Bauhaus – Weimar, Dessau … Vancouver?
Der Baumarkt-Kette nimmt man ihren Namen noch mit einem Zwinkern ab. Bauhaus, das passt zu Baumarkt und Hausbau. Wenn man aber ein Restaurant nach einer der wichtigsten Kunstschulen der Klassischen Moderne benennt, unter denen sich Köpfe wie Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe versammelten – ohne die unsere gestaltete Welt nicht so aussähe wie heute –, dann ist das zumindest mutig. Zählt man sich zu Architekten, Designern und Künstlern? Das wäre vermessen. Oder zu Handwerkern? Da kommen wir der Sache schon näher. Schließlich vereinte das „Staatliche Bauhaus“ bei seiner Gründung in Weimar zum ersten Mal Kunst und Handwerk unter einem Dach. Und dass sich ein ambitionierter Koch in der Ambivalenz zwischen diesen Polen wiederfindet, wäre ja plausibel. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Bauhaus-Schule aus Deutschland stammt, international bekannt ist und wir hier von einem Restaurant reden, das einem achttausend Kilometer von Deutschland entfernten Publikum moderne deutsche Küche nahebringen möchte, dann ergibt die waghalsige Namensgebung weiteren Sinn.
Gerade als mich dieser Gedankengang zufriedenstellt, lese ich auf der Website des Bauhaus, man beschäftige hier einen „world-renowned celebrity chef“. Bei Alain Ducasse oder auch Tim Raue hätte ich diese Formulierung noch verstanden. Aber bei Stefan Hartmann? Come on. Hatte der sich nicht zuletzt in Berlin mit zwei Restaurants übernommen? Ambitioniert und fleißig war das alles ganz sicher, aber das allein macht einen ja noch nicht zu einem „weltberühmten Starkoch“. Schlichter Bauhaus-Stil geht anders.
Warum ich überhaupt so lange über den Namen fabuliere? Warum nicht? Immerhin regt er zum Nachdenken an, macht neugierig und ist damit unterm Strich gelungen.
Gelungen ist auch das Interieur, das spannend gestaltet ist. Karger Sichtbeton trifft auf grobes Mauerwerk, meterlange Leuchtstoffröhren hängen von der Decke neben offenen Edelstahlröhren. Die Stühle sind Freischwinger aus der Bauhaus-Feder von Marcel Breuer, und die große, offene Küche spendet weiteres Licht sowie Lebhaftigkeit.
Die Speisekarte bietet einen A-la-carte-Teil mit einem bunten Mix von Vitello Tonnato über Barbecue Chicken bis zu „German Classics“ wie, nun ja, Wiener Schnitzel. Vor einem historischen Kontext ist dieser geografische Lapsus ziemlich pikant, aber das scheint hier niemanden zu echauffieren.
Ich entscheide mich letztlich für das fünfgängige chef’s tasting menu für umgerechnet ca. € 60.
Wenig später wird Brot serviert, das leider schon etwas älter schmeckt; ein weißer Kubus aus einer fettigen Masse dient dazu als wenig appetitlicher Butterersatz – so ähnlich wie neulich im norwegischen Maaemo.
Das erste Amuse-Bouche ist eine Gänseleber-Mousse mit verschiedenen Gels, darunter Kirsche, einem Brioche-Chip sowie Blutampfer. Die Kombination der Foie Gras mit fruchtiger Kirschsüße ist klassisch, die Speise hinterlässt am Gaumen jedoch eher den Eindruck von Babybrei. Auffällig ist, wie sehr das Gericht sowohl optisch als auch konzeptionell an die derzeitige deutsche Küchenlandschaft erinnert. Gels, Cremes, Staub und Blutampfer: das ist inzwischen deutscher als Sauerkraut. (6/10)
Beim zweiten Amuse-Bouche traue ich meinen Augen kaum, als ich sehe, dass sich die Blutampferdekoration fortsetzt. Eine ähnliche Obsession für dieses kulinarisch belanglose Kraut erlebte ich erst neulich im schwarzwäldischen Bareiss. Hier in Vancouver dekoriert es gebeizten Saibling mit Rettichschaum und „Roggenstaub“. Das Geschmacksbild ist bewährt, die Qualität des Fischs akzeptabel. (6/10)
Auch der nächste Gang kann allein der Optik wegen mühelos einem deutschen Küchenchef zugeschrieben werden. Gerade hier, weit weg von Deutschland, fällt das besonders auf. Hochkant aufgestellte Gurkenscheiben, Gurke in zig Texturen, ein Chip hier, eine Kraut dort: an derartigen Kompositionen ergötzen sich in Deutschland täglich Tausende Gäste.
