Umu – nächstes Mahl Kaiseki
Bei all den japanischen Köchen, deren Restaurants man inzwischen in Paris und London aufsuchen kann, könnte man fast auf die Idee kommen, dass jene gerade fluchtartig ihr Land verlassen. Doch dieser Eindruck wäre nur einer selektiven Wahrnehmung meiner entsprechenden Berichte geschuldet. Ich lasse derzeit ja bekanntlich kaum eine Gelegenheit aus, um an gute japanische Küche zu gelangen. Das Umu in London ist so eine Gelegenheit. Versteckt in einer kleinen Seitenstraße im noblen Stadtteil Mayfair muss man seine Hand vor einen Sensor neben der Tür halten, um Eintritt zu erhalten. Das klappt zuerst nicht so recht. Sekunden kommen mir wie Minuten vor, die schonungslose Sonne an diesem heißen Mittag zerrt an meinen Nerven. Dann geht endlich die Tür auf.
Es ist dunkel und kühl, es gibt Tische, Kellner, einen Tresen und Japaner. Meine Freude ist groß wie mein Appetit. Kein Mensch würde bei uns zulande bei diesen Wetterbedingungen dunkle, klimatisierte Restaurants besuchen. Was soll ich sagen? So bekommt eben jeder das, was er verdient. Und bevor jetzt wieder manch einer die Augen verdreht („der Walther immer mit seinen Tiraden“), dem möchte ich freundlich mit auf den Weg geben, dass genau solch eine Beobachtung – die mit dem Wetter und dem dunklen, klimatisierten Restaurant – eines von ganz vielen Puzzleteilen bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage darstellt, warum vergleichbare Gastronomiebetriebe bei uns so gut wie unbekannt sind. Sonne? Biergarten! Ja, das gibt es in London auch. Auch ist hier allerdings das entscheidende Stichwort.
Der Küchenchef im Umu hat eine zehnjährige Schule im Kitcho Arashiyama hinter sich, dem weltberühmten Kaiseki-Restaurant in Kyoto, das ich gerade erst im März besuchte. Yoshinori Ishii war dort Sous-Chef, er verließ Japan aber bereits 1999, um fast weitere zehn Jahre internationale Erfahrungen in Küchen zwischen New York und Kyoto zu sammeln. In 2010 kam er schließlich nach London, um hier im Umu von sich hören zu lassen.
Die Speisekarte stellt einen vor die Wahl zwischen zwei fundamental unterschiedliche Optionen. Zum einen gibt es ein saisonales Kaiseki-Menü (ca. € 177). Dies wäre eigentlich die richtige Wahl, um das Wesen dieses Restaurants kennen zu lernen. Küchenchef Ishii adaptiert hier in London sein fundiertes Wissen über die handwerklich komplexe Kaiseki-Küche Kyotos an die Geschmäcker im Westen. Doch so ungemein interessant ich diesen Ansatz finde, entscheide ich mich für eine kleine, leichte A-la-carte-Auswahl. Es gibt dutzende Speisen, von Sashimi, Sushi und Tempura bis zu größeren Hauptgängen mit Fisch und Fleisch, die so gut wie alle mein Interesse wecken.
Ich starte mit einer Sashimi-Auswahl „omakase“, also nach Wahl des Chefs (ca. € 91). Es gibt u. a. Goldbrasse, Gelbschwanzmakrele, Wrackbarsch, Flügelbutt, Aal sowie mageren und fetten Thunfisch (akami und chūtoro). Die Qualität ist ausgezeichnet. Temperatur und Schnitte zeugen von sehr gutem Handwerk, und dieser schwer zu beschreibende Geschmack nach „fast nichts“ – aber eben doch nach ein bisschen Meer und Klarheit –, den hervorragendes Sashimi auszeichnet, schwebt über allem. Er ist flüchtig, aber selbst Wochen später noch abrufbar.
Etwas irritiert bin ich jedoch von der Beschaffenheit des chūtoro, bei dem das am Gaumen austretende Fett, das sich normalerweise wie schmelzende Butter sanft über die Zunge legt, hier etwas weniger viskos ist und sich dadurch fast wie Wasser anstatt wie Fett anfühlt. Woran das genau liegt, kann ich mir nicht herleiten. Exzellent ist der ganze Teller aber ungeachtet dessen. — 8,5/10
Meine Auswahl fällt danach auf Aal "Kabayaki" (ca. € 41), ein einfaches Gericht mit jahrhundertealter Tradition. Der Aal wurde hierbei über Holzkohle gegart; seine Filets sind mit einer süßlich-würzigen Sauce lackiert. Ausgezeichnet. — 7,5/10
Weiter bestelle ich Nigiri-Sushi, im Einzelnen mit Tintenfisch (Stück ca. € 5,70), Kaisergranat mit Ingwer (€ 11), Gelbschwanzmakrele (€ 8) und magerem Thunfisch (€ 8). So konträr sich diese am Tisch servierte Platte Nigiri zur eigentlichen Tradition verhält, die Speise ohne Umschweife direkt von der Hand des Meisters zu verspeisen, so unvorteilhaft zeigt sie sich leider auch. Der Reis ist trocken, viel zu kalt, hat keine erkennbare Säure und haftet kaum. Der Tintenfisch ist viel zu kaubedürftig und der Kaisergranat zum Rohverzehr ohnehin schlecht geeignet, aber vieles davon konnte ich mir eigentlich schon vorher denken. Ich will es manchmal aber einfach gerne wissen. Man verstehe mich nicht falsch. Ich vergleiche mit dem Allerbesten. Doch auch mit allerbestem Willen ist das nicht einmal sehr gut. — 6,9/10
Deutlich besser wird es wieder bei der Miso-Suppe mit herrlicher Schärfe und authentischem Geschmack (7,5/10), und auch ein paar Mignardises nach französischem Vorbild haben es handwerklich und geschmacklich in sich (im Schnitt 7,9/10).
Es war nicht alles Gold, was bei diesem kurzen Essen glänzte, aber vieles war hervorragend und lässt erkennen, dass das Umu ein Restaurant zum Wiederkommen und Neuentdecken ist. Das nächste Mal gibt es Kaiseki.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Umu |
Chef de Cuisine: | Yoshinori Ishii |
Ort: | London, Großbritannien |
Datum dieses Besuchs: | 26.05.2017 |
Guide Michelin (GB/IE 2017): | ** |
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