L’Atelier de Joël Robuchon (Hongkong) – beruhigend konform
Über die Ateliers von Joël Robuchon muss ich an dieser Stelle wohl nicht viele Worte verlieren. Die lebende Gastronomielegende, unter deren Führung derzeit 21 Michelin-Sterne leuchten, hat das Konzept von „fine dining am Tresen“ praktisch erfunden und zelebriert diese angenehm ungezwungene Art des Essengehens rund um die Welt mit seinen Ateliers. Das erste Atelier eröffnete 2003 in Paris-Saint-Germain, und ich halte genau dieses Restaurant für eines der essenziellsten für jeden kulinarisch und gastronomisch Interessierten.
Die Ateliers haben alle dasselbe Konzept, überwiegend dieselbe Speisekarte und sind fast alle mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Obwohl das Atelier in London gerade etwas schwächelt und auch entsprechend zurückgestuft wurde, ist mit großen Schwankungen eigentlich nicht zu rechnen. Und wie es angehen kann, dass ein Atelier sogar drei Sterne erkocht haben soll, will ich heute Mittag in Hongkong bei einem kurzen Lunch ausprobieren.
In irgendeiner Ebene der Central-Hongkong komplett überspannenden Einkaufspassagenwelt finde ich irgendwann die Rolltreppe in der bekannten schwarz-roten Robuchon-Farbwelt, in die ich immer gerne eintrete.
An keinem Tresen fühle ich mich wohler als an einem von Robuchon. Das liegt am bunten Treiben der Köche, die man vor einem sieht, dem legeren Publikum und der völlig flexiblen Speisekarte mit unzähligen französischen Köstlichkeiten. Bei einem Glas Sauvignon Blanc (Erzeuger nicht notiert) stelle ich fest: bisher ist auch in Hongkong alles wie immer – und das ist auch gut so. Die abgekapselte Welt der Ateliers ist eine Welt für sich, unabhängig von ihrer tatsächlichen Adresse. Es erwartet einen ein unaufgeregt unregionales Konzept, ganz gegenläufig zu aktuellen Moden.
Ich bestelle ein paar Gänge. Ansprechen tun mich alle, aber eine Entscheidung muss getroffen werden. Ein kurzes Mittagessen in einem Atelier ist auch gerade genau das Richtige, da am Abend noch eine Reservierung auf mich wartet, in meinem Fall beim Italiener 8 ½ Otto e Mezzo Bombana. (Hätte ich jetzt schon gewusst, dass ich dort sogar den Hauptgang werde zurückgehen lassen, hätte ich mir hier den Bauch voller geschlagen.)
Es gibt ein Amuse-Bouches in Form einer Weißer-Spargel-Panna-Cotta mit pikantem Tomaten-Coulis (beides sehr aromatisch) und schön buttrigen Croutons. Dazu wird ein ebenfalls schön buttriges und knuspriges Toast mit Käse serviert, bei dem mehr richtig gemacht wurde als man sich überhaupt vorstellen kann, Dinge an einem Käsetoast richtig machen zu können. Serviertemperatur, Tiefe und Muster der Grill-Rillen für ein bestimmtes Mundgefühl, leicht abgerundete Kanten, genug Butter, keine Kruste … Das ist fast schon ähnlich perfektioniert wie Sushi. Ist das nicht wunderbar? Ein deftiges Käsetoast in einem Sterne-Restaurant. So etwas wünscht sich doch jeder insgeheim, der mal wieder an irgendeinen mit Schaum gefüllten Zylinder auf seinem Teller hantieren muss. Zu Recht! Nichts weniger als ein glücklich machender, köstlicher Auftakt, der keine Fragezeichen hinterlässt.
Mein erster Gang ist La Langoustine (ca. € 60!). Den versprochenen Kaisergranat findet man in drei Ravioli, in denen das feine Krustentier leider übergart wurde und mehlig ist. Die überdeckende luftige Foie-Gras-Sauce mit schwarze Trüffeln kann den Fauxpas leider nicht verbergern, genauso wenig wie der makellos in Butter gebratene Spitzkohl. Der armselige Zustand des Kaisergranats wäre mühlelos ein Reklamationsgrund, aber mir ist nicht danach. Schade um das ansonsten sehr gut ersonnene Gericht.
Meine weitere Bestellung, die mir hier über den Tresen gereicht wird, ist Le Ris de Veau (€ 74!) in Form eines makellosen, sehr zarten Stücks Kalbsbries, das goldbraun karamellisiert ist und mit leichten Röstaromen betört. Dazu liegt auf dem Teller ein gegartes Salat- oder Kohlblatt mit Speck und Zwiebeln gefüllt, obenauf eine wunderbar leichte Sauce mit Thymian. Zusätzlich serviert man à part Robuchons berüchtigtes Kartoffelpüree (eigentlich ist es zu klebrig, um es nach klassischen Maßstäben loben zu dürfen, aber ich kenne einfach kein besseres …) sowie ein Töpfchen mit dunkler Sauce zum Bries.
Die Sauce besteht leider nur aus nicht entfettetem Bratenjus, sodass das transparente Fett das einzige ist, was aus dem Kännchen läuft – eine befremdliche Nachlässigkeit. Hier wäre ein dunkler, klebriger Jus genau das Richtige gewesen. Doch in Summe bietet das Gericht unbeschwerten Hochgenuss, besonders doch die enorme Produktqualität und das vollmundige Geschmacksarrangement.
Bei einem sehr guten Kaffee (mit Karamellsauce zum süßen!) und makellosen Mignardises ist mein Lunch hier beendet. Natürlich kocht man in diesem Atelier nicht besser als in den zweifach besternten in Paris. Es ist alles ähnlich. Ein Gang kann mal weniger begeistern, ein anderer dagegen kann drei Sterne aufleuchten lassen. Aber ein Atelier von Joël Robuchon ist kein Restaurant, das man nur einmal besucht. Es ist eine eigene, beruhigend konforme Welt in der Gastronomie, ein Ruhepol für undogmatisches Essen und ungezwungenen Genuss. Hätte ich solch einen Tresen in meiner Nachbarschaft, würde man mich nicht mehr los.
Informationen zu diesem Besuch | |
---|---|
Restaurant: | L’Atelier de Joël Robuchon Hongkong (→ Website) |
Chef de Cuisine: | David Alves & Julien Tongourian |
Ort: | Hongkong, China |
Datum dieses Besuchs: | 03.04.2015 |
Guide Michelin (HKG/MAC 2015): | *** |
Meine Bewertung dieses Essens |