Kreatives hat man auch hier eher wenig Sinn, was an diesem Freitagabend an all den leeren Tischen abzulesen ist.
Aber gegen leere Tische könnte man ja etwas tun. Auffällig gut kochen wäre eine Möglichkeit.
Die Speisekarte beinhaltet Gerichte um jeweils drei Hauptzutaten, z. B. sechs Gänge zu € 79. Der Titel „Zeik-Mahl“ suggeriert Bodenständigkeit, Kombinationen wie Taube, Mais und Blutwurst jedoch auch ein gewisses Maß an Kreativität – zumindest, wenn mit dem Wort das Gegenteil von Alltäglichem gemeint ist.
Wer aus der Speisekarte mehr ablesen kann außer „das klingt aber toll (weil ungewohnt)“, stößt jedoch schon hier auf mögliche Schwierigkeiten. Weiße Bete, Karotte, Frischkäse, Hagebutte, Gartenkresse, Schnittlauch, Schalotte, Mohn … Besonders attraktiv klingen diese Mitspieler nicht. Wenn solche Zutaten kulinarisch Spannendes hervorbringen sollen, muss auf dem Teller schon einiges geschehen.
Aber es geschieht nichts. Und das ist das Problem, das sich den ganzen leisen Abend in dieser tristen, leisen Atmosphäre von Teller zu Teller zieht. Aller Kreativität, aller Mühe, aller Arbeit, allen guten Absichten zum Trotz, nützt es ja nichts, wenn die Zutaten medioker sind, nämlich auf gewöhnlichem Supermarkt-Niveau.
Eine Speise mit Karotte – püriert und in dünne Streifen geschnitten – bietet z. B. ein im Ansatz interessantes Süße-Säure-Spiel durch eine Zwiebel-Dill-Marmelade und Distelöl, doch die Karotten schmecken in allen Varianten schlicht nach nichts. Das Problem an solchen Speisen ist, dass mich Gerichte ohne nennenswert gute Zutaten nicht interessieren. Ich bin da vielleicht etwas speziell, aber ohne gute Produkte ist (bezahltes) Essen für mich belanglos. (6/10)
Ein Stück Meeräsche ist von annehmbarer Qualität, aber leider noch roh in der Mitte und mit labberiger Haut serviert, die ich liegen lasse. Dafür wurde ein Stück Lauch sous vide gegart. Die präzise Garung hätte man eher dem Fisch zukommen lassen können. Die Sauce, u. a. mit Mohn, ist zu süß abgeschmeckt. Kaum erinnerungswürdig. (6/10)
So geht es weiter. Zwischendurch gibt es immer wieder auch Interessantes, z. B. eine aromatisch intensive Champignon-Consommé mit einem Gel von Herbsttrompeten, doch sie wird nur lauwarm serviert.
Es ist alles nicht schlecht, sondern eher „stets bemüht“ als wirklich gut. Ein Stück Lamm von der Hüfte, das hier offensichtlich sous vide gegart wurde, sich aber eher als Schmorfleisch eignen würde, ist mager, leicht wässrig und hat kaum Eigengeschmack. Eine Sauce Béarnaise dazu ist gut, aber es gibt auch hier für mich keinen Grund, ein solches Gericht wirklich genießen zu können. (6/10)
Mir ist bewusst, dass hier ein junges Team ganz am Anfang steht. Doch auch diese Mannschaft muss sich die Frage gefallen lassen, warum Produktqualitäten und Geschmack nicht an erster Stelle aller Überlegungen stehen. Täte es das, wäre ich um 22 Uhr sicherlich nicht der letzte Gast.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Zeik (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Maurizio Oster |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 21.09.2018 |
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Parkview
Hamburgs neues Luxushotel The Fontenay lässt in gastronomischer Hinsicht vor allem wegen des Gourmet-Restaurants Lakeside von sich hören. Doch auch das Restaurant Parkview im Erdgeschoss bietet eine an sich attraktive Atmosphäre mit viel Licht im Inneren und netten Terrassenplätzen im Grünen.
Die Karte bietet eine international ausgerichtete Hotelküche, von Salaten und Pastagerichten über Sashimi und Burgern bis zu dry-aged Steaks. Alle Gerichte klingen als könnte man sie – mit geschicktem Einkauf und gewissenhafter Zubereitung – in der Nähe eines Ein-Sterne-Niveaus zubereiten.
Ganz so ambitioniert geht es dann aber doch nicht zu. Ein Thunfischtartar mit knackig auf den Punkt gegarten Prinzessbohnen (€ 22) gefällt mir noch recht gut, vor allem wegen eines guten Hauptprodukts und knackiger Säure durch Limone (6,5/10).
Skurril ist aber dann das Hauptgericht, ein Sot-l'y-laisse-Ragout mit Hummer, gegrilltem Fenchel und Orangensauce (€ 39). Wenn man bedenkt, dass ein Huhn genau zwei Pfaffenstückchen liefert, ist der Berg an Fleischstückchen auf diesem Teller recht befremdlich. Natürlich ist es nur selten der Fall, dass Restaurants die Sot-l’y-laisses tatsächlich aus einem ganzen Huhn entnehmen, doch die hier sicherlich gut gemeinte Portion ist dann doch zu viel des Guten – ohne auch wirklich besonders gut zu sein. Der Hummer ist dazu von geringer Qualität und schmeckt wässrig-pappig. Dafür ist die Sauce sehr gut gelungen, mit authentischen Aromen und exzellenter Geschmackstiefe. (6/10)
Das kurze Mahl bot nicht viele Anhaltspunkte, um die Küche insgesamt fundiert einschätzen zu können, aber auch ebenso wenig Gründe, um begeistert wiederzukehren. Auch die zweite Gastronomie im The Fontenay bereichert Hamburg offensichtlich nur bedingt.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Parkview (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Stefan Wilke |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 30.05.2018 |
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