Diese Kreation thematisiert Stör, Gurke und Dill. Geschmacklich geht es hier allerdings ganz klar um Gurke, die durch die verschiedenen Zubereitungsarten sehr plastisch zur Geltung gelangt; eine leichte Schärfe akzentuiert die Frische und Kühle. Der Stör hat kaum eine Chance gegen das grüne Gemüse und dient hier eigentlich nur als weitere Texturkomponente, was schade ist. Dass man Optik und Komplexität häufig vor die Authentizität und Qualität eines Hauptprodukts stellt, ist ein Wesensmerkmal der gehobenen deutschen Küche, das ich regelmäßig bemängele. Immer dieses Herumtänzeln um mäßige Qualitäten!
Nicht, dass das ein schlechter Gang war – ich beende dieses Gericht mit einem sehr guten Geschmackseindruck –, aber ich kann eben nicht behaupten, eine gute Gurke gegessen zu haben, sondern nur etwas mit gutem Gurkengeschmack. Dabei können Gurken so faszinieren wie erst ein paar Tage später im Ask for Luigi. (6,9/10)
Der nächste Gang ist Kabeljau mit, unter anderem, Paprika, Cidre und Koriandergrün. Diverse Zutaten sind erneut zu Cremes und Gels verarbeitet. Das kleine Stück Fisch ist dabei von sehr guter Qualität und makellos gegart, wird aber von den vergleichsweise großen Mengen geschmacklich sehr intensiver Cremes (die rote schmeckt wie Ketchup) unfairerweise in Schach gehalten – und letztlich mattgesetzt. (6,5/10)
Rochenflügel mit Artischocke und Lauch fällt ganz anders aus. Das zarte und punktgenau gegarte Stück Rochen ist qualitativ erneut ein Highlight, aber auch die weiteren Zutaten überzeugen hier. Schlicht gegrilltes Lauch, ein aromatisch sehr gutes Stück Artischocke und mild-säuerliche Kapernäpfel ergeben ein unverfälschtes und stimmiges Geschmacksbild. (7/10)
Es folgt geschmorte Schweinebacke mit Weißkohl, Schupfnudeln und einer stark angedickten braunen Sauce – ein schweres Gericht mit ordentlichem, bodenständigen Handwerk, aber ohne Charakter. Gegen den Rochenflügel wirkt das wie ein Hammerschlag. (6/10)
Das Dessert ist ein Potpourri von Blaubeere (unter anderem als Eis), Milchcreme, Pfeffer und Zitronenverbene, jeweils in verschiedenen, kleinteiligen Zubereitungen. Geschmacklich passt das alles sehr gut zusammen, die Süße ist auf den Punkt, und der Pfeffer sorgt für spannende, pikante Akzente. (7/10)
Der Abend hat Spaß gemacht, das steht außer Frage. Aus der überschaubaren Restaurantszene Vancouvers sticht das Bauhaus sehr positiv hervor. Doch ich war etwas erschrocken darüber, wie sehr diese Art zu kochen und anzurichten tatsächlich typisch deutsch ist. Dabei ist die Verwendung der vielen Gels und Cremes nicht gerade eine Tugend, die man ins Ausland exportieren müsste. Und von der schlichten und zeitlosen Eleganz der Bauhaus-Schule ist man hier auf jeden Fall genauso weit entfernt wie vom weltberühmten Starkoch. Aber ist ja alles halb so wild. Stefan Hartmann ist ein netter Kerl und ein ambitionierter Koch, ich wünsche ihm und allen Beteiligten viel Erfolg!
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Bauhaus (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Stefan Hartmann |
Ort: | Vancouver, Kanada |
Datum dieses Besuchs: | 26.07.2016 |
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