The Restaurant at Meadowood – das oder Picknick
In St. Helena, einem kleinen Ort im Napa Valley, säumen berühmte Weingüter den Wegesrand der California State Route 29. Etwas weiter abseits im Hinterland befindet sich ein dicht bewachsenes Waldgebiet, und irgendwo darin, am Ende eines langen Pfades, schmiegt sich das Luxushotel Meadowood mit seiner dunklen Holzarchitektur tarnend in die Landschaft.
Zwei Angestellte stehen bereits im driveway, um mich zu empfangen. Förmlich geht es hier zu, so viel ist klar, aber unverkrampft und sehr freundlich. Man wird zunächst an einen Platz am Kamin gebracht.
Ich lasse mich zu einem Cocktail animieren, während ich schon mal die Weinkarten auf meinem Schoß ablege. Derer sind es gleich drei: für Weißwein, Rotwein und alles andere. Es sind einige der umfangreichsten Weinkarten, die ich je in denen Händen hielt, was auch daran liegt, dass die Weine darin mehrfach aufgelistet sind, nämlich in verschiedenen Rubriken, gruppiert nach Erzeuger, Rebsorten und Jahrgängen, und darin jeweils individuell sortiert. Die Preise für irgendetwas Nennenswertes beginnen in der Region um vierhundert Dollar, und damit ist die gesamte Weinkarte eigentlich völlig unbrauchbar. Sie liest sich wie eine Enzyklopädie der größten Gewächse der Welt aus nahezu allen Jahrgängen. Wer nicht gleich ein paar tausend Dollar für etwas Abwechslung am Tisch ausgeben möchte, greift lieber zur Weinbegleitung, die mit 225 Dollar (netto) vergleichsweise ein Schnäppchen ist. Ich bin zwar alles andere als auf der Suche nach einem Sonderangebot, doch eine große vinophile Eskapade steht heute Abend ohnehin nicht auf dem Programm. Ich weiß vor lauter tastings in dieser Region gar nicht mehr, wohin mit all dem Wein.
Es ist soweit, der Tisch ist fertig, und ich werde hineingeführt in den Speisesaal, der sich in einer angenehmen Mischung aus amerikanischem und flämischem Landhausstil präsentiert, mit viel weißem Holz, schrägen Deckenbalken, weißen Jalousien, warmem Licht aus beigen Lampenschirmen und großen Installationen mit Zweigen und Ästen. Die Dämmerung hat gerade erst begonnen (die Fotos sind später entstanden), aber hier drin herrscht schon Abendstimmung in warmem Licht. Ich mag das. Der Kontrast zwischen außen und innen ist eine angenehme Zäsur, die die Erlebnisse des Tages von dem jetzt beginnenden Abend abkapselt.
Das Restaurant at Meadowood ist eines der neueren Drei-Sterne-Restaurants der vergangenen Jahre. Küchenchef Christopher Kostow hat sie mit seinem Team hier erkocht, aber mehr weiß ich über die Personen hinter den Töpfen hier nicht, was wohl meinem bevorzugten Interesse an Restaurants und Essen gegenüber dem an Köchen geschuldet ist, jene in allen Ehren.
Es gibt ein einziges tasting menu, das mit 225 Dollar vergleichsweise günstig ist und damit genau dasselbe kostet wie die Weinbegleitung.
Es geht los mit frittierten Zucchiniblüten, dazu ein würziger Parpikadip, der auch als Ganzes verzehrt werden kann. Es folgt ein Austernblatt mit Feldsalat und Schalottenvinaigrette mit einer appetitanregenden Säure. Ein guter Auftakt, aber Sterne sehe ich hier noch keine leuchten, dabei ist es inzwischen dunkel genug.
Aber da blitzen sie auch schon auf. Eine Komposition mit kleinen Tomaten der Region – hinsichtlich der lokalen Qualität wäre alles andere auch ein Sakrileg –, serviert in einem Tomaten-Dashi mit Elefantenrüsselmuschel und Brunnenkresse. Wenn die jodige Salzigkeit der Muschel auf die herzhaft-süßen Tomaten trifft, ist das eine hinreißende Kombination von Meer und Erde. Sehr elegant.
