Tourniert: Shanghai, Berlin, Paris, Hamburg
In der siebten Ausgabe von „Tourniert“ berichte ich kurz und kompakt über einige Restaurants, die ich in den letzten Monaten besucht habe, von Hamburg bis Shanghai.
Die Berichte im Einzelnen:
→ L’Atelier de Joël Robuchon, Shanghai
→ einsunternull, Berlin
→ Champeaux, Paris
→ Jacobs Restaurant, Hamburg
→ Gallo Nero, Hamburg
→ Tarterie St. Pauli, Hamburg
L’Atelier de Joël Robuchon, Shanghai
Das letzte Restaurant, das ich im Januar in Shanghai besuchte, war das L’Atelier de Joël Robuchon. Ich habe den Termin absichtlich aufs Ende der Reise gelegt, weil mir nach Essmarathons in asiatischen Ländern besonders zum Schluss häufig nach französischen oder italienischen Geschmacksbildern ist. Außerdem bin ich ein sehr großer Freund der Ateliers. Manche schimpfen sie zwar die Kettenrestaurants der französischen Sterneküche, aber ich habe nie verstanden, warum das nicht eigentlich ein Kompliment ist. Und wie sagt man so schön? Wer kann, der kann.
Robuchon kann, und das beweist er auch mit diesem Restaurant. Die rot-schwarze Einrichtung erfüllt mich sofort mit Freude und Appetit.
Der Laden brummt. Kosmopolitische Gäste, die alle Freude am Essen haben, füllen jeden Platz dieses recht großen Restaurants. Ich sitze, wie es sich hier gehört, am Tresen und sauge die Gastfreundschaft des größtenteils französischen Personals auf wie ein nasser Schwamm. Die chinesischen Restaurants haben es nämlich nicht so damit. Bei, unter anderem, einem Glas vorzüglichen Cos d’Estournel blanc (€ 34) wähle ich ein paar Speisen aus der umfangreichen Karte.
Ich beginne das entspannte Mahl mit Blick auf den Bund und einem Carpaccio von Dorade mit Zitrone, Olivenöl, Piment d’Espelette und Kaviar (ca. € 26). Ganz ausgezeichnet! (8/10)
Gebratener Hummer von ebenso makelloser Qualität wird in einem tiefen Teller in einer pikanten, buttrigen Krustentierbisque serviert und von knackig frischen Erbsen und Pak Choi begleitet (ca. € 31). Eine Wonne. (8/10)
Zartes, saftiges Ferkel hat ansprechende Röstnoten und wird pfiffig von verschiedenen Kräutern, z. B. Dill, und einem Schalottenpüree begleitet (ca. € 26). Noch etwas mehr von der konzentrierten Sauce hätte das Gericht noch besser gemacht. Dennoch ist das ganz souveränes Handwerk mit exzellenten Produkten bis hin zu den Kräutern. (7,9/10)
Ein dekadent süßes und kalorienhaltiges Dessert („Le Dôme“) mit Vanilleeis, Bananencreme und Karamell genieße ich schwelgend und mit kindlicher Freude. (8/10)
Warum man in Shanghai ausgerechnet in ein französisches Kettenrestaurant gehen sollte? Darum!
Informationen zu diesem Besuch | |
---|---|
Restaurant: | L’Atelier de Joël Robuchon (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Francky Semblat |
Ort: | Shanghai, China |
Datum dieses Besuchs: | 22.01.2017 |
Guide Michelin (SHA 2017): | ** |
Meine Bewertung dieses Essens | |
Diskussion bei Facebook: | hier klicken |
einsunternull, Berlin
Ivo Ebert, einst Sommelier und Mitinhaber des reinstoff, hat sich mit einem modernen Restaurantkonzept in Berlin-Mitte selbstständig gemacht. An einem frühen Samstagmittag kehre ich zu einem kurzen Mittagessen hier ein. Es ist selten, dass anspruchsvolle Restaurants zu dieser Zeit öffnen. Zu Hause in Hamburg vermisse ich das regelmäßig.
Das Ambiente ist einladend hell und skandinavisch schlicht. In solcher Umgebung kann man, schon ohne die Speisekarte gesehen zu haben, eine moderne regionale Küche erwarten.
In der Tat findet man in der Mittagskarte (drei bis fünf Gänge, € 29–45) Begriffe wie Landkaffee, Goldleinöl und Aroniabeere. Das passt zum glutenfreien Bio-Esprit der Stadt.
