Amador – kontrastreich
Heute mache ich mich auf den Weg nach Mannheim. Das ist nicht besonders malerisch, aber drei Michelin-Sterne, die das Restaurant von Juan Amador schmücken, sollten eigentlich über jede urbane Tristesse hinwegtrösten. Vor ungefähr zwei Jahren genoss ich bei Amador schon einmal ein hervorragendes Menü, damals noch in einem alten Fachwerkhaus in Langen, das einen charmanten Kontrast zur avantgardistischen, aber niemals abgehobenen, Küche bildete.
Amadors neues Restaurant bietet immer noch interessante Kontraste. Es befindet sich auf einem Industriegelände direkt neben der „Metro“, ist jetzt aber nicht mehr charmant, sondern futuristisch. Eine ehemalige Fabrikhalle wurde hier zum Restaurant umfunktioniert, in dem die Farben Rot und Weiß den Ton angeben. Die artifizielle Kulisse würde sich auch gut als Filmset für einen „Raumschiff Enterprise“-Film eignen. Hand aufs Herz: schön ist das alles nicht, sondern Geschmackssache. Ich hoffe auf ein darüber hinwegtröstendes Essen.
Der spanische Sommelier kündigt vollmundig eine vielversprechende Weinbegleitung an („ich werde richtig Gas geben“), auf die ich mich gerne einlasse. Eher befremdlich wirkt dann gleich seine erste Auswahl eines Veuve Clicquot als Aperitif-Champagner. Ich möchte nicht überheblich klingen, aber dieses Einheitsgetränk findet man an jeder Tankstelle. Besondere Fähigkeiten eines Sommeliers stellt dieser flüssige Auftakt nicht zur Schau. Ein holpriger Start.
Das umfangreiche Menü „Momentaufnahme“ (€ 230) beginnt dann mit einer Armada von Amuse-Bouches. Von einem fleischig-herzhaft gefüllten „Kissen“ (ziemlich gut) über einen würzigen Sack mit knuspriger Hühnerhaut (gut) bis zu einem Süppchen mit Wachtelei (okay) und einem (pappigen) Cracker bietet diese Variation viele Eindrücke, aber keine Offenbarungen. In solchen Momenten frage ich mich immer, warum in einem Restaurant mit höchsten Ansprüchen nicht ausschließlich solche Kreationen die Küche verlassen, über deren Perfektion sich kaum streiten lässt. „Ganz nette“ oder „interessante“ Dinge sollten hier tabu sein.
Es geht weiter mit „Blumenkohl / Weiße Schokolade / Imperial-Kaviar / Arganöl“. Hat man einmal herausgefunden, wie man das Gericht in seinen Mund bekommt, schmeckt man zunächst die Süße der Schokolade, dann die nussige Salzigkeit des Kaviars und stellt fest, dass gewagte Kontraste nicht automatisch gut sein müssen.
Der Taschenkrebs mit Erbsen, Ziegenkäse und Olivenkrokant ist recht süffig, aber leider völlig versalzen. Die Weinbegleitung repräsentiert seit Beginn ein Sauvignon Blanc aus dem spanischen Rueda, der über die nächsten Gänge immer wieder nachgeschenkt wird – nicht besonders abwechslungsreich. Aber irgendwie ist das gerade sowieso kein Moment für große Weine.
Ein Schwamm von Entenleber mitRäucheraal, grünem Apfel und Holzkohleöl ist schön rauchig, kann aber über seine befremdliche Textur nicht hinwegtrösten.
Einziges wirkliches Highlight der „Tapas & Snacks“ bildet das Tatar vom Odenwälder Weiderind mitBeef-Tea und Ingwer. Der Beef-Tea ist ein heißer, intensiv aromatischer Fond mit einer schönen Ingwer-Schärfe und ergänzt trefflich die fein-würzigen Aromen des Fleischs. Auch hier ist jedoch die Salzigkeit nah an der Obergrenze.
Der erste offizielle Gang des Menüs folgt recht zügig (es geht hier alles ziemlich schnell, sonst säße man wohl bis in die frühen Morgenstunden am Tisch; einen Gang zum WC muss man gut abpassen). „Mannheimer Schnee“, so der Titel des Gerichts mit Königskrabbe, Tomate, Joselito-Schinken und fermentiertem Knoblauch. Das hätte ein kleines aromatisches Meisterwerk sein können – so süß sind die kleinen spanischen Tomaten, so mediterran-frisch das Fleisch vom Krustentier –, doch erneut hat es hier jemand mit dem Speisesalz zu gut gemeint. Nur mit Mühe erahnt man die mögliche Finesse der Kreation. Sehr bedauerlich. Der dazu servierte Wein ist zu warm, eine Anmerkung führt nur zu einer Erklärung, aber nicht zur Abhilfe, was mich ziemlich verblüfft zurücklässt.
Es folgt „Mar y Muntanya“ in Form eines leider übergarten, gummiartigen Steinbutts mit Röstzwiebel, Rindermark und Safran, letzterer in einem gelungenen Jus verarbeitet. Alles ordentlich, aber fernab von Großartigkeit.
„Kraut und Rüben“ mit Riesengarnele, Sauerkraut, Zuckerrübe und iberischem Speck bietet ein süffiges Säurespiel, aber mit der Garnele einen schwachen Protagonisten – iberische Gepflogenheiten hin oder her. Doch auch ein aromatisch anspruchsvollerer Kaisergranat hätte es sicher schwer gehabt, sich neben den guten, aber dominanten weiteren Komponenten zu behaupten, insofern erscheint die Wahl des Krustentiers leider auch ein wenig beliebig.
Nach einem völlig geschmackfreien grünen Zwischengang folgt der einzige Höhepunkt des Menüs, den ich Frevel auch noch zu modifizieren Wage, da ich es mit Tauben bekanntermaßen nicht so habe. Doch ob Iberico-Schwein oder Mieral-Taube – die Kombination mit Mango, Cocos und Purple Curry und, vor allem, einer exzellenten Sauce ist herausragend. Das Fleisch ist in mit einer Kruste bedeckt, ich schmecke Vadouvan und andere rare Gewürze. Ein Genuss wie aus einer anderen Welt und einem anderen Restaurant. Der Rotwein dazu ist leider erneut zu warm.
Es folgt noch ein Gericht mit Wagyu-Beef, das merkwürdigerweise nach Schwein schmeckt, und danach viele Desserts, von denen ich mich zwölf Stunden später ohne Fotos an kaum noch eines erinnern werde.
Hart aber wahr: Das war eines meiner schwächsten Essen auf dem attestierten Niveau von drei Michelin-Sternen. Die Gerichte bei Amador waren abwechslungsreich und aufwändig zubereitet, aber ohne Herz – so wie das Ambiente. An Amadors Talent liegt es zweifellos nicht, aber irgendetwas lief da heute gewaltig schief.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Amador (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Juan Amador |
Ort: | Mannheim, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 12.01.2013 |
Guide Michelin (D 2013): | *** |
Meine Bewertung dieses Essens |