Auf gleichem Niveau folgt Abalone, perfekt gegrillt und angerichtet auf einem leichten, behutsam würzigen Fond; Kürbis ist auch mit im Spiel. Winzige Stücke von pikanter Paprika sowie Zwiebel obenauf sorgen für weitere Akzente dieses hervorragenden Gangs, den ich mühelos noch einmal essen würde. Doch es geht weiter …
… und zwar nicht weniger aufregend, betrachtet man allein die Hauptzutat des folgenden Gerichts. Eine Gewürzgurke! Aber was für eine. Zart und leicht süßsäuerlich ist sie hier gebettet auf einem Kräutersalat und einer Art Risotto von Kabeljau, das eine spannungsvolle Textur beisteuert. Ein herausragendes Geschmackserlebnis mit wenigen Zutaten in bester Güte, und erneut eine schöne Demonstration von der Harmonie zwischen Erde und Meer und der außergewöhnlichen Qualität der Produkte Kaliforniens.
Nahezu ganz im Meer positioniert sich das nächste Gericht, bei dem ein Quader leicht geräucherten Heilbuttfilets makelloser Qualität mit etwas Kürbis und dessen Blüten ein etwas einsames Dasein auf dem Teller fristet. Das ist so noch etwas zu karg, um wirklich herausragend zu sein, doch ein dazu servierter Tee auf Entenfondbasis mit Chrysanthemen und Dill bringt Hitze und aromatische Tiefe zum Selberportionieren mit. Das ist klug ersonnen und gefällt mir auch geschmacklich sehr gut.
Die nächste Petitesse ist eine in einem „Sehnenfond“ gegarte Kartoffel, die auf einer Creme mit Forellenrogen liegt. Diese klassische Kombination ist sehr gut ausgeführt, aber hier funkelt das Firmament schon wieder nicht mehr ganz so hell.
Völlig ausgeknipst wurden die Sterne dann beim Hauptgang, einem gegrillten Lamm in Form eines minutiösen Zylinders, dessen Problem nicht einmal die winzige Portion, sondern das völlig sehnige Fleisch ist. Es ist dadurch tatsächlich ungenießbar. Eine Anmerkung beim Personal geht an einem Ohr hinein, und was dann damit passiert, weiß ich nicht. Irgendwann wird mein fast unangerührter Teller einfach abgeräumt. Ein solcher, kulinarischer und servicebezogener, Fauxpas ist in diesem Rahmen schon sehr befremdlich.
Der Käsegang – ich mag es gern, wenn sich die Küche schon von vornherein für eine Sorte entschieden hat – ist ein Stück Brillat-Savarin, ganz pur bis auf paar grüne Teile von der Sonnenblume. Hierzu fehlt mir jetzt etwas Brot, auch um die verpasste Energiezufuhr des verschmähten Hauptgangs wieder auszugleichen.
Als Dessert gibt es hervorragende Walderdbeeren, dezent parfümiert durch ein Rosengelee, und dann leider ganz plump mit einem fromage blanc zunichtegemacht. Die schroffe Textur der Quarkzubereitung macht das Dessert regelrecht „stumpf“, dabei hat es so vielversprechend begonnen.
Eine Creme, hergestellt aus gerösteten Datteln und mit Walnussöl emulgiert, steht daneben und vermag nichts Spannendes zu dem Dessert – oder überhaupt zu dem Essen – beizutragen.
Zum Abschluss gibt es noch, gut lesbar, ein paar kandierte Früchte aus dem Garten: ziemlich sauer und so zäh wie Beef Jerky. Eine Art Nutella-Toast ist dann die letzte Speise des Abends.
Der Abend an sich war wunderbar. Es gibt hier nicht mehrere Tischbelegungen (zumindest bekommt man das nicht mit), das Tempo ist dadurch angenehm gemäßigt, und das Ambiente hat alles, um einen gemütlichen Abend verbringen zu können. Auf höchstem kulinarischem Niveau, wie es der Michelin derzeit attestiert, fand das Essen jedoch nicht statt.
Wer, wie ich, ohnehin nicht an Drei-Sterne-Restaurants vorbeikommt, dem sei ein Besuch in diesem Haus ans Herz gelegt. Für tausend Dollar zu zweit kann man sich allerdings auch mit einer Weltklasse-Flasche Wein zu einem romantischen Picknick in den Weinbergen verkriechen. Aber das eine schließt ja bekanntlich das andere nicht aus.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | The Restaurant at Meadowood (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Christopher Kostow |
Ort: | St. Helena, USA |
Datum dieses Besuchs: | 11.08.2015 |
Guide Michelin (SFO/Bay Area 2015): | *** |
Meine Bewertung dieses Essens |