Söl’ring Hof – fürstlich zugelangt
Als die Auszubildende zum Aperitif als erstes und einziges den Prestige-Champagner Pommery Cuvée Louise empiehlt, finde ich das schon etwas befremdlich. In jedem noch so prestigeträchtigen Haus dieser Welt gebietet es die Höflichkeit, die besonders teuren Dinge erst zum Schluss oder nur auf Nachfrage anzubieten. Ich weiß sehr wohl um die Kosten solcher Tropfen in diesen Häusern Bescheid, doch das geht ganz sicher nicht jedem Gast so. Die Aperitifkarte liegt auch ganz ordnungsgemäß vor einem, aber die Situation ist so geschickt orchestriert, dass man gar nicht dazu kommt, darin zu stöbern. Der Trick ist, die Karte im selben Moment auf den Tisch zu legen wie man mit der Empfehlung nach der Cuvée Louise konfrontiert wird.
Eine solche Attitüde stößt mir schon zu Beginn des Abends sauer auf, aber da mir heute Abend tatsächlich auch nach etwas feinem Prickelndem ist, bestelle ich zwei Gläser (je € 45) und freue mich auf das Essen.
Nur Augenblicke später kommt die junge Dame dann mit einem Wagen an den Tisch zurück, der mit verschiedenen Kaviarsorten bestückt ist. „Gerne servieren wir Ihnen zu Ihrem Champagner Kaviar, und zwar …“, trägt das Mädel freundlich vor, während sie – sehr darauf bedacht, diesen Vorgang nebensächlich erscheinen zu lassen –, erneut zeitgleich eine Karte auf den Tisch schiebt. Auch hier könnte man jetzt lange drin stöbern, aber sie hat schon einen Perlmuttmesser an einer der Dosen mit dem schwarzen Gold angesetzt. Niemand käme jetzt auf die Idee, sie jetzt noch davon abzuhalten – ein Fehler, wenn man nicht weitere € 39 pro Person loswerden möchte. Ich mag Kaviar sehr gerne, z. B. als Zutat in einem Gericht, würde ihn jedoch niemals extra in einem Restaurant bestellen. Das Feld überlasse ich lieber Angebern in Szenerestaurants.
Doch dieser schäbige Trick, dessen fragwürdige Grundlage die antrainierte Formulierung ist, dass man „dazu gerne etwas serviert“, hat hier selbst bei mir funktioniert. Chapeau.
Am Ende steht nach dieser albernen Ouvertüre, mit der sich das einschlägige Inselpublikum vermutlich gerne abzocken lässt, schon mal ein Übertrag von fast zweihundertfünfzig Euro auf der Rechnung, bevor ich irgendetwas Nennenswertes gegessen habe. Ich betone noch einmal, dass ich über die Preise solcher luxuriösen Gimmicks sehr wohl Bescheid weiß und sie auch gerne wissentlich zahle, doch das hier ist perfide Abzocke. Noch immer, Monate später, ärgere ich mich maßlos darüber. Schamlos nutzt man das Gefühl des Gasts aus, einen schönen Abend ja nicht gleich mit Mäßigung beginnen zu wollen. Auch das theoretisch zu erwidernde Argument, dass die meisten Gäste das hier vielleicht so wünschen, ließe ich nicht gelten. Man kann ja gerne mit seinen Stammgästen so verfahren, zu denen zähle ich jedoch nicht. Der Zug ist schon jetzt abgefahren.
Schade, denn der Tag begann ganz fabelhaft. Ich stand ein paar Tage vorher mit Küchenchef Jan-Philipp Berner in sehr freundlichem Kontakt – den bezüglich des ganzen Eklats keinerlei Schuld trifft –, da ich mich erkundigen wollte, ob man, schon mal auf der Insel seiend, einige der lokalen Produzenten und Orte kennen lernen könne, von denen dann später die Zutaten auf unseren Tellern liegen würden.
Man konnte, und Berner nahm sich viel Zeit für eine ausgiebige (und äußerst bequem motorisierte) Inseltour, um Muscheln, Austern und Pflanzen zu sehen und sogar selber zu sammeln.
Auch in Restaurant-Patron Johannes Kings eigenem Garten waren wir, in dem sich eine reizende ältere Dame und das Wohlergehen ebenso älterer Gemüsesorten kümmert. „Brutal lokal“ geht auch auf Sylt.
Am Tisch sitzend freute man sich dann umso mehr auf das in ganz kleinen Teilen auch selbst organisierte Essen. (5 Gänge € 159)
Dies beginnt mit verschiedenen Amuse-Bouches um die Themen Meer, Kräuter und Frische. Handwerklich und aromatisch sehr fein ausgearbeitet.
Der erste Gang ist Taschenkrebs/ junge Triebe / Erbse, ein Multikomponentengericht in Form eines Meeresspaziergangs, bei dem es viel zu entdecken gibt. Die Aromenwelt ist durch die Kräuter recht ätherisch und durch die Meerestiere jodig. Eine interessante, ziemlich pure Komposition. Nichts zum Nachbestellen, sondern zum Nachdenken. Auch mal schön.
Schwertmuschel / Gurke / Dill / Meerrettich vergnügt mit einer eklatanten Frische von der Gurke, die noch akzentuiert wird durch Dill und kaltem Meerrettich. Als Protagonist dann zum Zopf geflochtene Stabmuscheln. Elegant, leicht und präzise abgeschmeckt.
Noch besser sind dann die Weinbergschnecken mit Spargel und Vogelmiere, ein süffiger, salziger, herzhafter, knusprig-buttriger Gang. Wunderbar unbeschwert zu genießen.
Weiter geht’s mit dem ins Menü eingebaute Onglet (€ 65) – einem meiner Lieblingsschnitte, hier vom Holsteiner Rind –, das mit Brokkoli, rotem Rettich und einer herausragenden Sauce Béarnaise auf den Tisch gelangt. Das Fleisch ist von fantastischer Qualität, der Brokkoli perfekt à point, und man genießt jeden Bissen davon am besten mit einer extra Prise Fleur de Sel. Ein ganz großartiges Fleischgericht und damit ein Muss von dieser Karte!
Ein Dessert mit viel Erdbeere schließt an die Qualität aller Gänge an, hier ist die Zugabe von Fichtensprossen besonders reizvoll. Wenn man sie zusammen mit einer Erdbeere und dem Eis erwischt, erschließt sich einem die Aromenwelt eines Waldspaziergangs.
Eine ausgiebige Portweindegustation, die aufs Haus geht, rundet das gelungene Menü ab.
Besonders gelungen finde ich das sehr regionale Konzept, das Küchenchef Berner so konsequent umsetzt. Ich hatte gar nicht vermutet, dass sich auf dieser Insel so viele exzellente Produkte beschaffen lassen.
All das ist seinen Preis wert. Und mit den anderen dreißig Prozent der Rechnung hoffe ich, dass Herr King seine Gärtnerin entlohnt. Fürstlich. Sie hat es zweifellos verdient.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Söl’ring Hof (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Jan-Philipp Berner |
Ort: | Rantum/Sylt, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 23.05.2015 |
Guide Michelin (D 2015): | ** |
Meine Bewertung dieses Essens |