Sailor – mit Kurs auf Geschmack

Die britische Wahl-New-Yorkerin April Bloomfield hat vor allem mit dem Gastropub The Spotted Pig bewegte Zeiten erlebt – und hinter sich gelassen. Mit dem neuen Restaurant Sailor in Brooklyn, eröffnet und betrieben von Gastronom Gabriel Stulman, bleibt sie ihrem Faible für raffinierte Bistroküche treu.

Seit September 2023 erwartet einen an einer Straßenecke im Stadtteil Fort Greene ein einladender Flachbau mit Backsteinfassade, markanten, marineblauen Fensterrahmen und gestreiften Jalousien, die im Sommer Schatten spenden.

Ein Blick von Außen – ich bin noch deutlich zu früh für meine Reservierung um halb zwölf – offenbart bereits eine einfache, aber charmante Atmosphäre mit weißgedeckten Tischen, deckenhohem Weinregal und separatem Barbereich. Blaue Farbakzente, behutsam eingesetztes Messing und seefahrtsbezogene Bilder setzen einen maritimen Ton, ohne kitschig zu wirken. Warum genau dieses Motiv gewählt wurde, bleibt zwar offen – aber um sich wohlzufühlen, braucht es keine Erklärung.

Die Speisekarte enthält knapp sechzehn Gerichte, von einfachen Snacks wie in Bourbon geröstete Nüsse mit Rosmarin (6 $) über Klassiker wie Caesar Salad (19 $) bis zum Tafelspitz mit geröstetem Kohl und Lauch (43 $). Allen Gerichten ist gemein, dass man schon beim Lesen weiß, wie gut sie schmecken. Es ist dieses spezifische Versprechen kulinarischer Verlässlichkeit, das ich so nur aus dem Ausland kenne – besonders aus den USA.

Ich bestelle zum Auftakt die Egg Mayonnaise mit Sellerie-Salz (7 $) – nichts, das ich Deutschland jemals bestellen würde. Hier zeigt sich der französische Klassiker in Bestform: leicht gekühlt, das Eigelb noch zart fließend, die Mayonnaise perfekt abgeschmeckt und das Selleriesalz genau richtig dosiert. Zum Nachbestellen gut. (7/10)

Gleichzeitig steht ein Teller mit Sardellen, Sellerie, Parmesan und Oliven (21 $) auf dem Tisch, laut Speisekarte eine Hommage an ein Gericht des Zuni Café in San Francisco – ein weiteres dieser lässigen amerikanischen Bistros, die ich schon wieder sofort besuchen könnte; da reicht schon ein Blick auf die Website. Der Teller bietet genau das, was er beschreibt: gute Produkte, einfach präsentiert, ideal zum Aperitif. (6,5/10, weil so etwas kaum mehr hergibt.)

Letzterer präsentiert sich in Form eines Glases 2023 Mâcon-Villages »Grand Élevage« von der Domaine Verget (19 $) aus der kleinen, aber sehr passablen offenen Auswahl. Die eigentliche Weinkarte ist sogar regelrecht grandios (bis hin zu Château Rayas und Domaine de la Romanée-Conti), passt aber gerade nicht zum kompakten Lunch. Als ich mitbekomme, dass der Service gerade probehalber einen Wein von August Kesseler aus dem Rheingau verkostet, komme ich natürlich schnell ins Gespräch und habe wenig später zwei weitere Gläser auf dem Tisch stehen. So kann es weiter gehen.

Und zwar mit dem halben Huhn mit Kräuterbutter und Marsala (35 $). Dazu bestelle ich noch einen Salade aux Lardons mit Senfvinaigrette (19 $) und eine Portion Pommes Frites (10 $). Die Zusatzgerichte sind nicht als Beilagen ausgewiesen, sondern ergeben sich aus meiner Vorstellung von dem Genuss, der sich aus ihrer Kombination ergibt. Wie erwartet, geht die Wette auf: Das Huhn ist bemerkenswert aromatisch und saftig, die Sauce schmeckt nach konzentriertem Geflügelfond, Marsala und frisch gehackten Kräutern – das ist in seiner Klasse absolut herausragend.

Der Salat erfüllt ebenfalls sein Versprechen: perfekt abgeschmeckt, kühl, mit herzhaft knackiger Textur und genau dem richtigen Maß an Säure. Auch die Pommes zählen du besten, die ich je gegessen habe, technisch perfekt, geradezu akribisch auf Knusprigkeit und Geschmack optimiert. Insgesamt ergibt das eine ideale Kombination von Tiefe, Frische und Wohlgeschmack. Nur die (in diesem Kontext durchaus stimmigen) Portionsgrößen und der Verzicht auf eine Inszenierung auf dem Teller lassen das Ganze rustikaler wirken, als es in Wahrheit ist. Was hier gekocht wird, ist nicht anderes als präzise, produktbezogene Spitzenküche. (Zusammen 7,5/10)

Für ein Dessert oder weitere Speisen ist leider keine Zeit, zudem steht heute ein frühes Abendessen im Kalender.

Also für ein Brathähnchen nach New York? Ganz so einfach ist es nicht. Aber Restaurants wie dieses – mit ihrer stilsicheren Atmosphäre, dem souverän-lässigen Service und einer Küche, die zugleich bodenständig und exzellent ist – gehören zu den Hauptgründen, warum ich in den USA so gerne essen gehe. Bei aller Wertschätzung für die Sterneküche: Es ist genau diese Art von Gastronomie, die ich hierzulande am meisten vermisse. Und für dieses Gesamtpaket lohnt sich die Reise über den großen Teich allemal. Zum Glück muss ich dafür keine Segel setzen.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Sailor (→ Website)
Chef de Cuisine: April Bloomfield
Ort: New York City, USA
Datum dieses Besuchs: 16.04.2025
Guide Michelin (New York City 2024): Empfohlen
Meine Bewertung dieses Essens 7 (Was bedeutet das?)
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