Ein Chicoréeherz als Zichorienknospe zu bezeichnen ist dann schon fast albern, schmeckt aber dennoch gut und geht mit Kaffeepulver ein interessantes Spiel mit verschiedenen Bitternoten ein, die von einer Quittencreme, pardon, Zwergquittencreme, gut aufgefangen werden (7/10). Danach offenbaren hauchdünn aufgeschnittene, nach Wald duftende und (erneut) auf einer Creme gebettete Champignons die Güte dieses unterschätzten Alltagspilzes (6,5/10).
Ein Stück Spannrippe vom Rind schmeckt gereift und nach guter Qualität, ist aber zäh und trocken. Dazu gibt es „saure Kartoffel und Kamille“ (6/10). Ein Dessert Johannisbeere und Milch spielt erwartungsgemäß eher mit Säure als mit Süße, tut dies jedoch sehr souverän (7/10).
Man leistet hier zweifellos gute Arbeit, aber das Ganze wirkt auf mich etwas zu verkrampft. Ich hatte zweifellos ein angenehmes Mittagessen, das mir aber keine Argumente bot, es zu wiederholen. Und wenn eine Gastronomie einem dieses Gefühl vermittelt, dann ist der Fokus vielleicht etwas falsch gesetzt.
Informationen zu diesem Besuch | |
---|---|
Restaurant: | einsunternull (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Andreas Rieger |
Ort: | Berlin, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 28.01.2017 |
Guide Michelin (D 2017): | * |
Meine Bewertung dieses Essens | |
Diskussion bei Facebook: | hier klicken |
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels krititiserte ich, dass die Champignons im einsunternull an einigen Stellen verfärbt seien. Hierbei handelte es sich jedoch um das zum Gericht gehörende Leinöl. Ich bitte, diesen Irrtum zu entschuldigen.
Champeaux, Paris
Auf dem Gebiet des einstigen Großmarkts von Paris, Les Halles, hat ein Umbau stattgefunden, der das Budget der Elbphilharmonie mühelos in der Pfeife raucht. Hier findet man aber keinen Konzertsaal, sondern eine recht depressive untergeschössige Einkaufspassage. Auf Erdgeschossniveau findet man aber auch die neue Brasserie von Gastronomiegroßmeister Alain Ducasse: Champeaux.
Das von allen Seiten von Licht durchflutete Restaurant besitzt als charakteristisches Merkmal eine große elektrisch gesteuerte Tafel wie früher an Flughäfen oder Bahnhöfen, auf der alle paar Minuten Auszüge aus der Speisekarte sowie und andere Informationen mit einem klackernden Geräusch angezeigt werden.
Die eigentliche Speisekarte ist ganz klassisch auf dünnes Papier gedruckt und liegt gefaltet auf dem Tisch. Es gibt alles, was das Brasserie-Herz begehrt: Zwiebelsuppe, Pulposalat, Avocado mit Crevetten, Schnecken, Foie Gras mit Toast, geräucherten Lachs, Patés, Charcuterie- und Käseteller, tolle Stücke vom Rind (Onglet, Bavette, Entrecôte), Rindertartar, Blutwurst, Entenkeulen, Desserts, Soufflés … ein Paradies.
Ich begeistere mich schon gleich für die erste Speise, rohe Abschnitte von Dorade in fantastischer Qualität, mariniert, mit leuchtend frischen Zitrusfrüchten und gutem Pfeffer (€ 10 — 7,5/10). Auch sehr gut: herzhaft gerösteter, sehr zarter, aber nicht zerfallender Pulpo mit Kichererbsen und einer perfekten Balance zwischen Röstnoten, Fett, Schärfe und Säure (€ 16 — 7/10).
Ein Teller Nudeln (Coquillettes) mit Schinken-, Kartoffel- und Trüffelwürfeln (€ 18) ist sahnig, süffig und glücklich machend (7/10); Soufflé und Tarte au Citron sind ebenfalls einwandfrei (beide 7/10). Dazu gibt es exzellente Weine, besonders auch glasweise. Ein Traum, qualitativ und preislich. Allein für so ein Essen lohnt es sich schon nach Paris zu reisen. Muss man ja auch. Gibt’s hier ja nicht.
