Asador Bastian – Chicago × Baskenland
Chicago ist eine der Steakhaus-Hauptstädte der USA. Wer in diesem Marktsegment mit etwas Neuem erfolgreich sein möchte, muss nicht nur Spitzenqualität liefern, sondern auch ein Alleinstellungsmerkmal besitzen. Die Inhaber des neuen Asador Bastian haben Letzteres umgesetzt, indem sie den Gedanken baskischer Grillkultur zum Leitmotiv ihres Restaurants erhoben haben.
Das Baskenland beherbergt einige der besten Grillküchen der Welt (Etxebarri, Elkano u. v. m.), daher ist das nicht gerade die niedrigste Messlatte. Aber man möchte hier nichts imitieren, und vermutlich haben ohnehin nur wenige Gäste einen direkten Vergleich.
Das Restaurant befindet sich in einem umgestalteten Wohnhaus in Chicagos Stadtteil River North. Dunkles, schweres Holz und gedimmtes Licht dominieren die gemütliche Atmosphäre.
Man betritt das Restaurant über einen Bereich mit Bar, deckenhohem Weinklimaschrank und gemütlichen Sitzecken. Hier ist auch eine kleine, aber feine Barkarte verfügbar, die mir schon völlig ausgereicht hätte, um glücklich zu werden. Schinken-und-Käse-Kroketten, Kaviar-Churro, galizischer Oktopus, gegrillte Riesengarnele, und dazu ein spanischer Wein: So könnte man jeden Abend retten.
Vermutlich wäre ich hier unten sogar etwas glücklicher geworden als im Restaurant oben. Meine späte Reservierung um viertel vor neun ist wegen des immer noch an mir zehrenden Jetlags – ich bin gestern erst angekommen – ohnehin schon eine kleine Herausforderung. Aber der Service zieht sich für ein Restaurant in den USA ungewöhnlich in die Länge – vielleicht strebt man hier auch eher nach spanischen Verhältnissen. Frühestens in einer Stunde werde ich etwas auf dem Teller haben.
In der Zwischenzeit habe ich bereits einen Wein ausgewählt, einen 2009er Rioja Reserva von Remelluri (225 $ netto, ca. 230 € brutto), der ebenfalls auch auf sich warten lässt. Die Weinkarte hat erwartungsgemäß einen Fokus auf spanische Weinregionen, ist aber preislich etwas schwierig zu navigieren.
Ebenfalls erfolgte bereits die Präsentation einiger Delikatessen direkt am Tisch. Meeresfrüchte werden hier täglich frisch aus Spanien bezogen, z. B. Entenmuscheln, Riesengarnelen und weitere Fische und Krustentiere. Besonders stolz ist man auch auf das Fleisch, von dem das meiste aus Spanien stammt.
Eigentlich ist das hier alles wunderbar, aber wer kennt die Situation nicht, in der man vor Hunger schon dezent aggressiv wird?
Irgendwann geht es endlich los. Ich starte mit einem Teller Rinderschinken und Blauschimmelkäse (ca. 19 €), gefolgt von Anchovis »Matrimonio« (ca. 18 €), eine traditionelle Kombination von weißer und dunkler Sardelle auf einem Toast mit Knoblauch und Kräutern. Beides so einfach wie gut (je 6,5/10).
Eine rote Riesengarnele aus dem Tagesangebot (ca. 37 €) bereitet mir danach weniger Freude als erwartet, weil sie grotesk heiß ist und ich mit einem ungeschickten Handgriff dafür sorge, dass der delikate Matsch im Kopf des Tiers, den man eigentlich genüsslich ausschlürft, auf den Teller ausläuft. Das Pulen des Tiers bereitet mir wegen der persistenten Hitze auch keine Freude, aber manchen Genuss muss man sich eben erkämpfen. Die Garnele ist von fabelhafter Qualität. (6,9/10)
Das Grillvergnügen zelebriere ich danach mit einem Clubsteak vom galizischem Rind (das in diesem Fall aus Neuseeland stammt) (ca. 680 g für 125 €). Das Fleisch ist, typisch wie ein Txuletón, bereits aufgeschnitten und vom mitservierten Knochen abgelöst. Das Aroma ist wunderbar – nussig, grasig, intensiv –, die Konsistenz des medium rare gegrillten Stücks ist samtig und mürbe.
Dazu bestelle ich (etwas zu) knusprig gebratene Artischocken (ca. 14 €) sowie gebratene Morcheln aus dem Tagesangebot (ca. 37 €). All das zusammen ist gut und macht einen authentischen Eindruck (je 6,5/10).
An Nachbartischen gehen viele weitere, köstlich anmutende Gerichte über die Tische, von einem bis zu meinem Tisch duftenden Reisgericht mit Krebs und Krustentieren über Seezungen bis zu ganzen Steinbutten im Elkano-Stil. Lebte ich in Chicago, wäre das Asador Bastian ein sicherer Kandidat, um hier Stammgast zu werden. Mit meiner Stippvisite in der Stadt bleibt es vermutlich bei diesem Besuch. Immerhin bin ich dann doch noch satt geworden.