Sushi Sho ‒ O-Stockholm
Heute Abend bin ich zum zweiten Mal im Frantzén, mein eigentliches Anliegen dieses Kurztrips nach Stockholm (Bericht folgt). Da ich schon früh morgens hier gelandet bin, ist eine leichte Lunch-Option Teil meiner Reiseplanung. Im Guide Michelin bin ich vorab auf das Restaurant Sushi Sho aufmerksam geworden und habe neugierig dort reserviert. Anders als in Deutschland, wo ich einen großen Bogen um jedes Restaurant mache, das irgendetwas mit Sushi zu tun haben will, zieht mich so etwas in kulinarisch weiterentwickelten Ländern eher an, zumal das Restaurant mit einem Stern ausgezeichnet ist.
Als das Restaurant um 13 Uhr öffnet, hat sich schon eine kleine Schlange davor gebildet. Der kleine Laden füllt sich rapide. Ich habe einen guten Platz am Tresen, aber es gibt auch etwas dürftigere Plätze in „zweiter Reihe“ an einem Hochtisch am Fenster. Dort sitzt man etwas abseits des Geschehens und wird zwangsweise um einen entscheidenden Teil des Erlebnisses gebracht.
Denn was die muskel- und tattoobepackten Jungs hinter dem Tresen so alles anstellen, ist nicht zu verpassen. Da wird frischer Wasabi gerieben und an einer Yuzu gehobelt, mit japanischer Keramik hantiert und Fisch geschnitten als sei man in Japan.
Auch die Getränkekarte, die an eine Wand geschrieben ist, ist fabelhaft. Burgund, Champagner und Sake sind hier selbstverständliche Schwerpunkte. Der Laden macht mich jetzt schon glücklich.
Angeboten wird hier lediglich ein Omakase-Menü zu umgerechnet € 72. Wer dies oder jenes nicht mag, bleibt also lieber zu Hause.
Es geht los mit einem Sashimi von in Sojasauce marinierter Gelbschwanzmakrele aus Dänemark. Durch Reifung ‒ das ist schon hohe Sushi-Schule ‒ hat der Fisch eine mürbe, zarte Textur. Ganz wunderbar. (7/10)
Oktopus (aus Schweden) und Abalone (aus der Normandie), serviert mit frischem Wasabi (aus Japan) beweisen eindrucksvoll, wie man selbst in Schweden an großartige Produkte gelangen kann ‒ wenn man will.
Das klassische Gericht, welches man bei Größen wie Takashi Saito in berührender Perfektion erleben kann, begeistert auch hier, und dass man in Stockholm überhaupt an Saito denkt, ist ja schon ein kleines Wunder. Exzellente Garpunkte, sehr gute Produkte, phänomenaler Wasabi. (7,5/10)
Es folgt Seeteufelleber in einer Marinade mit frischer Yuzu. Das schmeckt nach genau dem, was es ist: Foie Gras aus dem Meer. (7/10)
Weiter geht’s mit Königskrabbe (aus Norwegen) mit Ponzu-Gelee, Dashi und Frühlingszwiebeln. Eine Wucht an Produktqualität, gepaart mit knackiger Frische und kühlem Umamigeschmack. Ich staune und genieße. (7,5/10)
Der letzte Streich vor dem Nigiri-Sushi ist ein in Sojasauce eingelegtes und geräuchertes Eigelb, das man mit Thunfischwürfeln, Okra und Frühlingszwiebeln zu einer cremigen Melange verrührt. Räuchernoten, Frische und cremige Textur ergeben erneut einen kleinen Snack zum Augenschließen. (7,5/10)
Der eine Koch, der ein bisschen so aussieht wie Jean-Claude van Damme, aber deutlich filigraner mit seinen Händen umgeht, präpariert inzwischen das neta, den Fisch, fürs Nigiri. Die Handbewegungen, die er dabei macht, zeugen von langer Übung. Es ist ein seltsamer Anblick, dass ein Nicht-Japaner dieses Handwerk beherrscht.
„Jean-Claude“ serviert sein Sushi direkt aus der Hand. Diese Technik, die keinen Umweg über ein Tablett nimmt und damit sämtliche geschmacksbeeinträchtigende Verzögerungen vermeidet, erlebt man selbst in Japan selten.