Informationen zu diesem Besuch | |
---|---|
Restaurant: | Champeaux (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Kévin Kowal |
Ort: | Paris, Frankreich |
Datum dieses Besuchs: | 10.02.2017 |
Guide Michelin (F 2017): | (noch nicht bewertet) |
Meine Bewertung dieses Essens | |
Diskussion bei Facebook: | hier klicken |
Jacobs Restaurant, Hamburg
Über den Stellenwert des Traditionshauses in der Hamburger Restaurantlandschaft ist jeder Zweifel erhaben. Zig Mal war ich bereits Gast hier, zig Mal werde ich noch Gast hier sein. Die seit letztem Jahr in Kraft getretene „zeitgemäße hanseatische Gelassenheit“ ist aber auch eben nicht zu verwechseln mit kosmopolitischer Ungezwungenheit. Der Altersschnitt der Debitoren im Speisesaal dürfte immer noch deutlich jenseits der 65 liegen.
Aber man kann sich seine Nischen schaffen, im wahrsten Sinn zum Beispiel an einem der Tische mit sofaähnlichen Sitzmöbeln.
Die französische Küche Thomas Martins ist zeitlos wie eh und je, und er ist nach wie vor ein König der Saucen. Ein qualitativ sehr gutes Filet vom Nordsee-Kabeljau mit Nudelrisotto, Büsumer Krabben und Pistazie für faire 29 Euro offenbarte bei einem Essen im April den Fokus der Küche auf „Süffigkeit“, die hier niemals aus den Augen verloren wird. (8/10)
Eine kalt servierte Vorspeise mit Pulpo in einem Safran-Muschel-Sud mit Queller (€ 26; 6,9/10) hatte dann allerdings ähnliche „Probleme“ wie ein Gericht aus dem Februar mit Thunfisch „a la plancha“ mit Mandelaioli, Oliven und Zitrone (€ 28; 7/10). Beide Gerichte sahen zwar nicht nur wunderschön aus und waren optimal konzipiert, litten aber etwas unter da nicht ganz mithaltenden Produkten. Dadruch gerieten beide Teller in etwas flacheres Fahrwasser. Ich habe mit Thomas Martin längst über die Gerichte gesprochen; sie wurden inzwischen justiert. Konstruktive Kritik ist für einen souveränen Küchenchef ja meist wertvoller als die Schwärmereien, die man sich an den anderen Tischen abholen kann.
Aber ich schwärme auch, im Großen und Ganzen, und freue mich schon auf laue Sommerabende unter den Linden mit Blick auf die Elbe und auf Airbus.
Informationen zu diesem Besuch | |
---|---|
Restaurant: | Jacobs Restaurant (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Thomas Martin |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieser Besuche: | 23.02.2017, 21.04.2017 |
Guide Michelin (D 2017): | ** |
Meine Bewertung dieser Essen | im Schnitt |
Diskussion bei Facebook: | hier klicken |
Gallo Nero, Hamburg
Der Hamburger Stadtteil Winterhude ist reich gespickt mit Gastronomiebetrieben, die einem hilflosen und weltfremden Publikum, das sich selbst als kosmopolitische Feinschmecker sieht, so ziemlich alles Essbare andrehen können. Als „Scampi“ verkaufte Tiefkühlgarnelen, große Pfeffermühlen und billiger Balsamessig füllen hier Abend für Abend die Kassen der Wirte, die man hier natürlich beim Vornamen kennt.
Ich hatte Lust, dieses Klischee nach vielen Jahren einmal wieder zu überprüfen und kehre an einem Dienstag – es ist rappelvoll – ins Gallo Nero ein. Das hat nichts mit Masochismus, sondern mit tatsächlichem Interesse zu tun.
Im Gallo Nero – wir sind zu viert – bestellen wir erst einmal eine Pizza Margherita (€ 8,90), während wir in der Karte stöbern. Der Pizza (ohne Foto) fehlt es an allem, was eine gute Pizza ausmacht: eine Behandlung mit großer Hitze wäre schon mal ein guter Anfang gewesen, diese hier wirkt fast wie aus der Mikrowelle (5/10).
„Manufaktur-Spahettini“ mit Calamaretti (€ 13,90) sind fad, härter als al dente gekocht, haben keine geschmackliche Tiefe, das Meerestier ist lasch gewürzt und fischig – man sieht das schon alles als der Teller serviert wird (5/10). Das esse ich nicht weiter, interessiert aber auch keinen. Höhepunkt des Versagens ist ein stolz vom Chef präsentiertes T-Bone-Steak für zwei (Preis nicht notiert, vermutlich ca. € 30 p. P.), am Tisch tranchiert, sehr trocken, ohne Röst- oder Eigenaromen, serviert mit gummiartigen, fast kalten Kartoffeln und Krankenhausgemüse (5/10).
