The Surf Club Restaurant – Grill royal

Dass das Four Seasons Surfside bei Miami auch ein Restaurant von Thomas Keller beherbergt, hat mich in meinem Plan, das spektakuläre Hotel für ein paar tropische Urlaubstage zu besuchen, nur noch mehr bekräftigt.

Denn was Thomas Keller gastronomisch und kulinarisch verantwortet, ist ausnahmslos hervorragend, von seinen Bouchon-Bäckereien und -Bistros über Grillrestaurants wie dem ehemaligen TAK Room bis zu den Drei-Sterne-Tempeln Per Se und The French Laundry.

The Surf Club Restaurant ist mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet und befindet sich im Erdgeschoss des Hotels, im stimmungsvoll restaurierten historischen Teil des Anwesens – dem Surf Club. Der war ab ca. 1930 Jahrzehnte lang ein Rückzugsort für Prominente. Von Frank Sinatra über die Windsors bis Winston Churchill genoss man hier Sonne, Privatsphäre und gutes Essen. Würde ich ausführlicher über Hotels schreiben, müsste ich für einen Bericht über dieses Four Seasons viele Superlative bemühen.

Es ist daher nur schlüssig, dass sich das Restaurant so anfühlt wie ein exklusiver Club, mit gemütlichen Sitznischen, gedimmter Beleuchtung und nostalgischem Dekor, behaglich und elegant zugleich. Dass meine zwei Reservierungen hier – im Abstand von einigen Tagen – eine gute Idee sind, weiß ich schon, bevor ich das Restaurant zum ersten Mal betrete.

Die kulinarische Ausrichtung des Restaurants fällt unter den Begriff der Continental cuisine, ein im Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA geprägter Begriff für eine Küche mit europäischen – hauptsächlich französischen – Wurzeln. Thomas Keller ist dafür bekannt, diese Art der Küche besonders präzise, oft mit innovativen Ansätzen und stets mit herausragenden Produkten umzusetzen.

Letzteres macht man bereits zu Beginn eines jeden Mahls deutlich. Während man in der Karte stöbert, steigert eine Demonstration des tagesaktuellen Fleischangebots den Appetit. Ob Lamm, Rind, Kalb oder Schwein, sieht man allen Stücken ihre bemerkenswerte Marmorierung und Reifung an. Nicht weniger erwarte ich von einem Restaurant, in dem die Fleischgerichte um die hundert Dollar pro Person aufwärts kosten.

Die Abende hier beginnen aber leichter. Crudités, bestehend aus knackigen Salatblättern, Beten und Gurke, sind in Eis kühlgehalten und werden anfangs immer zusammen mit etwas Brioche und Butter aufgetischt. Man stippt die Gemüse in einen frischen Kräuterdip und kommt in den Genuss lebhafter Aromen und knackiger Saftigkeit. (6,5/10)

Am ersten Abend bestelle ich Austern von Prince Edward Island (32 $ netto, ca. 32 € brutto). Da ich kleine, runde Austern größeren Exemplaren vorziehe, sind diese hier ein Volltreffer und überzeugen mit klaren Meeresaromen. Wer ein Freund von Condiments ist, dem stehen eine Tomaten- und eine Essigsauce zur Verfügung. Sehr klassisch und sehr gut. (7/10)

Eine gute Idee ist auch ein Crudo (den Begriff verwendet man in den USA für rohen Fisch außerhalb von japanischem Essen öfter als das auch bei uns geläufigere Lehnwort Sashimi) von der Meerbrasse mit grünen Begleitern wie Fenchel und Apfel, sowie Radieschen (32 $). Das Gericht ist passend kühl temperiert und durch die Aromaten nur in seiner Authentizität unterstrichen, ohne davon abzulenken. Das ist fast schon japanisch schlicht, bleibt aber geschmacklich im Westen verortet. (7/10)

Aus der Weinkarte nehme ich am ersten Abend mit einem 2021er Kosta Browne Pinot Noir (300 $) von der Sonoma Coast vorlieb. Die Preise sind sportlich (im Burgund z. B. 2021 Volnay »Santenots« von Pierre Morey für 400 $ oder 2021 Vosne-Romanée von Méo-Camuzet für 425 $), aber innerhalb der amerikanischen Weine gibt es Optionen mit besserem Preis-Leistungs-Verhältnis.

