La Chèvre d’Or – das Beste kommt (tatsächlich) zum Schluss
Es gibt auf der Welt wenig eindrucksvollere Orte als das mittelalterliche Èze Village, ein Dorf in über vierhundert Metern Höhe an einer Steilküste zwischen Nizza und Monaco. Das zur Relais & Châteaux-Vereinigung gehörende Fünf-Sterne-Hotel Château de la Chêvre d’Or bietet hier eine atemberaubende Kulisse mit prachtvollen, romantischen Gärten, Außengastronomie mit spektakulärer Aussicht – sowie das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete Restaurant La Chêvre d’Or.
Das Restaurant erlangte weltweite Berühmtheit durch den Film »Das Beste kommt zum Schluss«, in dem zwei krebskranke alte Männer, gespielt von Jack Nicholson und Morgan Freeman, eine Liste mit Dingen abarbeiten, die sie vor ihrem Tod noch erleben möchten. Eine Szene des Films spielt im Restaurant La Chèvre d’Or.
Vor über elf Jahren war ich schon einmal hier. Damals klappte ein Walk-in zu einem kurzen Mittagessen. Die leichte, mediterrane Küche und der unvergessliche Ausblick hatten sich bei mir eingebrannt – nicht mit größtmöglicher Vehemenz, aber immerhin doch so, dass ich bis heute häufig an das Restaurant denke. Eine Wiederholung ist daher fällig.
Am dramatischen Ausblick hat sich nichts geändert. Auf der einen Seite blickt man auf den hellblauen Himmel und das azurblaue Meer, auf der anderen Seite auf die Steilküste mit ihren blassrosa Ziegeldächern und grüner Vegetation. Restaurants mit einem derartigen Ausblick besuche ich lieber mittags, da man hier in der Dunkelheit nur noch gegen die Reflexionen der Fenster starrt.
Zu dieser Szenerie passt ein perfekt temperierter 2011er Meursault-Porusots 1er Cru von der Domaine Potinet-Ampeau (€ 315), eine exzellente Entdeckung. An diesem Ostersonntag wird nur ein Menü in vier Gängen angeboten (€ 190), daher gibt es in kulinarischer Hinsicht nichts zu entscheiden.
Den Anfang machen einige ansprechend präsentierte Amuse-Bouches. Eine Cracker mit Pissaladière-Geschmack ist angenehm würzig, eine Tartelette mit Parmesan und Zitrone herzhaft-fruchtig, ein Löffelsnack mit roher Garnele »fischig« gut und ein Teigkissen mit Stockfisch und Tomate knusprig und umami. Das ist alles sehr akkurat zubereitet und zweifellos eine würdige Einstimmung in einige der Aromen der Region. (7,5/10)
Der erste Gange des Menüs präsentiert zwei Stangen sowie einige dünne Abschnitte von grünem Spargel, der in Sud von weißem Spargel pochiert wurde. Es gibt dazu eine cremige, mit Eigelb aufgeschlagene Estragon-Vinaigrette, die säurebetont und leicht rauchig abgeschmeckt ist. Die sommerliche Sauce passt perfekt zum bissfest gekochten, sehr aromatischen Spargel und macht das Gericht zu einem hervorragenden Beispiel von Einfachheit auf sehr hohem Niveau. (8/10)
Steinbutt kommt in Form eines recht kleinen gebratenen Filetstücks, dazu gibt es verschiedene Gemüse, unter anderem Karotte, Erbsen, Artischockenherz und Morcheln. Eine mit Kräuteröl aromatisierte Beurre Blanc verbindet alles auf klassische Weise. Die hervorragenden Qualitäten der Gemüse können begeistern, doch darüber hinaus gibt es bei dem Gang Temperaturprobleme – er ist deutlich zu kalt –, auch eine leichte Übergarung des Fischs ist festzustellen. Der Teller stand offenbar eine Weile irgendwo herum. Die Produktqualitäten und Aromen stehen aber letztlich über diesen Problemen. (7/10)
Ein Stück Lamm, gebraten und geräuchert, mit ansprechendem Fettdeckel, leidet dann unter demselben Problem. Das sehr gute Stück Lamm, dessen Qualität sich vor allem in dem authentischem Aroma und einer sehr schmackhaften Kruste manifestiert, ist nur noch handwarm, genauso wie ein mit Minze aromatisiertes Kichererbsenpüree. Eine kleine Portion geschmorte Lammschulter mit Pinienkernen, Minze und Tomate mit nordafrikanischen Aromen begeistert auf dem Teller am meisten, genauso wie der nach allen Registern der französischen Küche reduzierte Lammjus mit Kapern. Ohne die Temperaturprobleme wäre das ein hervorragender Gang, so ist er – auf hohem qualitativen und geschmacklichen Niveau – zumindest verbesserungsfähig. (7,5/10)
Das Dessert um »Itakuja«-Schokolade sieht zwar akkurat gearbeitet, aber nicht nach größeren Überraschungen aus. Diese Vermutung stellt sich als Fehleinschätzung dar. Das cremige Eis weist eine angenehme, zurückhaltende Süße und ein authentisches, exotisches Schokoladenaroma auf; dazu findet man fruchtige Zubereitungen mit Mango, Minze und Passionsfrucht, die horizontal zwischen hauchdünne, knusprige Schokoladenblätter geschichtet und auf einem weichen Kuchenboden angerichtet sind. Die knusprigen, fragilen Texturen begeistern hierbei genauso wie die insgesamt perfekt ausbalancierten Aromen. Damit gewinnt man zwar keinen Kreativwettbewerb, aber das Dessert zieht das Niveau noch einmal deutlich nach oben. (8,9/10)
Das Chèvre d’Or bleibt eine unvergessliche Destination, aber nicht allein des Essens wegen. Die alten Mauern von Èze Village, der unbeschreibliche Ausblick und das Gefühl, in einem Zeppelin zu speisen, reichen aus, um hier hin und wieder mal der Küche auf den Zahn zu fühlen. Möglicherweise sorgte heute das feste Ostermenü für etwas zu routinierte Abläufe. Dennoch strebt man hier ganz offenkundig nicht zu höheren Weihen. Wie auch, wenn man schon ganz oben ist?
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | La Chèvre d’Or (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Arnaud Faye |
Ort: | Èze, Frankreich |
Datum dieser Besuche: | 17.04.2022 |
Guide Michelin (F/MC 2022): | ** |
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