Ein Affront gegenüber der italienischen Küche! Und ein kulinarisches Trauerspiel erster Güte, mit dem der Inhaber höchst erfolgreich und die Gäste überglücklich sind. Was will man mehr?
Informationen zu diesem Besuch | |
---|---|
Restaurant: | Gallo Nero (→ Website) |
Chef(s) de Cuisine: | Andrea Cacace, Martin Sadirov, Davide Landolina |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 25.04.2017 |
Guide Michelin (D 2017): | (keine Erwähnung) |
Meine Bewertung dieses Essens | |
Diskussion bei Facebook: | hier klicken |
Tarterie St. Pauli, Hamburg
Der Name des Restaurants ist noch Zeuge von Inhaber Fabio Haebels einstigem Konzept, hier herzhafte Teigwaren wie Quiche und Flammkuchen zu verkaufen. Schon dies war eine Evolution seiner gleichnamigen Cateringfirma. Inzwischen ist der Laden ein kleines Restaurant mit kreativer französischer Küche. Man ist hier stets im Wandel, Köche kamen und gingen, daher hatte ich nach meinen bisherigen Besuchen immer das Bedürfnis, noch einmal abwarten zu wollen, was hier eigentlich passiert.
An einem Abend im April frische ich meinen Kenntnisstand auf. Das Tasting-Menü (drei bis sechs Gänge, € 38–€ 65) beginnt mit einer Belon-Auster mit Buttermilch, Gurke und Pumpernickel, das mich stark an einen ähnlich konzipierten und fast schon stadtbekannten Appetizer aus dem Off Club erinnert. Kein Wunder, ein ehemaliger Koch von dort arbeitet jetzt hier. Ein Plagiat ist das gleichwohl nicht, fehlt hier doch etwas Säure, um dem Amuse-Bouche Spannung zu verleihen. Auch bin ich kein Freund des recht strengen Austerngeschmacks dieser Sorte, was jedoch eine persönliche Präferenz ist (6,5/10). Ein Gang mit Karotte, Estragon und Dickmilch bietet angenehme Texturkontraste und sehr gut herausgearbeitete, süßholzähnliche Aromen vom Estragon, nur der Protagonist Möhre ist etwas fad (6,5/10).
Die nächsten zwei Gänge lassen mich ratlos zurück. Aufgeschnittene Salatherzen mit Weintrauben und einer gutgemachten Sauce mit Verjus wurden auf eine sehr irritierende Weise angebrannt, die das Gericht, wirklich wahr, nach kaltem Aschenbecher riechen lässt und es für mich dadurch ungenießbar macht (5/10). Roh servierter Zander mit Wacholder, Haselnuss und Radieschen riecht unappetitlich fischig, ist von Natur aus sehr kaubedürftig und offenbart eindringlich, wie man rohen Fisch nicht einsetzen sollte (5/10). Dank der unmittelbaren Nähe meines Tischs zum Pass stehe ich in regem Dialog mit der Küche, die für Kritik offen ist. Die Atmosphäre ist zu jedem Zeitpunkt entspannt und kommunikativ.
Sehr gutes, weil zartes und aromatisches, Onglet (Nierenzapfen) – ein hierzulande viel zu selten servierter Schnitt vom Rind – ist sehr erfreulich, aber die Mitspieler, vor allem ein etwas zu viel Süße beisteuerndes Zwiebelkompott und noch einmal Zwiebel selbst, nehmen etwas zu viel Raum ein. (6,5/10)
Ein sehr gutes Dessert, das erfreulicherweise deutlich weniger kreativ schmeckt als es aussieht, bietet Rote-Bete-Eis, Rhabarber und Lakritz als Hauptzutaten. Sehr gut. (7/10)
Kurz gesagt: es hat viel Potenzial, was die Jungs hier machen, aber man konzentriert sich hier zuweilen schon zu viel auf Kreativität anstatt erst einmal auf Konstanz und ein solides Fundament. Das lässt die Küche manchmal etwas unauthentisch erscheinen. Aber die Tarterie ist ja immer im Wandel. Ich bin gespannt auf die Fortsetzung.
Informationen zu diesem Besuch | |
---|---|
Restaurant: | Tarterie St. Pauli (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Fabio Haebel |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 26.04.2017 |
Guide Michelin (D 2017): | (keine Erwähnung) |
Meine Bewertung dieses Essens | |
Diskussion bei Facebook: | hier klicken |