Hermetikken – feiner Wein, feine Speisen

Für meinen Kurztrip nach Stavanger benötigte ich neben dem Drei-Sterne-Restaurant RE-NAA noch eine weitere Reservierung. Ein kurze Recherche brachte mich, neben weiteren interessanten Möglichkeiten, auf das Restaurant Hermetikken, das mit einem Fokus auf guten Wein und gutes Essen in unkomplizierter Atmosphäre alles erfüllte, wonach ich suchte.

Es überrascht nicht, dass Wein hier im Mittelpunkt steht, da die Besitzer, Silje Hanasand und Knut-Espen Misje, Sommeliers sind. Nach der in Stavanger ebenfalls populären Norvald Vinbar ist das Hermetikken ihr zweites Projekt, das ursprünglich auch als Weinbar eröffnete. Das weinaffine Gastro-Duo gewann schließlich noch Küchenchef Stuart Barber für sich, der einst unter anderem im The Fat Duck kochte und das Hermetikken schnell zu einem Michelin-Stern führte.

Meine Reservierung ist im Speisesaal, wo man in gemütlichen Sesseln an kleinen Marmortischen sitzt. Die ebenfalls reservierbaren Plätze am Tresen vor der offenen Küche sehen aber genauso charmant aus.

Schnell habe ich auch einen guten Weißwein im Glas, in diesem Fall einen 2021er Saint-Aubin »La Princée« von Hubert Lamy (Glas 343 NOK, ca. 29 €). Die Weinkarte ist groß, schwer und umfangreich, mit einem Fokus auf Burgund und Kalifornien, besser geht es kaum. Dass man hier alle Weine auch per Coravin ausschenkt, erfahre ich erst später und bestelle zunächst eine Flasche 2020er Pinot Noir »Rochioli Riverblock Vineyard« des von mir besonders geschätzten kalifornischen Erzeugers Williams Selyem (ca. 255 €).

Was das Essen betrifft, stehen zwei Menüs zur Auswahl, eines für umgerechnet ca. 187 € und eine reduzierte Variante für ca. 144 €. Ich habe ausreichend Appetit und wähle die erste Variante.

Das Menü beginnt mit vier Einstimmungen. Ein Stück Sauerteig-Brioche mit Butter und norwegischem Schinken leitet das Menü schwelgerisch fettig ein, mit feiner Süße und salzigem Gegenpol, und dabei doch so fein, dass man kurz die Augen schließen muss (7/10). Eine Gillardeau-Auster mit lauwarmem Champagner-Schaum, Apfel und Jalapeño schmeckt so elegant nach Meer und ist so stimmig zwischen feiner Säure, Schärfe und maritimer Frische abgeschmeckt, dass man das in einem Drei-Sterne-Restaurant servieren könnte (8,9/10).

Ein in Teriyaki-Sauce mariniertes Stück Hamachi mit einem »Bonito-Gelee« schmeckt danach betörend japanisch (8,5/10), und eine Nori-Croustade kommt ebenfalls mit Hamachi sowie mit Løjrom (Maränenkaviar) und Ponzu – rauchig, salzig, maritim (8/10). Ein unerwartet hervorragender Auftakt.

Ein weiterer Snack, ein Spieß mit saftigem, mit Miso und Dattel glasiertem Schweinebauch, spielt danach gewitzt mit Süße und Röstaromen – sehr gut. (7/10)

Der nächste Gang kombiniert rohe Garnelen mit geschälten Tomaten und Cantaloupe-Melone in einem kühlen Tomatenwasser mit Basilikum-Öl. Das ist erfrischend und leicht, nur die Garnelen gehen darin komplett unter, sowohl geschmacklich als auch texturell. Das ist an sich kein Problem, da rohe Garnelen einen begrenzten Genusswert haben; das etwas unbeholfene Drapieren mit ganzen Basilikumblättern müsste allerdings auch nicht sein. Insgesamt ergibt sich ein sommerliches, sehr »tomatiges« Geschmacksbild mit ein bisschen zu vielen entbehrlichen Komponenten. (6,9/10)

Es geht weiter mit Jakobsmuschel, halbiert und geröstet, mit gegrilltem Kürbis und einer XO-Beurre-Blanc. Die macht mit einer feinen Schärfe und samtiger Textur viel Spaß, sodass das leichte Übergaren der Muscheln kaum auffällt. Auch der Kürbis ist sehr aromatisch, saftig und mit ansprechenden Lagerfeueraromen ausgestattet. Sehr gut ist das auf jeden Fall. (7/10)

Die Stimmung im Restaurant ist lebhaft und entspannt. Mit der Information, dass hier jeder Wein auch per Coravin verfügbar ist, schlage ich noch einmal die Karte auf und bleibe bei einem 2021er Aloxe-Corton 1er Cru »Les Valozières« des Ausnahmewinzers Charles Lachaux hängen. Das Glas kostet umgerechnet knapp hundert Euro, was es mir wert ist, da der aktuelle Ladenpreis, sofern man den Wein überhaupt findet, schon jenseits der Tausendermarke liegt (eine für Burgund-Liebhaber andauernde und frustrierende Entwicklung). Der Wein ist sehr gut, aber keine Offenbarung.

