L’Atelier de Joël Robuchon (Hongkong) ‒ vive la Spitzenküche am Tresen
Immer wieder werde ich gefragt, warum ich in Asien französisch Essen gehen würde. Die Wahrheit ist: selten freue ich mich auf einen Restaurantbesuch so sehr wie auf ein Atelier. Die Filiale in Hongkong ist dazu auch noch besonders angenehm ‒ und besonders gut.
Das Restaurant in der Luxus-Shopping-Meile The Landmark ist keine zehn Gehminuten von meinem Hotel entfernt, daher bot sich eine Reservierung für ein flexibles, zwangloses Mittagessen hier optimal an.
Das Atelier in Hongkong ist das einzige seiner Art, das mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist. Zwar ist der Guide Michelin für Hongkong leider regelmäßig einer der unzuverlässigsten, doch Qualitätsunterschiede innerhalb der Ateliers sind durchaus real, und die Filiale hier in Hongkong habe ich zuvor schon auf hohem Niveau erlebt.
Von meinem Eckplatz habe ich einen perfekten Einblick in die Küche, in der französisch gesprochen wird. In der Speisekarte interessiert mich, wie immer in den Ateliers, am meisten der Teil mit den kleineren Degustationsportionen im Bereich von ungefähr 30 Euro. Sie sind alle nach ihrer Hauptzutat benannt und lesen sich daher für mich deutlich vielversprechender als alle Gerichte, deren diffuse Beschreibung senkrechte Striche involviert.
Mein Ritual hier sieht auch die Bestellung offener Weine vor, wenngleich die gesamte Weinkarte beeindruckend ist. Ob flaschen- oder glasweise, die Auswahl ist natürlich französisch fokussiert, dennoch weltgewandt und sehr hochwertig. So beginne ich das Mittagessen mit einem Glas 2012er Chardonnay des exzellenten Weinguts Giaconda aus Victoria, Australien (ca. € 51).
Ein Amuse-bouche besteht aus Foie Gras Royale, d. h. eine Foie-Gras-Terrine, die mit Hühnerfond zu einer feinen, homogenen Masse verarbeitet wurde, inklusive etwas schwarzem Trüffel. Eine Maiscreme fügt Schmelz und passende Süße hinzu, das Popcorn mit Blattgold ist ein Gag, und zwar kein schlechter. Obwohl dies eine länger im Voraus zubereitete Speise ist, was ich gerade bei lange durchgekühlten Amuse-bouche oft schwierig finde, schmeckt dieser Teller umwerfend gut. (8,9/10)
Meine erste bestellte Speise ist ein Glas mit mehreren Schichten. Ganz unten findet man herausragend guten Seeigel aus Hokkaido in üppiger Menge, darauf gelierten Krustentierfond, der es aromatisch in sich hat und stark eingekocht wurde (€ 33). Eine leichte Blumenkohlcreme balanciert den intensiven Geschmack nach Meer, Weite und Ozean elegant aus. Ein Gericht zum Träumen, mit grandiosem Hauptprodukt und gewissenhaftem Handwerk. (9/10)
In einem neuen Glas habe ich inzwischen einen 2015er Château Smith Haut-Lafitte blanc (€ 40). Es macht Spaß, so hervorragende Weine offen auswählen zu können, wenngleich der Preis natürlich saftig ist.
