Robuchon au Dôme – verkuppelt
Warum sollte man in China französisch Essen gehen? Aus denselben Gründen, aus denen man auch in anderen Ländern französisch Essen gehen sollte, von der Schwarzwaldstube in Baiersbronn über das Le Bernarndin in New York bis zum Quintessence in Tokio.
Ich bin natürlich nicht nach Fernost geflogen, um nur französisch zu essen, aber eben auch, um genau das zu tun, immerhin haben die beiden Lokale von Joël Robuchon hier drei Sterne – im Gegensatz zu den ein- und zweifach besternten Filialen in London und Paris. Skeptisch bin ich dennoch, denn das Restaurant von Robuchon in Tokio war ein befremdliches Erlebnis – und ist merkwürdigerweise auch dreifach besternt. Doch Skepsis motiviert mich eher anstatt mich fernzuhalten, daher begebe ich mich gerne auf diese Entdeckungstour.
Sie beginnt im pompösen, fürchterlich kitischigen und protzigen Ambiente des Grand Lisboa Hotels in Macau. Macau, bis kurz vor der Jahrtausendwende noch in portugiesischer Hand, ist ein schmutziger, verruchter Ort – ein stickig-heißes Spielerparadies mit Casinos, vermeintlichen Luxushotels, gefühlten tausend Gucci- und Tom-Ford-Boutiquen und noch mehr Wechselstuben. Es ist Chinas Antwort auf Las Vegas; aber drüben in Fernwest glänzt wenigstens noch alles, und es herrscht, soweit ich weiß, Rauchverbot.
Denn apropos Rauchen: das gesamte Hotel hier stinkt nach Rauch. Selbst in meinem non-smoking room im non-smoking floor stinkt es nach kaltem Nikotindunst aus allen Öffnungen: dem Waschbecken, der Toilette, der Klimaanlage – und nach meiner geplanten Übernachtung hier vermutlich auch aus meinen Poren. Die von außen stark verschmutzten Fenster kann man natürlich auch nicht öffnen.
Auch der Fahrstuhl, der mich irgendwann in den 43. Stock ins Restaurants fährt, stinkt nach von gelben Zigarettenfingern angetatschten Tasten. Zu dieser wenig genussfördernden Kulisse gehört schon eine Menge Optimismus, um diese Erkundungsreise fortzusetzen.
In der Kuppel – dem dôme – angelangt, sorgt ein 360-Grad-Rundum-Blick und ein Interieur mit einer gigantischen Leuchtinstallation, viel Gold und hinter Glasscheiben gesicherten Miniaturmodellen der Bordeaux-Premier-Cru-Châteaux für Befremden und Erstaunen zugleich. Ich setze mich und genieße erst einmal den Weitblick auf die leuchtenden Gebäude dieser skurrilen Stadt.
Die Angestellten sind alle sehr freundlich. Ich werde von vornherein mit meinem Namen begrüßt als wäre ich zum zehnten Mal hier, jeder hat ein Lächeln auf den Lippen und ist guter Dinge. Und um ehrlich zu sein: Von meiner siebzehnstündigen Anreise habe ich genug Appetit und Lust mitgebracht, mich jetzt opulent bewirten zu lassen.
Ein paar makellos ausgeführte Snacks – Royale von der Foie Gras in Rotweingelee sowie ein luftiges Gebäck mit Gruyère – begleiten mein Stöbern in der Speisekarte. Ich entscheide mich für einige Gerichte à la carte.
Zunächst folgt ein weiteres Amuse-Bouche in Form von Panacotta von weißem Spargel mit Tomaten-Gazpacho, welche leicht pikant und perfekt abgeschmeckt ist.
Die erste Vorspeise – L’Œuf de Poule (ca. 87 €) – beinhaltet ein frittiertes Yamanashi-Ei, geräucherten Lachs und eine großzügige Nocke Kaviar. Das Ei stammt von einer besonderen Hühnerrasse und ist besonders farbintensiv, cremig und aromatisch; leider überdeckt das Frittierte nahezu alle Aromen dieser kleinen Köstlichkeit. Einfach ein bisschen Meersalz dazu wäre jetzt herrlich!
