Anna Sgroi – alles neu?
Wenn sich in meinem Wohnort Hamburg irgendetwas in der Sternegastronomie tut, möchte ich mir immer schnell ein Bild davon machen; sei es, wie im Fall von Anna Sgroi, lediglich ein Umzug.
Die gebürtige Sizilianerin und Koch-Autodidaktin ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Hamburger Gastronomielandschaft. Bereits in den Neunzigerjahren – als ich noch wenig an Restaurantbesuche auf diesem Niveau dachte – hielt ihr Restaurant Anna e Sebastiano acht Jahre lang einen Michelin-Stern. Anfang des neuen Jahrtausends kochte sie dann im Sgroi im Stadtteil St. Georg, zwischen Schwulencafés und Drogenberatungsstellen. Viel Laufkundschaft dürfte es dort nicht gegeben haben.
An ihrem neuen Standort in Hamburg-Pöseldorf ist das genaue Gegenteil der Fall. In der Milchstraße, zwischen Einrichtungsgeschäften, Boutiquen und Jil Sanders Privatresidenz, reiht sich ein Restaurant neben das andere. Gut betuchtes (und betagtes) Publikum kehrt hier abendlich in wenig beachtenswerte Stammlokale ein.
Auf jeden Fall kann man für Anna Sgroi hoffen, dass diese Gegend besser geeignet ist, um das Reservierungsbuch zu füllen. Es sieht ganz danach aus, denn einige Walk-ins an diesem Freitagabend werden höflich wieder hinausgebeten – gucken ja, essen nein. Macht nichts, geht man eben ins Block House um die Ecke.
Ich bin an diesem Freitagabend in Stimmung für gute italienische Küche. Zwar haben mich Anna Sgrois Gerichte nie restlos begeistert, doch vielleicht bringt der neue Standort ja neue Impulse. Das Ambiente ist nach wie vor sachlich geblieben; etwas Kunst würde den kargen Wänden bestimmt ebenso gut stehen wie dem Raum eine etwas wärmere Beleuchtung.
Doch gehen wir das Essen an! Ich entscheide mich für das Menü mit zwei Hauptgängen für € 79. Dieses beginnt mit einem marinierten Saibling mit rohem Spargel und Forellenkaviar – ganz in Ordnung.
Der erste Gang ist dann Sizilianische Auberginencaponata mit Hummer. Das süffige Säurespiel des Gemüses gefällt mir, doch die Qualität des Hummers überzeugt nicht besonders. Wenn ich mich weit aus dem Fenster lehne, würde ich sogar sagen, hier den tiefgekühlten „High Pressure Lobster“ aus dem „FrischeParadies“ zu erkennen. Gegen den ist für den heimischen Gebrauch – wenn es mal schnell gehen soll – nicht viel einzuwenden, aber ein Spitzenprodukt ist das nicht.
Und spätestens mit dem nächsten Gang reiht sich diese Küche ein in die unzähligen Küchen dieser Stadt (und dieses Landes), die alle dasselbe Problem haben: mangelhafte Produkte. So hätten die Artischockenravioli mit gequetschten Tomaten und Basilico wunderbar nach Sommer schmecken können, doch mit geschmacklosen Tomaten und ebenso neutralen Artischocken wird das natürlich nichts. Schade, denn an der Machart liegt es nicht!
Der folgende Gang, eingebratenes Filet von geangeltem Steinbutt mit Cardoncellipilzen, ist eine regelrechte Zumutung – die sich vom Fisch lösende Haut ist labbrig und zäh, und die Qualität des Fischs kann ich nicht ausmachen, da das arme Tier in einer scheußlich stark abgebundenen Sauce ertränkt ist. Ich lassen den Teller zurückgehen und bitte um die Speisekarte, um diesen Gang zu ersetzen.
Glücklicherweise wähle ich genau richtig. Das Risotto alla Finanziera mit Spitzmorcheln (€ 19) – und natürlich auch mit Hahnenkämmen, Hähnchenmägen, Kaninchenleber und Entenherzen – ist das einzig hervorragende Gericht an diesem Abend. Mutig gewürzt, herzhaft und schlotzig. So wünsche ich mir die Küche hier!
Doch auch der weitere Gang es Menüs, Hirschrücken in Pancetta di Parma mit weißer Polenta und Confit von roten Zwiebeln, vermag dann wieder keine Akzente zu setzen. Die Fleischqualität ist gut, aber sämtlichem Drumherum fehlt es an allem.
Ein Dessert soll es dann nicht mehr sein. Das wird schließlich auch nichts daran ändern, dass ich die wirklich gute italienische Küche nicht in Hamburg suchen sollte, sondern in … genau. Aber keine Sorge, die Pläne stehen bereits. Ciao!
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Anna Sgroi (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Anna Sgroi |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 31.05.2013 |
Guide Michelin (D 2013): | * (vor Umzug) |
Meine Bewertung dieses Essens |