L’Abeille ‒ dufte Speisen
Im Hotelpalast Shangri-La in Paris steht seit etwa vier Jahren Christophe Moret am Pass. Moret dürfte vielen noch als langjähriger Küchenchef im Alain Ducasse au Plaza Athénée bekannt sein, um nur eine der vielen schillernden (und besternten) Stationen aus seiner Vita zu nennen.
Im Shangri-La ist er inzwischen verantwortlich für alle drei Restaurants des Hauses. Das mit zwei Sternen dekorierte L’Abeille, benannt nach Napoleons Liebslingsemblem, der Biene, befindet sich im Erdgeschoss des Hotels.
Eine große Fensterfront bietet im klassisch eleganten Speisesaal einen Ausblick auf den begrünten Innenhof. Durch die blaue Beleuchtung des Gartens am Abend werde ich den Eindruck nicht los, auf eine Leuchtwand zu blicken. Doch es gibt noch eine größere Irritation. Aus der Lobby weht dauerhaft der signature scent, also „Hausduft“, des Hotels ins Restaurant hinein. Der Duft ‒ mit Noten von Vanille, Sandelholz und Bergamotte, wobei letztere dominiert und irgendwie „frisch“ nach Toilettenreiniger riecht ‒ ist offenbar ein Markenzeichen der Hotelkette. Schlimm genug, wenn in einem Restaurant Gäste ihr Parfüm nicht richtig dosiert haben, noch schlimmer, wenn das Problem hausgemacht ist. Am Anfang steht das alles zwar noch nicht im Vordergrund meiner Wahrnehmung, aber die Duftnote ändert im Laufe des Abends immer wieder ihre Intensität und wird mir schließlich mehr in Erinnerung bleiben als das Essen.
Die Speisekarte ist angenehm kompakt. Es gibt eine Menüoption mit drei Überraschungsgängen zu € 230, ein spezielles Trüffelmenü für € 295 sowie eine A-la-carte-Auswahl, für die ich mich entscheide. Die Weinkarte ist umfangreich und bietet, wenn man genau hinsieht, einige überraschend fair kalkulierte Positionen, wie z. B. einen 2014er Bourgogne von der Domaine Coche-Dury für € 120. Eine solche Flasche ist auf dem freien Markt kaum mehr zu finden, geschweige denn zu diesem Preis. Damit geht es also schon mal gut los.
Auf dem Tisch steht auch bereits ein Aperitif-Snack, eine Tartelette mit Sellerie, Kardamom und Champignons. Die lauwarme Speise schmeckt erdig, authentisch. Der Coche-Dury passt dazu besser als es die meisten Weinbegleitungen je könnten.— 7,5/10
Ein weiterer Gruß aus der Küche ist eine Kreation mit Seeigel, interessant eingeschnittenem Tintenfisch und Kaviar. Die Zutaten sind mit einer aufgeschäumten Sauce serviert, bei dessen Beschreibung noch die Begriffe Dashi und Aal fallen. Die Geschmackswelt des Tellers ist Jod und Meer, aber irgendetwas Süßliches bringt das Thema nicht abschließend auf den Punkt. Dennoch äußerst gut.— 7,5/10
Meine erste gewählte Vorspeise rankt um Pommes soufflées (€ 95). Fünf Stück dieser knusprigen, handwerklich nicht simpel herzustellenden Kartoffelkissen befinden sind auf dem Teller in einem luftigen Kartoffelschaum, darunter eine „Trüffelmarmelade“, die wohltuend nach Kalbsfond, Zwiebeln und Trüffeln schmeckt. Über das Gericht wird exzellenter Périgord-Trüffel gehobelt, aber ich lasse den Kellner das später noch einmal nachbessern. Es gibt wenig Sinnfreieres als Gerichte mit zu sparsam dosiertem Trüffel. In Summe findet man hier klassischen Wohlgeschmack vor, der Freude bereitet.— 8/10
Exzellent passt dazu auch inzwischen meine zweite Weinauswahl, ein 2011er Gevrey-Chambertin „Les Corbeaux“ von der Domaine Sérafin (€ 285).
Danach probiere ich Kalbsbries mit Karotten. Die Karotten von der „Familie Riant“ gibt es in unterschiedlichen Zubereitungen: geschmort, als Püree und in Form eines Nests mit nudelartigen Streifen. Die Karotten sind sehr aromatisch, aber recht rustikal in Szene gesetzt. Das Bries selbst, zu dem noch ein hervorragender Kalbsjus angegossen wird, ist goldbraun gebraten, aber nicht knusprig. Ohne eine hauchdünne, appetitliche Kruste wirkt diese Zutat meist zu homogen. Das ist sehr gut, aber nicht hervorragend.— 7/10
Bresse-Huhn vom Erzeuger Alexandre Mazuir kommt in Form eines äußerst saftigen Bruststücks mit Albuféra-Sauce und schwarzem Trüffel auf den Teller (€ 115). Zu dem klassischen, bilderbuchartigen Ensemble aus saftig zartem, hocharomatischem Huhn, quietschfrischem Trüffel und einer handwerklich perfekten Albuféra-Sauce werden einige grüne Gemüse serviert, allem voran Mangold und Salatherz. Das verleiht dem üppigen Gericht eine zeitgemäße Leichtigkeit. Hervorragend ‒ für das, was es sein will ‒, aber mir fehlt insgesamt ein wenig Salz.— 7,9/10
Nach einer Käseauswahl von Bernard Antony, die nichts zu wünschen übriglässt, gibt es ein Pré-Dessert in Form einer schaumigen Creme mit Kokosnuss, Ananas und Passionsfrucht (€ 25). Das ist eine wunderbare Süßspeise mit perfekt kombinierten exotischen Aromen.— 8,5/10
Das eigentliche Dessert ist dann eine komplexere Arbeit um das Thema Honig. Letzterer stammt von einem Erzeuger von Korsika und findet Verwendung in einem wabenförmigen Eis sowie in einer „Marmelade“ mit Olivenöl. Ebenfalls auf dem Teller findet man „Pollen-Crumbles“, eingelegte Zitronatzitrone und Eukalyptusgel. Es ist ein bisschen Bastelarbeit, die Bestandteile zu demontieren, aber eine gut austarierte Süße in Kombination mit frischeren Aromen ergibt ein sehr stimmiges Dessert.— 7,5/10
Hervorragend ist dann auch die anschließende Schokolade, die man mit aufs Zimmer nehmen kann. Sie hat innen eine betörend knusprige Füllung und ergibt morgen früh sicherlich auch ein perfektes kleines Frühstück ‒ hier im Hotel übrigens mit unschlagbarem Blick auf den Eiffelturm.
Der Service war förmlich, aber sehr nett, die Weine hervorragend, aber das Essen konnte mich nicht wirklich fesseln. In Paris kann man außergewöhnlich gut essen ‒ von trendigen Gastropubs bis zu den ewigen Großmeistern ‒, und ein Mahl wie dieses, gerade bei den Preisen, muss man bei all diesen Möglichkeiten nicht zwingend in Erwägung ziehen.
Nach drei Stunden am Tisch steigt mir nun auch der Raumduft endgültig zu Kopf. Am Burgunder kann es schließlich nicht liegen.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | L’Abeille (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Christophe Moret |
Ort: | Paris, Frankreich |
Datum dieses Besuchs: | 09.02.2019 |
Guide Michelin (F 2018): | ** |
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