Das nächste Gericht hat weißen Alba-Trüffel als Leitmotiv (€ 40). Der intensive Pilz, den ich nur in dieser kompromisslosen Frische genießen kann, ist auf diesem Teller très Français mit weiteren Zutaten zu einem scheinbar simplen Salat kombiniert. Man findet weichgekochte Kartoffeln der Sorte „Roseval“, etwas Chicorée, Radieschen und Kräuter sowie gerollte Scheiben Foie Gras. All das wird sehr wohlschmeckend von einer atemberaubend guten Vinaigrette zusammengehalten, deren rustikale Säure dem intensiven Trüffel charmant Paroli bietet. Das ist ein schlichtes, aber sensationelles Gericht, perfekt kombiniert und mit herausragenden Zutaten umgesetzt. (10/10)
Kalbsbries mit Kerbelwurzel und Matsutake-Pilzen ‒ frisch aus Japan eingeflogen ‒ ist ein Gericht aus der „Fisch und Fleisch“-Sektion der Karte und schlägt umgerechnet mit € 67 zubuche. Hierfür erhält man erneut exquisite Zutaten in offenbar perfekter Zubereitung. Doch meine ersten Gabeln halten eine Überraschung bereit. Das Gericht ist höchstens lauwarm. Sogar das separat servierte Kartoffelpüree ist stark abgekühlt und bereitet wenig Freude. Offenbar ist der Gang in dem regen Betrieb zu lange stehengeblieben.
Ich merke das kurz an, man reagiert bestürzt und höchst professionell. Ohne Umschweife wird das Gericht entfernt, und ich beobachte besorgte Gesichter in der Küche. Wenig später wird mir als Entschuldigung ein Gericht aufs Haus serviert.
Es handelt sich dabei um scharf angebratene Jakobsmuschel mit einer grünen Curry-Sauce, Shisoblüten und leichtem Kokosschaum. Die Qualität der Muschel ist auf Referenzniveau. Das ist mir gerade bei Jakobsmuscheln besonders wichtig, weshalb ich bspw. in Deutschland so gut wie immer auf dieses Produkt verzichte, weil es bei uns oft fischig und trocken daherkommt. Dieses Gericht ist harmonisch, frisch und würzig und erneut eine qualitative Offenbarung. (9/10)
Darauffolgend ‒ damit rechne ich gar nicht mehr ‒ erscheint nun der Küchenchef persönlich, um mir eine neue Version des Kalbsbries-Gerichts zu servieren. Er entschuldigt sich höflich und bedauert die Umstände von vorhin. Alles kein Beinbruch! Der neue Teller ist makellos. Das Bries ist jetzt mindestens zehn Grad heißer, knusprig gebraten und betört mit köstlichen Karamellnoten und perfekter Würzung. Die edlen Matsutake-Pilze, die Steinpilzen geschmacklich nicht unähnlich sind, sowie karamellisierte Zwiebeln komplettieren ein großartiges, klassisches Geschmacksbild. (9/10)
Dazu passt ein Glas 1998er Château Musar (€ 20), mit dem ich das hervorragende Essen in der entspannten Atmosphäre noch genüsslich ausklingen lasse.
Petit-fours zum Espresso lassen ebenfalls keinen Wunsch offen ‒ es sei denn natürlich, man ist auf der Suche nach kreativen Überraschungen.
Die Ateliers stehen wegen ihres Systemgastronomie-Charakters bei einigen in der Kritik. Doch was bedeutet das schon? Nur, weil eine globale Kette zentral gemanagt wird, ist das kein Nachteil für den Gast. Im Gegenteil. Ich liebe im Fall der Ateliers die Konformität und das Bekannte. Die Küchen sind offen, die Küchenchefs sind hervorragende, gewissenhaft arbeitende Spitzenköche, und die exzellenten Produkte profitieren von den vor Ort jeweils möglichen Bezugsquellen. Hier in Hongkong, wo man regelmäßig auf Produkte aus Japan zurückgreifen kann, garantiert das ein absolutes Spitzenniveau. Spannende kreative Küchentrends gibt es hier nicht zu entdecken, aber das ist ehrlicherweise auch selten meine Motivation, um irgendwo Essen zu gehen.
Nach wie vor kenne ich kein anderes Restaurantkonzept, das sich für ein zwangloses und hervorragendes Essen so gut eignet wie ein Atelier de Joël Robuchon. Auch nach dem Tod des Über-Gastronomen lebt sein Konzept wie eh und je.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | L’Atelier de Joël Robuchon (→ Website) |
Chef de Cuisine: | David Alves |
Ort: | Hongkong, China |
Datum dieses Besuchs: | 30.09.2018 |
Guide Michelin (HK/MAC 2018): | *** |
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