Das erste Stück Nigiri ist mit Wolfsbarsch und beeindruckt mich bereits sehr. Vor allem der Reis, die wichtigste Komponente bei Nigiri-Sushi, ist ‒ für westliche Verhältnisse ‒ phänomenal. Man verwendet hier Akitakomachi-Reis, der hier ein zartes, aber bissfestes Korn mit angenehmer Klebrigkeit ergibt. Die Säure durch den Essig ist prononciert, was ich gerne mag, und auch von der Größe her ist der Happen einwandfrei. Dieses erste Stück ist schon über dem Niveau eines Michelin-Sterns.
Es folgt Seesaibling, der mit seinem hohen Fettgehalt am Gaumen schmilzt. Meine Begeisterung für den Reis setzt sich auch hier fort.
Steinbutt ist „nur noch“ sehr gut, weil sich dieser Fisch aus meiner Sicht einfach nicht so gut auf Nigiri macht.
Es folgt Makrele, die wiederum für ein exzellentes Stück Nigiri sorgt. Ich kann kaum glauben, ausgerechnet in Stockholm so etwas vorgesetzt zu bekommen. Stockholm ist auch nicht der Nabel der Welt. Es liegt also alles nicht an der Produktbeschaffung. Es liegt an Gästen, die so etwas essen wollen und vor einem solchen Laden am Samstagmittag Schlange stehen.
Geräucherte Bastardmakrele ist weiterhin fantastisch. Das Nigiri ist herausragend hergestellt, mit genau richtigen Proportionen und sehr guten Fischabschnitten. Erwähnte ich schon, wie gut der Reis ist?
Es folgt eine klassische Trilogie vom Thunfisch (aus Spanien). Akami, der magere Teil, ist dann schon gleich das beste Stück des Abends ‒ wir sind hier jetzt schon im Zwei-Sterne-Territorium.
Chutoro, fettigerer Thunfisch, ist dann ein weiterer Superlativ. Die perfekte Temperatur des Fischs unterstützt seinen Schmelz, die Portion ist ideal, das ist regelrecht meisterhaft.
Das Highlight des Abends ist der fettigste Teil des Thunfischs, Otoro, der als Zusatzoption angeboten wird. Das kostbare Stück, das einer der Köche zu Recht stolz den Gästen präsentiert, stammt, wie ich später erfahre, vom selben Lieferanten, der auch das Frantzén mit solchen Dingen versorgt. Ich erkundige mich gar nicht erst lange nach Aufpreisen, nicke mit gierigen und ungläubigen Augen alles ab und bekomme als erstes zwei dicke Tranchen Sashimi von der Wunderzutat, die mit (hervorragender) Sojasauce und Wasabi serviert werden.
Das steht später mit umgerechnet € 20 extra auf der Rechnung, erspart einem dafür aber vierstellige Reisekosten. Solche Qualitäten erlebt man sonst nur in Japan oder in den USA.
Der zweite Extragang mit Otoro (zzgl. € 20) ist dann noch mal ein klassisches Nigiri. Wegen des grandiosen Produkts und des ohnehin so fabelhaften neta ist dieses Stück eines der an einer Hand abzählbaren Stücke Sushi in Europa, die man schon in ganz hoher Zwei-Sterne-Region verordnen kann. Das toppt nur noch The Araki in London.
Und weil wirklich aller guten Dinge drei ist, sage ich auch zur dritten Extrarunde (zzgl. € 20) nicht nein. Es gibt Otoro-Tatar mit Kaviar und Schalotten. Mehr braucht der Mensch nicht, um glücklich zu sein.
Ein Krustentier-Tamago (Omelette) zum Schluss ist dann leicht trocken, aber was macht das schon? Ich komme aus dem Staunen ohnehin kaum noch heraus, genauso wenig wie aus dem Laden selbst. Doch ich muss gehen; das Frantzén ruft schon in vier Stunden. Klar, das wird grandios. Aber ich weiß schon jetzt, dass es mich nicht glücklicher machen wird als diese kleine Bude, in der lässige Schweden lässiges Sushi servieren.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Sushi Sho (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Carl Ishizaki |
Ort: | Stockholm, Schweden |
Datum dieses Besuchs: | 16.02.2019 |
Guide Michelin (Nordic Countries 2018): | * |
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