Am zweiten Abend vergnüge ich mich an dieser Stelle mit offenem Wein und einem »Gemüse-Louie« mit Hass-Avocado und Gartengemüsen (26 $). Der Name ist eine Referenz auf das Gericht Crab Louie, ein an der Westküste der USA beheimateter Salat mit Krebsfleisch. Die vegetarische Variante hier beinhaltet neben den farbenfrohen, hochwertigen Gemüsen noch eine sehr fein abgeschmeckte Cocktail-Sauce. Temperaturen, Aromen, Texturen und geschmackliche Balance sind vorbildlich. (7/10)

Die beiden Abende, die ich hier verbringe, sind illuster, atmosphärisch und gemütlich. Man erlebt genau die Art des amerikanischen Verständnisses von Gastfreundschaft und Gastronomie, für dich ich mich so begeistere und die für mich schon Grund genug ist, den Atlantik zu überqueren.

Dass man dann auch noch solche verblüffenden Gerichte wie den folgenden Hummer Thermidor (90 $) serviert, macht alles nur noch besser. Das klassische Gericht wurde sichtlich abgewandelt, indem man den Hummer nicht gratiniert in seiner Schale serviert, sondern ausgelöst und auf der Sauce. Letztere ist üppig-buttrig und enthält schmackhafte Aromaten wie Pfifferlinge, Spinat, Senf und Trüffeln. All das befindet sich unter einer hauchdünnen Schicht mit Blätterteig – eine mir in der Form noch nicht begegnete Zubereitungsart. Der Hummer aus Maine ist von exzellenter Qualität, die Sauce insgesamt vielleicht etwas zu mächtig, aber ungemein köstlich. Ein Wohlfühlgericht auf sehr hohem Niveau. (7,5/10)

Neben ein, zwei weiteren sehr guten Gerichten, probiere ich natürlich – bei der Auswahl – auch Fleisch. Als Zwischengericht gibt es zum Beispiel in Apfelholz geräucherten und knusprig gebratenen Schweinebauch von der Tagesauswahl, der mit 19 $ nicht nur preisgünstig ist, sondern auch noch ein wahrhaftiges Highlight. Das Fleisch ist süßlich, zart und saftig, mit buttrigem Schmelz – absolut bemerkenswert und das Resultat einer Kombination von außergewöhnlicher Qualität und makelloser Technik. Rohe Kirschtomaten, Zwiebeln und Kräuter balancieren die gehaltvolle Delikatesse mit einer sommerlichen Frische aus. Das ist alles so schlicht wie hervorragend. (8/10)

Die exzellenten Qualitäten zeigen sich auch beim Lammkarree (85 $) von der Elysian Fields Farm (auf dem Foto ist nur eines von zwei Stücken zu sehen). Das Fleisch ist nicht ganz so marmoriert wie das Stück, das ich in einigen Tagen im Addison probieren werde, aber sehr saftig, aromatisch und medium bis medium rare gegrillt. Leider vergisst der Service, gleichzeitig die dazu bestellten Saucen zu servieren, eine Béarnaise und ein Rotwein-Schalotten-Jus (je 12 $), aber das Fleisch macht zu Beginn auch ganz Pur große Freude. (Die Saucen werden aufgrund des kleinen Fauxpas später nicht auf der Rechnung stehen, was ich es erst beim Schreiben dieses Artikels feststelle.) Etwas Salz würde ich, stünde es auf dem Tisch, zwar noch nachjustieren, dennoch ist das alles sehr gut. (7/10)

Beim True Ribeye vom Rind (110 $, das Foto zeigt erneut nur die Hälfte) verhält sich alles ähnlich; die Qualität ist abermals sehr hoch und die Kruste knusprig und karamellisiert. Das rare gegarte Entrecôte-Mittelstück ist buttrig zart und sehr aromatisch – ein im wahrsten Sinn meilenweiter Unterschied zu dem, was man in allen deutschen Grill-Restaurants auf den Teller bekommt, selbst bei solchen mit US-Ware. Etwas knoblauchbetonter Spinat (18 $) und ein glänzender Jus komplettieren den einwandfreien Fleischgenuss an meinem zweiten Abend hier. (7/10)

Desserts probiere ich keine, obwohl ich Crêpes Suzette, New York Cheesecake und Lemon Tart schwer widerstehen kann.

Ein Restaurant wie dieses – souverän, elegant, lässig, unterhaltsam, qualitätsbetont und à la carte – mag seine kulinarischen Wurzeln in Europa haben, aber man wird Mühe haben, etwas Vergleichbares in Europa zu finden. Continental cuisine? Alles eine Frage der Perspektive.

Informationen zu diesen Besuchen
Restaurant: The Surf Club Restaurant (→ Website)
Chef de Cuisine: Marco Calenzo
Ort: Surfside, USA
Datum dieser Besuche: 23.07.2024, 27.07.2024
Guide Michelin (Florida 2024): *
Meine Bewertung dieser Essen: 7 und 7 (Was bedeutet das?)
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