Dallmayr – keine böse Überraschung
Das Restaurant Dallmayr befindet sich im ersten Stock des gleichnamigen, traditionsreichen Feinkostgeschäfts in München. Die Tischreservierung ist heute Abend um halb acht; wir sind pünktlich vor Ort und klingeln. Man öffnet die Tür.
Wir werden ins Obergeschoss in den vorderen Speisesaal an unseren Tisch geführt. Es ist gähnend leer, lediglich im Nachbarsaal ist ein Tisch mit einer älteren Gesellschaft besetzt.
Das Interieur ist schlicht und elegant, wesentlich weniger "angestaubt" als ich vermutet habe. Das Personal ist professionell, aber sehr distanziert; Lächeln steht heute offenbar nicht auf dem Menü.Wir stöbern in der Speisekarte bei einer Flasche des hauseigenen Champagners, der in mehreren Cuvées angeboten wird — unserer ein Dallmayr Blanc de Blanc 1995 (€ 186). Eigentlich kein Freund reinsortiger Chardonnay-Champagner lasse ich mich dennoch auf die Empfehlung ein und werde nicht enttäuscht. Die vorhandene Reife trägt ihren Teil zur Ausgewogenheit bei.
Die Karte bietet einen Menüteil, aus dem zwischen 4 und 7 Gängen (€ 95-140) gewählt werden kann sowie diverse A-la-carte-Gerichte. Ich entscheide mich für vier Gänge querbeet, zzgl. Dessert.
Als Amuse-Bouche werden kleine Gebäcke gereicht, die teilweise gefüllt und teilweise belegt sind, jeweils mit etwas Herzhaftem. Großartigkeit ist etwas Anderes. (Leider ist es mir heute Abend nicht möglich, Fotos zu erstellen.)
Der anschließende Gruß ist etwas besser; eine Tomaten-Variation (drei kleine Kompositionen),von denen lediglich eine gefüllte Variante überzeugen kann. Ansonsten überzeugt dieser Gruß eher optisch als geschmacklich.
Zu den ersten Gängen wähle ich einen 2003er Meursault Genevrières von Francois Jobard (€ 179), der zu Beginn leider viel zu kalt ist, nur wenige Grad über Null. Sei es drum, niemand hat es heute eilig.
Nachdem der Wein allmählich seine Betriebstemperatur erreicht hat, begleitet er wunderbar meine ersten drei Gänge, die da wären:
Gang 1: Langostino als Carpaccio, Tatar und gebraten, mit Limonenmarinade und Krustentierschaum (€ 34). Wunderhübsch angerichtet; geschmacklich gut, aber ohne Höhepunkte; die Qualität der Krustentiere ist nicht überragend.
Gang 2: Lasagne vom Pörnbacher Spargel, Morcheln und Kalbsbries (€ 36). Alles Zutaten, die ich sehr gerne esse und mich deshalb besonders auf dieses Gericht freue.
Das Gericht lebt durch die Frische der Zutaten, ist angenehm sommerlich, allerdings vermisse ich auch hier interessante, raffinierte geschmackliche Akzente, die ich auf diesem Niveau eigentlich erwartet habe. Um Längen besser war hier mein regelmäßiger Lunch-Favorit im Hotel Bardessono im Napa Vallay vor einigen Wochen, wo Chefkoch Sean O’Toole zwar mit anderen, aber sensorisch vergleichbaren Zutaten ein wunderbares Gericht komponiert hat (Little farm potato gnocchi with early morel mushrooms, chick weed, green garlic, parmigiano-reggiano für $15!).
Gang 3: Bretonischer Hummer in Hummeröl gegart, Zwiebellauch, Artischocken und Bouillabaissenage (€ 40). Die separat gereichte Bouillabaissenage ist sehr aromatisch und passt exzellent zum ausgelösten Hummer. Auch dieses Gericht ist sehr gut angerichtet, die Zutaten sind frisch und gut, aber den Speisen fehlte bisher allen ein wirkliches Highlight. Der bisherige Stil der Küche erinnert mich stark an den etwas ernüchternden Besuch bei Alain Ducasse kürzlich in Paris, was natürlich auch auf die Auswahl meiner Gerichte zurückzuführen ist.
Dennoch ist es auch heute Abend so, dass viele frische, "mediterrane" Zutaten sich auf Tellern zusammenfinden, die in Summe weder durch geschmackliche Finesse als auch durch ihre eigene Produktqualität vollends überzeugen können.
Gang 4 begleitet ein (ja, natürlich sehr junger, aber das muss auch mal egal sein) Château Lafite-Rothschild 1999 (€ 348) und ist ein Kalbsfilet auf Kalbsschwanztörtchen mit Bries und frischen Morcheln (€ 48). (Meine Zuneigung zu Morcheln und Kalbsbries ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen, aber es gibt sicher schlechtere Angewohnheiten...)
Dieser Gang ist gut gelungen, bis auf eine Irritation: die Sauce auf dem Teller ist viel zu gering portioniert und bereits mit der zweiten Gabel erschöpft. Ich frage nach etwas Nachschub, stelle dabei jedoch fest, dass die Sauce bei dem Gericht, das einer meiner Gäste gewählt hat (Kreation vom Schwarzfederhuhn mit Trüffel, Gänseleber und rote Bete), mit einer wesentlich attraktiver anmutenden Sauce daherkommt. Von dieser soll es bitte auch bei mir sein, und zwar nicht zu knapp. Die Sauce ist exzellent, — man sah es ihr bereits an —, konzentriert und sehr aromatisch. Sie passt so hervorragend zu diesem Gericht, dass ich mich frage, warum Chefkoch Diethard Urbansky sie nicht prinzipiell zu diesem Gericht vorgesehen hat. Ein Lob an den Saucier!
Das Dessert, Muscovado-Biskuit mit Passionsfrucht-Panna-Cotta und Bergpfeffereis (€ 20), ist erfrischend und gut, aber nicht herausragend. Das wahre Dessert heute Abend ist flüssig und kommt daher als ein 1998er Zeltinger Sonnenuhr Riesling Eiswein (€ 161, 0,375 l) von dem von mir sehr geschätzten Markus Molitor, den ich erst kürzlich im St. Pauli Weinklub begegnete und eine Reihe seiner hervorragenden Rieslinge verkosten durfte. Ein glanzvoller Abschluss.
Die Gerichte am heutigen Abend waren alle gut, aber kein einziges davon wird mir dauerhaft in Erinnerung bleiben. Es gab keine besonders raffinierten Geschmackskompositionen, keine Produkte von wirklich begeisternder Qualität, sondern einfach nur handwerklich sehr gut zubereitete Gerichte mit Produkten, deren gute Qualtiät Mindeststandard auf diesem Niveau und demnach nicht hervorzuheben ist.
Wer nicht Forderndes sucht, sondern Anständiges; wer nicht (womöglich böse) überrascht, sondern beruhigt werden will; und wer Beständigkeit der Inspiration vorzieht, der lasse sich hier nieder.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Dallmayr (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Diethard Urbansky |
Ort: | München, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 24.06.2010 |
Guide Michelin (D 2010): | ** |
Meine Bewertung dieses Essens |