fleet’s – Menü in sechs Gang
Das ehemalige Restaurant Calla im Hamburger Hotel Steigenberger wollte ich immer mal besucht haben. Nicht aufgrund größter kulinarischer Erwartungen, aber man kann ja nie wissen. Doch dafür ist es jetzt zu spät. Das Calla ist Geschichte. fleet’s heißt jetzt das neue Hotelrestaurant nahe der Innenstadt, und der neue Mann am Herd ist niemand weniger als André Stolle, der für das Marco Polo im Columbia-Hotel Wilhelmshaven bereits einen Stern erkochte.
Einen derart vielversprechenden personellen Neuzugang sieht man in der Gastronomielandschaft der Hansestadt nicht alle Tage, weshalb ich nach Kenntnisnahme der Neueröffnung schnellstmöglich einen Tisch reserviert habe. Wird das fleet’s womöglich Hamburgs neuer Stern? Mit großer Spannung gehe ich dieser Frage heute Abend nach und wähle zu diesem Zweck das Sechs-Gänge-Menü (€ 116).
Hervorzuheben sind bereits zu Beginn die Grüße aus Küche: „Fette Henne“ / Granat / Kieler Sprotten / Deichkäse aus Holstein, die trotz ihrer Leichtigkeit aromatisch und würzig sind, sowie Müritz-Wildbarsch in Koriander-Aroma temperiert, dazu Aalrauch-Wurst, Wassermelone mit Trüffel und Purple Curry sowie norwegischer Käse als Creme – ein Gericht, das besonders wegen der eleganten Räuchernoten gefällt.
Der Arktische Kaisergranat mit Goldkiwi, Austerncreme, Enten-Dashi „nordic“ und Wiesenkerbel fällt dagegen etwas ab. Wer das Glück hatte, schon mal richtigen Kaisergranat zu kosten, wird an diesem eher Shrimp-ähnlichen Tier weniger Gefallen finden.
„Junges Gemüse“ mit (reislosem) Kohlrabi-Risotto, Walnussrinde, Katenschinken-Bouillon und Vogelbeeren-Marmelade ist dann wieder ziemlich gut. Die Textur des „Risottos“ gefällt hier besonders in Kombination mit einem dem rauchigen Akzent der separat angegossenen Bouillon.
Dann flacht alles etwas ab. Als Tiefpunkt ist, zwei Gänge später, ein „60 Stunden geschmortes Bugblatt“ vom Flämminger Maibock zu nennen, das zu mager, zu durch und faserig ist. Auch die lieblose Sauce schmeckt wie Kalbsfond, in dem man kurz einen Rosmarinzweig geschwenkt hat. Schade um die sechzig Stunden.
Das Dessert „Texturen vom Sanddorn“ ist für mich dann die gelungenste Speise des Abends, mit einer gelungenen Spannung zwischen den Texturen und interessanten, beerigen Aromen. Sehr gut!
In Summe waren manche Gerichte durchaus in Sternenähe – und manche, die dagegen etwas verblassten. Doch die allgemeine Richtung ist klar. So elaboriert kocht in Hamburg sonst niemand, der nicht in einem besternten Haus kocht. Der November (mit der neuen Ausgabe des Guide Michelin für Deutschland) wird es zeigen.
Doch das ist noch nicht das Ende meiner Geschichte. Denn bis auf das Essen, das für die Hamburger Gastronomie durchaus eine Bereicherung darstellt, ist hier so einiges zu beklagen.
Nicht, dass es von großer Bedeutung wäre, aber bereits der Name des Restaurants irritiert. Zunächst fällt die frappierende Ähnlichkeit des Namens zum nur wenige hundert Meter entfernten Restaurant VLET in der historischen Speicherstadt auf. Und auch dort wird „nordisch modern“ gekocht, wie es sich sein neues Namenspendent auf die Karte schreibt. Dann die Schreibweise: fleet’s. Wozu ist da ein Auslassungszeichen im Namen, und was soll das „s“ am Ende?
(Nachtrag, 14.06.2012: Das fleet's hat sich tatsächlich umbenannt! Ich vermute mal, auf Grund berechtigter Einwände des oben genannten Mitbewerbers. Es heißt jetzt gourfleets, sogar ohne Apostroph. Das Wortspiel mit „Gourmet“ finde ich zwar viel zu forciert, aber lassen wir das...)
Mit der Rechtschreibung hapert es dann auch in der Speisekarte. Alles ist kleingeschrieben, Bindestriche sind durch Unterstriche ersetzt, andere Bindestriche haben gar keine Funktion, es fehlen Leerzeichen, und mit der Pluralbildung scheint es mitunter auch schwierig zu sein: „sechs gang 116€“, „vier gang 98€“. Das ist weder modern noch konzeptionell gelungen, sondern einfach nur fehlerhaft und unlesbar.
Dann hat die Speisekarte noch ein weiteres Problem, denn sie gelangt als ein gerolltes Stück Papier an den Tisch, mit dem man regelrecht kämpfen muss, damit es sich nicht ständig wieder von selbst aufrollt. Ziemlich lästig, diese Karte.
Dem Genuss deutlich abträglicher als Rechtschreibfehler ist jedoch die Atmosphäre. Von der Tatsache abgesehen, dass wir heute Abend die einzigen Gäste sind, ist von der „Schaffung einer Wohlfühl-Atmosphäre“, so die Pressemitteilung, leider nur wenig zu spüren. Es beginnt bereits beim Betreten des Untergeschosses des Hotels. Erst nach dem Durchqueren eines großen, völlig leeren Speisesaals in beklemmender 90er-Jahre-Kaffeekranz-Atmosphäre erreicht man weiter hinten dann das fleet‘s. Die dort vorherrschenden Modernisierungsbemühungen durch wellenförmige Wandverkleidungen wirken nicht sehr wertig und werden in Kombination mit einem massiven Weintemperierschrank und anderen Elementen in Kirschholzoptik ohnehin zunichte gemacht.
Das erinnert mich eher an den kläglich gescheiterten Versuch einer aufs Land gezogenen Kleinfamilie mit Volkswagen Sharan und wöchentlichen Tupperpartys, das Wohnzimmer mit Hilfe eines Möbel-Discounters schön zu gestalten, als an nordische Eleganz oder Modernität, die ich mir hier gewünscht hätte.
Hamburgs neuer Stern? Nach etwas mehr Einspielzeit durchaus möglich. Hamburgs neuer kulinarischer Hotspot für ein modernes, aufgeschlossenes Publikum? Leider nein. Doch genau das hätte die Küche von André Stolle verdient.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | fleet's (→ Website) |
Chef de Cuisine: | André Stolle |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 24.05.2012 |
Guide Michelin (D 2012): | noch nicht bewertet |
Meine Bewertung dieses Essens |