Taian – drei Sterne zu viel in Osaka, Teil 2
Nach der gestrigen Enttäuschung im Koryu besuche ich an diesem Sonntagabend im März ein weiteres Drei-Sterne-Restaurants in Osaka. Neben der Höchstauszeichnung im Guide Michelin bestehen weitere Ähnlichkeiten: auch im Taian gibt es japanische Küche am Tresen, einen in die offene Küche integrierten Grill, ein vergleichsweise günstiges Menü für umgerechnet etwa € 110, und es gibt auch hier kränkelnde Küchenangestellte, die in die Gegend niesen.
Das von außen sehr einladende Restaurant hat im Interieur wenig von japanischem Purismus. Statt hochwertiger, schlichter Materialien sieht hier alles etwas nach Plastik aus. Eine hohe Brüstung am Tresen, die uns Gäste vom Küchenpersonal trennt, wirkt in einer Welt, bei der es sonst viel um Respekt und Demut geht, regelrecht unhöflich.
Der Auftakt des Menüs besteht aus einer Auswahl verschiedener kleiner Speisen: gehobelter Rettich; Algengelee mit Ingwer; Muscheleis mit Zitrusfrucht; Gemüse mit Seegurkenleber; und eine weiche, faserige Masse mit Ume-Frucht. Saisonal, frisch und handwerklich gekonnt ist das alles zweifellos, doch dem insgesamt eher faden Geschmacksbild und den vielen viskoelastischen Zutaten kann ich auf der Genussseite wenig abgewinnen. (6,9/10)
Weiter geht’s mit einer Suppe mit Muscheln, Abalone und Algen (ohne Foto), die sehr heiß, aber erneut sehr fad ist. Nicht einmal die Dashi-Basis ist geschmacklich wahrnehmbar. Sehr ernüchternd. (6/10)
Es folgt Sashimi mit Thunfisch und Flunder, beide von exzellenter Qualität. Besonders das sonst sehr kaubedürftige Fleisch des Plattfischs ist hier wegen des sehr dünnen Schnitts gut zu essen. Wenn sich Japan-Reisen allmählich dem Ende zuneigen, ist man für jedes Gramm solcher Qualitäten umso dankbarer. (8/10)
Beim folgenden Gang gelangt der Robata, der Holzkohlegrill, zum Einsatz. Ungewöhnlicherweise konnte man vor dem Menü die Zutaten auswählen, die hier für einen präpariert werden sollen. Mit etwas Unterstützung entschied ich mich für Schweinerippchen und Wagyu-Rind (genaue Herkunft nicht notiert), dazu gibt es Salat und säuerliche Condiments. Die Rippchen sind knusprig und saftig, aber keine absolute Referenz für so ein Produkt (7/10), das Rindfleisch ist exzellent: schön marmoriert, mit dünner, leicht knuspriger Kruste, innen nur leicht gegart und dennoch warm, am Gaumen schmelzend und an den Geschmack von beurre noisette erinnernd (8/10). Beides puristisch, beides sehr gut.
Es folgt eine erneut extrem heiße Suppe, mit Aji, den kleinen stintartigen Fischchen, Wasabi und Yuba, der getrockneten Haut von Sojamilch. Letztere verleiht der Suppe eine dickflüssige Textur. Erneut: neutral, zu viel, zu heiß, wenig Genuss. (6,5/10)
Mittlerweile etwas skeptisch betrachte ich den nächsten Gang, der erneut aus einer kleinen Suppe mit Kräutern, einer Schüssel Reis mit Bambus und säuerlich marinierten Gemüsen besteht. Eine klassische Zusammenstellung kurz vor dem Dessert, die gut gemacht ist, mich aber auch nicht von diesem Hocker haut. Das liegt nicht am Restaurant, sondern an einer Genussgrenze, die derartigen Speisen innewohnt (hier aber dennoch nicht erreicht ist). (6,9/10)
Ein Dessert wird im Trinkglas serviert und enthält sehr gute Erdbeeren und eine „sandige“ Zubereitung aus grünen Bohnen, die dem Erdbeergenuss im Weg steht. (6/10)
Der Chef niest noch einmal demonstrativ und völlig ungeschützt in die Gegend. Vielleicht hat der kleine Schutzwall vor einem ja doch noch einen Vorteil.
Meine schwache Bewertung auch dieses zweiten Essens in Osaka ist keineswegs einer Übermüdung geschuldet. Wenn ich in einem Restaurant bin, sind meine Sinne geschärft, ich bin fast immer vorfreudig und offen für alles. Auch die vielen neutraleren, weil schwach gewürzteren, Speisen, denen man in japanischen Restaurant öfter begegnet, sind kein Kritikpunkt an sich. Ich habe an den subtilen Aromen teilweise große Freude. Aber alles, was hier serviert wurde, existiert anderenorts um Klassen besser. Warum die Inspektoren des Guide Michelin solch ein gutes, aber keinesfalls weltbestes Restaurant mit ihrer Höchstwertung auszeichnen, ist mir ein Rätsel.
Morgen geht es endlich nach Tokio, das ich bei dieser Reise leider nur kurz streifen werde. Und jetzt schnell raus hier, der Chef setzt wieder zum Niesen an …
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Taian (太庵) |
Chef de Cuisine: | Hitoshi Takahata |
Ort: | Osaka, Japan |
Datum dieses Besuchs: | 12.03.2017 |
Guide Michelin (Kyoto/Osaka 2017): | *** |
Meine Bewertung dieses Essens | |
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