Sushi Saito (Bangkok) – Sushi ja, Saito …

Ein Handwerk, in diesem Fall das eines Sushi-Meisters, lässt sich nicht einfach replizieren. Es lässt sich von einer Person an die andere weitergeben. Aber wenn jemand durch seine Arbeit zu einer Referenz seines Fachs geworden ist – wie Takashi Saito in Bezug auf Sushi – dann wird man immer von einem Meister und seinen Schülern sprechen.

Umso paradoxer erscheint es, gerade in Bezug auf Sushi, dass Koryphäen wie Saito »Filialen« ihrer Stammrestaurants eröffnen. Der japanische Großmeister, dessen Restaurant in Tokio Kultstatus genießt, hat u. a. eine solche Filiale in Hongkong und seit 2023 auch eine in Bangkok. Beide befinden sich jeweils in einem Hotel der Four Seasons-Gruppe, werden jedoch eigenständig betrieben.

Bei Saito in Bangkok leistet man online eine nicht stornierbare Anzahlung des Essens in Höhe von 5.000 THB (ca. 140 €) pro Person, knapp die Hälfte des Menüpreises. In Hongkong musste ich damals noch eine Banküberweisung tätigen, was einen amüsanten Touch in Bezug auf die Exklusivität des Restaurants hinzufügte. Immerhin kann man in Saitos Filialen überhaupt reservieren. Das einst dreifach besternte Stammhaus in Tokio ist längst zu einem elitären privaten Club geworden, den daher auch der Guide Michelin längst aus seinem Restaurantführer gestrichen hat. Hier in Bangkok hat das Restaurant derzeit noch Empfehlungsstatus im Guide.

Unterm Strich ist für mich die Kombination aus einem authentischen Sushi-Restaurant und einem eindrucksvollen Anwesen wie dem Four Seasons Bangkok schon in Summe unwiderstehlich – zumal ich ohnehin dort übernachte. Bereits die Eingangssituation am Fuße des Wolkenkratzers, in dem sich die Four Seasons Private Residences befinden, sind ein charmanter, einladender Stilbruch – nur ein bisschen mit der Architektur des Hotels, noch mehr aber mit dem quirligen Bangkok und Thailand an sich, nicht aber mit der gastronomischen Vielfalt einer Weltmetropole.

Das Restaurant ist für ein Sushi-Restaurant ungewöhnlich groß, mit einem geräumigen Wartebereich und zwei separaten, nicht ganz einsehbaren Tresenbereichen. Ich bin hier kurz etwas skeptisch, denn zwei Tresen bedeutet auch zwei Sushi-Köche – da stellt sich die Hoffnung ein, dass beide ähnlich begabt sind. Wie es aussieht, ist »mein« Koch der jüngere der zwei.

Unschlagbar ist das Gefühl, wieder an einem echten Sushi-Tresen aus Hinoki-Holz zu sitzen. Die Utensilien, Materialien, Zutaten und Gerüche zählen für mich zu den schönsten Dingen, die man gastronomisch erleben kann.

Obwohl ich mich getränketechnisch in Sushi-Restaurants auch sehr mit Bier und Sake anfreunden kann, wähle ich aus der kompakten, typisch japanisch in Klarsichthüllen präsentierten Weinkarte einen 2017er Chardonnay »La Carriere« des renommierten kalifornischen Weinguts Peter Michael (ca. 300 €). Ich werde später dennoch etwas Sake hinzubestellen.

Eine kulinarische Option, vor die man hier noch gestellt wird, ist die Frage, ob man das Menü um Uni (Seeigel) ergänzen möchte, was den Menüpreis geringfügig erhöht. Die Frage ist für ein Sushi-Restaurant ungewöhnlich, bei dem man in der Regel omakase speist – nach der Wahl des Küchenchefs. Aber bei Uni sage ich nie nein.

