Tourniert: Casa Julián, Tolosa
Eine halbe Autostunde südlich von San Sebastián befindet sich Tolosa, eine Gemeinde mit zwanzigtausend Einwohnern. Der Ort ist bekannt für schwarze Bohnen, Waffeln in Chips-Optik, Fasching – und das Steak-Restaurant Casa Julián.
Das Restaurant ist unter Essbegeisterten so beliebt, dass es inzwischen unter Europas zehn besten casual eats (in etwa »ungezwungene Restaurants«) beim Bewertungsportal OAD gelistet ist, wo auch ich regelmäßig Restaurantbewertungen einpflege. Meine wird leider nicht allzu hoch ausfallen können.
Das liegt nicht etwa an der Schlichtheit des urigen Restaurants. Der unscheinbare Eingang mit klapprigem Empfangspult, leeren Weinpreziosen auf einem Weinkühlschrank und einer Situation, in der man froh ist, sein Händedesinfektionsmittel dabei zu haben, geht gerade noch als sympathisch durch. Und beim stickigen, aber gemütlichen, Speisesaal mit eng gestellten Tischen hoffe ich zumindest, dass der erhoffte Genuss die hohe Aerosolbelastung wert ist.
Ich freue mich auf das Mittagessen. Fleisch soll es sein, ganz klar, das txuleta, das côte de bœuf, das Rippenstück, man nenne es, wie man will. Es gibt hier auch gar nichts anderes. Wobei, das stimmt nicht ganz. Im Gegenteil, acht der neun Gerichte auf der Karte sind schmackhaft klingende Speisen, die man davor, dazu oder danach genießen kann.
Ich wähle vorweg einige Stangen weißen Spargel aus Navarra für drei Euro pro Stange, einige schlichte Römersalatherzen (€ 7,50) sowie sensationell gute, süßlich-ölige, marinierte Piquillo-Paprikas (€ 14,50), die brutzelnd heiß zum Steak serviert werden. Alle Speisen sind schlicht, aber von angenehm hoher Qualität und gewissenhafter Zubereitung. (6,9/10)
Eine Flasche 2018er Flor de Pingus (€ 175) steht auch schon optimistisch auf dem Tisch bereit, um das gefeierte Steak zu begleiten. Herrlich unprätentiös bedient man sich hier selbst – immer noch die beste Art, Wein einzuschenken, pardon, liebe Sommeliers. Bisher also alles bestens.
Das Steak kommt. Es ist grenzwertig stark verbrannt, am Knochen sogar verkohlt, was kein Problem ist, aber auch die gelbe, verbrannte Fettschicht sieht eher ungenießbar aus. In der Mitte ist das Fleisch bereits einmal aufgeschnitten.
Schneidet man das Stück weiter an, was bei dem großen Teil recht mühsam ist, ist schon beim Ansetzen des Messers eine zähe Konsistenz feststellbar – trotz (oder wegen) des Gargrads rare. Am Gaumen wird es nicht besser. Das Fleisch ist kalt, sehnig und so kaubedürftig, dass der Kiefer nach dem ersten Stück eine Pause braucht. Auch aromatisch ist es unauffällig, eher wässerig-neutral. Hieran gibt es nichts zu verteidigen, das Stück ist nach allen objektivierbaren Maßstäben der Steakkunst misslungen. Ich merke das natürlich an – höflich, aber bestimmt – und zeige Verständnis dafür, dass man ja nicht immer drinsteckt in dem Tier. Ich bitte zudem darum, beim zweiten Versuch das Steak so aufzuschneiden, wie man das hier in der Region sonst oft gewohnt ist.
Bei dem neuen Stück verhält sich leider alles ähnlich. Das ist nachvollziehbar, denn hier scheint nicht die Technik das Problem zu sein, sondern das Stück an sich. Da man hier nur sehr große Teile verarbeitet und ein konsistentes Handwerk pflegt, wird es hier wohl heute keine Alternative mehr geben. Die neue Schnitttechnik macht das Ganze ein wenig besser essbar, doch Sehnen, Kälte, eine sehr zähe Konsistenz und ein fades Aroma lassen auch einen Teil dieser Portion wieder zurück in die Küche wandern. Auf der Rechnung steht es trotzdem (hier mit € 82,80 für 1,2 kg), was ich nicht reklamiere, aber bei einer derart legitimen Enttäuschung erwartet hätte. (5/10)
Sei es drum. Ich kann mir nur vorstellen, dass das heute eine Ausnahme war. So, wie manchmal auch bei großem Burgunder: teure Lage, aber säuerlich und dünn. Trotzdem ist Burgund groß. Vielleicht ja auch Casa Julián.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Casa Julián (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Mikel Gorrotxategui |
Ort: | Tolosa, Spanien |
Datum dieses Besuchs: | 26.05.2022 |
Guide Michelin (ES 2022): | Nicht gelistet |
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