Der norwegische Steinbutt ist das aber schon, zumindest ein bisschen. Eine besonders saftige, zarte Tranche des Fischs dient beim nächsten Teller als mittiges Trennelement zweier Zubereitungen, die jeweils links und rechts des Fischs angerichtet sind: eine weiße, aufgeschäumte Crémant-Nage und eine grüne Zubereitung mit erdigen Ackerbohnen, süßlichen Erbsen und belebender Minze. Das wirkt wie eine Reminiszenz an traditionelle englische Sommergerichte – very British. Dazu die säuerliche Eleganz des Crémant-Schaums und die buttrige Textur des Steinbutts: das ist ganz hervorragend. (8/10)

Dass man hier kein Brot serviert, ist wegen der vielen guten Saucen etwas bedauerlich, zumal es auch meinem immer noch deutlich präsenten Appetit entgegenkäme.

Ein Stück mit Pfifferling-Sahne-Creme gefüllte Pasta in Girasoli-Form ist beim nächsten Gang in einem aromatischen Pfifferling-Fond mit frischen Kräutern angerichtet. Die handwerklich perfekt zubereitete Pasta und der intensive Pilzjus im Zusammenspiel mit den Kräutern sind erneut hervorragend. Bemerkenswert ist auch, wie sicher sich Küchenchef Barber in unterschiedlichen Küchenstilen bewegt – dieser kleine Gang könnte ohne Weiteres in den besten italienischen Restaurants serviert werden. Aber genau das ist er eben auch: klein. Ich könnte ein Dutzend davon essen. Das Klischee, in Sternerestaurants nicht satt zu werden, ist in der Regel ein Mythos – hier trifft es ausnahmsweise mal zu. Trotzdem bleibt dies ein exzellenter Gang. (7,9/10)

Und apropos Küchenstile: Lammkotelett mit Aubergine, Zucchini und Trompetenpilzen, serviert in einer Lammsauce, die so glänzt, dass Paul Bocuse Freudentränen in die Augen geschossen wären, könnte kaum francophiler sein. Das Fleisch selbst ist gut, aber mit echten Spitzenqualitäten nicht vergleichbar. Das Auberginenpüree ergänzt den süßlich-herzhaften Fleischgenuss um rauchige Aromen. Einwandfreie, aber etwas langweilige Klassik. (7/10)

Das erste Dessert ist eine Zabaione mit Apfel, Zimt, Karamell und Pekannuus mit eierpunschartigem Geschmack und perfekt justierter Süße, absolut köstlich. (8/10)

Danach überzeugt ein sehr heißes Himbeersoufflée mit Vanillesauce. Auch, wenn ich nicht der größte Souffléfreund bin, ist die Vanille-Himbeer-Kombination ein großer Genuss und auch handwerklich makellos umgesetzt. (7,5/10)

Eine mit flüssiger Schokolade und Karamell gefüllte Tartelette (»Millionaire's shortbread«) ist dann der größte Genuss des Abends. Mit knusprigem Mürbeteig und dem tiefen, komplexen Geschmack von Karamell könnte diese kleine Gaumenfreude in jedem Drei-Sterne-Restaurant ein Teil der Petits Fours sein. Die wären dann üblicherweise zu viel des Guten, hier hätte ich gerne noch eine ganz Packung. (9/10)

Das war ein höchst abwechslungsreiches Mahl, das manchmal etwas überambitioniert und in Teilen auch unstetig wirkte, aber nichts davon geschah auf Kosten des Genusses. Ich lasse den Abend jetzt noch mit einem Glas 2018er »Mount Edelstone« von Henscke aus dem Barossa Valley ausklingen (ca. 58 €) – sogar Flaschen mit Glaskorken werden hier glasweise geöffnet. Wann kann ich wiederkommen?

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Hermetikken (→ Website)
Chef de Cuisine: Stuart Barber
Ort: Stavanger, NO
Datum dieses Besuchs: 27.09.2024
Guide Michelin (Nordic Countries 2024): *
Meine Bewertung dieses Essens: 7,5 (Was bedeutet das?)
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