Den Sushi-Meister bei seinen Vorbereitungen zu beobachten, ist immer Teil des Vergnügens. Gerade bereitet er den ersten Appetizer vor, ein essigsaures, kühles Süppchen mit Mozuku-Alge aus Okinawa, leicht rauchig, umami, hervorragend. (8/10)

Es folgt gedämpfte Shirako (Fischmilch) in einer sojabetonten, heißen Brühe mit viel Schnittlauch. Die ist ein spannender Kontrast zu der exotischen Delikatesse mit ihrem leicht süßlichen Geschmack und ihrer seidig-cremigen Textur. Eine perfekte Justierung aller Stellschrauben vorausgesetzt, ist ein solches Gericht für höchsten Genuss prädestiniert. Hier ist das nicht ganz der Fall, da u. a. die Fischmilch etwas heißer sein dürfte. Mehr als hervorragend ist das trotzdem – sogar der Schnittlauch ist bemerkenswert aromatisch. (8,5/10)

Verheißungsvoll hat der Küchenchef bereits die geschmackvollen Keramikteller für den nächsten Gang aufgebaut. In Sojasauce marinierter Tintenfisch ruht daneben in einem weiteren Schälchen. Geschickt portioniert der Chef den Mollusken in kleine Stücke und platzierte diese auf den Tellern, zusammen mit etwas von der Marinade und frischem Wasabi. Der Tintenfisch ist angenehm bissfest, die lauwarme Brühe spendet eine leichte Süße, der Wasabi bietet dazu punktuelle, frische Schärfeakzente – nicht vergleichbar mit dem Feuer des Sorn von vor zwei Tagen. Erneut hervorragend. (8/10)

Der dritte Snack ist Jakobsmuschel aus Hokkaido. Die wurde gegrillt, mundgerecht portioniert und in einem becherartigen Gefäß mit einer Art Bottarga gewürzt. Die Qualität der Muschel ist sehr hoch, die leichten Raucharomen köstlich, das Umami des getrockneten Rogens belebend. (8/10)

Derweil präpariert der Küchenchef den Fisch für die Nigiri-Folge. Die Handbewegungen und Schnitte sind präzise – nichts anderes würde man erwarten –, so tranceartig wie Lehrmeister Saito geht der junge Meister hier aber nicht vor. Es ist nur eine Beobachtung.

Gegrillter Nodoguro, eine Art Wolfsbarsch, folgt beim letzten Appetizer. Der saftige, fettige Fisch, der sich mühelos und inklusive der dünnen, teils karamellisierten Haut, mit den Stäbchen zerteilen lässt, wird von einer kleinen Portion Yuzu-Relish und geriebenem, kühlen Daikon begleitet. Das ist so einfach wie exzellent. (8,5/10)

Dann folgt das erste Nigiri. Das ist in einem Sushi-Restaurant spannender als alles andere. Wie fühlt es sich am Gaumen an? Welche Temperatur haben Reis und Fisch? Welche Konsistenz hat das Shari? Wie luftig sind die Reiskörner, wie sind sie gewürzt? Wie ist die Schnitttechnik des Neta, des eigentlich zweitrangigen Fischbelags, wie dessen Reifegrad und Textur? Denn: Gelangt alles davon in perfekter Konstellation zusammen, stellt sich am Gaumen ein durch kaum eine andere Speise erlebbares Gefühl absoluten Wohlgeschmacks ein.

Das Stück mit Madai, eine japanische Rotbrasse, das nur für das Foto wenige Sekunden auf meinem Teller verweilt – alles andere wäre unkundig und respektlos – ist hervorragend. Weitere Empfindungen: Der Reis ist luftig-körnig und mild, der Fisch exzellent gereift, etwas kühl, die Portion eher klein. Sehr gut ist das ohnehin, hervorragend auch, Weltklasse nicht.

Buri, ältere Stachelmakrele, ist wegen einer etwas höheren Temperatur des Fischs eine Nuance besser.

Kohada, eine Heringsart, bleibt auf diesem Niveau, mit angenehmer Säure und einem kurzen, aber intensiven Wasabi-Kick.

