XO Seafoodbar ‒ auf ’ne Büchse Kaviar
Gastronom Fabio Haebel beweist sein Gespür für zeitgemäße Gastronomie schon mit dem Restaurant hæbel, mit dem er anspruchsvollere Gastronomie erstmals auf den Hamburger Kiez holte. Sein neues Projekt heißt XO Seafoodbar, ist gleich gegenüber, und sollte ursprünglich an dem Tag eröffnen, als die Hamburger Restaurants wegen der Corona-Krise schließen mussten.
Inzwischen hat das ‒ kurz XO genannte ‒ Restaurant geöffnet und ist längst ein neuer Hotspot der Stadt. Das XO füllt gleich mehrere der klaffenden Lücken in der Hamburger Gastronomielandschaft, vor allem die eines alltagstauglichen Restaurants mit Anspruch.
Dass man in Hamburg auf ein kreatives Konzept mit Fisch und Meeresfrüchten als Leitmotiv setzt, mag Auswärtigen schlüssig erscheinen, ist aber tatsächlich überraschend optimistisch und ungewohnt weltoffen in einer Stadt, in der man gutem Fisch fast nur in Sternerestaurants begegnen kann. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele „Ich mag keinen Fisch“-Esser sich jederzeit allein in einem Umkreis von 100 Metern um das Restaurant herum tummeln. Dennoch listet die Karte souverän Austern, Stabmuscheln, Makrele und Kaviar auf.
Den Alltagsanspruch erfüllt das XO vor allem mit einem unkomplizierten Sharing-Konzept, was nichts anderes bedeutet als dass man als Gast einfach den ganzen Abend über das bestellt, was einen von der Speisekarte anspricht. Es gibt kein Menü, keine Vor- und Hauptspeisen, und die Preise sind moderat. Dabei verzichtet das Konzept des Restaurants auch auf ein Dogma, dass es hier um eine bestimmte Art ginge, Essen zu sich zu nehmen, wie z. B. unter dem ausgebrannten Motto casual fine dining. Während solche Konzepte in den Metropolen dieser Welt aus dem Boden sprießen und kaum einer Beschreibung bedürften, ist das in Hamburg alles andere als selbstverständlich.
Man kann den Abend zum Beispiel mit einem Teller qualitativ makellosen wilden Austern beginnen (6 Stück € 22), die mit einer spritzigen Sauce mit Verjus, Rhabarber und Schalotte gereicht werden, und kann dann übergehen zum Fried Sardine Sando (€ 11), ein japanisch inspiriertes Sandwich, hier mit Sardine und einer Sauce mit Zitrone und hauseigener Mayonnaise, die das angenehm krosse Toast süffig und lebhaft macht (6,9/10).
Jahrgangssardinen mit Kimchi und hauchdünnem Knäckebrot (€ 19) bieten ein Top-Produkt, das zwar naturgemäß aus der Dose kommt, hier aber durch ein hausgemachtes Kimchi angenehm pikant in Szene gesetzt wird (6,9/10).
Tatars, wie zum Beispiel eines von der Eckernförder Garnele mit Tomatenöl oder ein anderes vom Steinbutt mit Senfkörnern, Piment d’Espelette und Estragon-Mayonnaise, sind zwar beide etwas ölig geraten und lassen belebende Säure vermissen, bieten aber einwandfreie Qualitäten und Sharing-Spaß (6,9/10).
Besonders gut sind Stabmuscheln, die mit einer leichten, aufgeschäumten Steinpilz-Velouté und auf den Punkt gegartem Spinat ein besonders harmonisches Gericht ergeben, bei dem die motivierten jungen Köche ihre Ambitionen gewiss nicht kaschieren ‒ für gerade mal acht Euro (7/10).
Pfiffig auch ein Schnitzel vom Seeteufel (Bauchlappen) (€ 24), das man vielleicht noch einen Hauch luftiger hinbekommen kann, das dafür aber mit einem angenehm säuerlichen Püree mit Kapern lässigen Knupsergenuss bietet (6,9/10).
Um den Wiedereinstieg als Gast in die Gastronomie etwas zu zelebrieren, bestelle ich bei meinem ersten Besuch noch eine Dose mit 125g Kaviar vom deutschen Stör (€ 115), die mit präzise gegarten Kartoffeln mit Heubutter serviert wird. Der leichte Rauchgeschmack passt hervorragend zu den nussig-salzigen Störeiern (7/10).
Zu alledem liefert man sich am besten einen kurzweiligen Schlagabtausch mit dem Sommelier, der am Ende doch immer etwas aus dem Hut zaubert, das auch Naturweinskeptiker besänftigt. So werde auch ich zum Kiezgänger.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | XO Seafoodbar (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Fabio Haebel |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieser Besuche: | 20.05.2020, 19.06.2020 |
Guide Michelin: | noch nicht bewertet |
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