Die zweite Vorspeise klang bereits auf der Speisekarte angenehm anspruchsvoll: Les Saveurs Iodées (ca. 66 €). Jodige Aromen haben es mir seit einiger Zeit besonders angetan, weswegen ich derzeit kaum eine Gelegenheit ungenutzt lasse, mich ihnen auszusetzen.
Das Gericht besteht aus einer Trilogie von Petitessen. Zuerst überzeugt eine exzellente (wenngleich nicht gerade „jodige“) Kombination aus grünem Spargel, Erbsen, Morcheln, Hummer und Foie Gras und entschädigt schon mal für das Bordessen von vor ein paar Stunden. Lediglich die Foie Gras – hier in einer etwas merkwürdigen, weil gekochten, Zubereitung – hätte scharf angebraten besser gepasst und die Kreation perfekt gemacht. In einem weiteren Topf findet man den außerhalb Japans nur schwer erhältlichen (und sündhaft teuren) Hokkaido-Seeigel in großzügiger Portion auf Robuchons berühmtem Kartoffelpüree, hier in einer Abwandlung mit etwas Kaffee gewürzt. Ein weiteres Schälchen bietet gebratene Abalone mit eingelegten Schalotten und einer Zitrone-Ingwer-Creme: eine Zubereitung, die sich nicht hinter der gerade in Japan üblichen Art, dieses Meerestier zu dämpfen, verstecken muss. Alle drei Teller sind hervorragend!
Es geht weiter mit einer zweiten Vorspeise, Le Petit Pois(ca. 21 €, kleine Portion), bestehend aus einer Art Schaum von Frühlingszwiebel, an den ein grüner Zaubertrank von Erbsenvelouté mit Minze angegossen wird. „Erbsig“, ätherisch, leicht … über jeden Zweifel erhaben.
Da ich es richtig wissen möchte, folgt vor dem üppigen Hauptgang noch ein üppiges Pastagericht, schlicht Le Spaghetti betitelt (ca. € 45, kleine Portion). Es handelt sich dabei um perfekte, bissfeste Spaghetti in süffig-cremiger Vin-jaune-Sahnesauce mit Morcheln, obenauf ein langsam pochiertes Ei für noch mehr Cremigkeit, sowie etwas Rauke, welche eine angenehme Schärfe beisteuert. Dass irgendein Turm in China dem Spaghettihimmel so nah ist, hätte ich auch nicht gedacht.
Mein Hauptgang ist Le Bœuf Kagoshima (ca. 95 €, kleine Portion). Das buttrig-fettige Fleisch (vom Sirloin-Zuschnitt) wird serviert mit perfekten pommes soufflées – ungefähr so gut wie meine persönliche Referenz im Flocons de Sel – und mit Rotweinschalotten, die eine dezente Säure mit ins Spiel bringen, ohne den Eigengeschmack des Fleischs zu übertönen. Eine dekadente Produkt-Darbietung höchster Güte.
In Anbetracht des Pralinen-Wagens, den ich schon mehrfach an mir habe vorbeifahren sehen, verzichte ich auf ein Dessert, lasse den nächtlichen Blick über Macau bei einem Espresso schweifen und wähle noch einige der verführerischen Leckereien vom Wagen, ohne mir dabei Großes zu erhoffen, doch die Petitessen sind nicht weniger als phänomenal: drei kleine Schokoladenpralinés mit Minze, Karamell bzw. Himbeer, sowie ein Canelé beenden diesen Abend mit einem Schließen der Augen – vor Müdigkeit und vor Genuss.
Robuchon in China? Bisher eine recht gute Idee. 晚安 (Gute Nacht)!
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Robuchon au Dôme (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Francky Semblat |
Ort: | Macau, China |
Datum dieses Besuchs: | 01.04.2015 |
Guide Michelin (HK/MAC 2015): | *** |
Meine Bewertung dieses Essens |