Die klassische Thunfisch-Trilogie beginnt danach, wie üblich, mit Akami, dem mageren Stück. Auffällig ist hier, dass das Neta recht schlank und klein ist – etwas ungewöhnlich. Der Fisch dagegen ist dick geschnitten, was die angenehm bissfeste Konsistenz unterstreicht und noch mehr Umami erzeugt.

Beim Chutoro, mittelfettem Thunfisch, stellt sich zum ersten Mal eine nahezu perfekte Balance ein, wozu auch die Sojasauce, die mit einem Pinselstrich appliziert wurde, beiträgt.

Otoro, fetter Thunfisch, ist noch eine kleine Steigerung, mit üppigem Schmelz. Geschmacklich gesellt sich hier eine feine Süße hinzu. Die Temperatur ist jetzt perfekt – handwarm –, was die buttrige Konsistenz optimal hervorbringt.

Ika, Tintenfisch, oft eines meiner favorisierten Nigiris, ist danach auffällig hart und zu säurebetont. Ein gutes Tintenfisch-Neta zeichnet sich zwar grundsätzlich durch eine solide Bissfestigkeit aus, die an die italienische Interpretation von al dente erinnert, hier wurde dieser optimale Punkt jedoch nicht getroffen. Es ist selten, dass man bei einem Sushi-Mahl auf grundsätzlich ja hohem Niveau einen so deutlichen Makel bemerken kann.

Die Kuruma-Garnele aus Nagasaki knüpft dann wieder an das vorherige Niveau an. Das Krustentier wurde perfekt gegart, ist angenehm warm – nicht zu heiß –, mit mild-nussigem Aroma und feiner Süße. Auch die Proportionen stimmen – nach wie vor aber nicht die Größe des Nigirs an sich.

Aji, Stachelmakrele, ist sehr gut geschnitten, mit einer optimalen Dicke und macht mit ihrem Meeresaroma und einer feinen Süße weiter Laune.

Bafun uni, Seeigel aus Hokkaido, bietet dann den größten Genuss des Abends, mit einer vollmundigen, kühlen Umami-Explosion am Gaumen. Dass man diesen Gang in einem ohnehin schon kostspieligen Menü als optionales Extra anbietet, ist nach wie vor sonderbar. In jedem Fall klingt der nussige, maritime, mildsüßliche Geschmack noch angenehm nach. Auch das verwendete Nori (Algenblatt) ist hervorragend.

Das letzte Nigiri kommt mit Anago, Salzwasseraal, und ist mit einer typisch süßlichen Sauce lackiert. Das ist auf demselben hohen Niveau wie bisher. (Nigiri-Gang im Schitt: 7,5/10)

Nach einer guten Misosuppe (7/10) geht es noch mit zwei Stücken von einer Sushi-Rolle mit mittelfettem Thunfisch weiter – cremig, luftig, mit viel Schmelz vom Chutoro (7,5/10).

Ein süßes Omelette (Tamago) in einer Variante mit köstlicher karamellartiger Kruste (7,9/10) gefolgt von einem stückigen Erdbeereis mit intensivem Aroma und perfekt justierter Süße (7,5/10) wird das Menü beendet.

Mein letztes authentisches Sushi-Erlebnis war das Yoshino in New York im März (auf deutlich höherem Niveau als hier). Und wie so oft, nach Monaten des Zwangsverzichts, frischt das Sushi Saito Bangkok alle Erinnerungen an großartiges Sushi auf und stillt den Appetit nach dieser Art von Restaurant und kulinarischem Vergnügen. Zum Glück werde ich nicht lange warten müssen. Es steht Großes bevor – ich werde berichten.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Sushi Saito (→ Website)
Chef de Cuisine: Makoto Maruyama
Ort: Bangkok, Thailand
Datum dieses Besuchs: 29.12.2024
Guide Michelin (Thailand 2025): Empfohlen
Meine Bewertung dieses Essens: 7,9 (Was bedeutet das?)
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