De Leest – Zwischenstopp drei Sterne
Auf meinem Weg zu einer kleinen kulinarischen Tour durch Belgien – es bestand bei mir in der Region etwas Nachholbedarf – ist das niederländische Restaurant De Leest nur ein kleiner Umweg auf meiner südwestlichen Route. Dem Michelin ist das Restaurant seit der aktuellsten Ausgabe sogar eine Reise wert. Drei Sterne zum Mittag statt Autobahnraststätte, so ist mir das recht. (Nicht, dass ich sonst an Autobahnraststätten essen würde …)
Gegen halb eins betrete ich das Haus am zentralen Dorfplatz, das mit seiner weiß gestrichenen Fassade und den akkurat gestutzten Bäumchen von der sonstigen Normalität dieses Orts angenehm hervorsticht.
Das Ambiente innen trifft nicht besonders meinen Geschmack. Die vorherrschende Sachlichkeit wirkt auf mich aufgesetzt und recht bieder. Besonders die klobigen Konsolen in der Saalmitte sehen aus als kämen sie gerade aus dem Discountmöbelhaus. Aber das ist kein Kritikpunkt, sondern Geschmackssache. Auch die Tatsache, dass ich nahezu allein im Restaurant bin und jede Bewegung am Tisch zu laut erscheint, erhöht nicht gerade den Spaßfaktor meines Mittagessens.
Bei einem Glas Champagner – mehr ist angesichts der geplanten Weiterfahrt ins über 300 km entfernte in de wulf leider nicht drin – aus dem Hause Serge Mathieu (€ 14) blättere in der Speisekarte. Diese bietet verschiedene Menüs sowie eine Auswahl à la carte. In Ermangelung an viel Zeit entscheide ich mich für drei Gänge à la carte.
Es geht los mit einigen Amuse-Bouches. Ein kleines Toast mit Forelle, Curry, Zitronengras und Zwiebeln, dann ein Röllchen mit Thunfisch, Entenleber und Meringue sowie ein Cornet mit mariniertem Rind und Yuzu sind so präzise, lebhaft und köstlich, dass ich fast jubeln möchte, mich aber in der gespenstischen Stille nicht traue.
Weiter geht die Eröffnung mit Muschel-Mousseline mit roter Bete und Meerrettich, daneben marinierter Lachs mit Blumenkohl und Wassermelone, gefolgt von gratiniertem Kohlrabi mit Ziegenjoghurt, Avocado und Dill-Öl – auch dies makellos ausgeführte, erfrischende, harmonische Einstimmungen.
Eine phänomenale Auster mit frischen Kräutern und säuerlichen Perlen (Yuzu?) bekräftigen meine intensive Hassliebe zu dieser Zutat: ich bestelle sie nie, aber wenn ich Derartiges serviert bekomme, macht mich das einfach glücklich.
Als Vorspeise fiel meine Wahl auf den in zwei Gängen servierten Kaisergranat („Langoustine“, € 42). Der erste Gang ist eine optisch ansprechende Komposition, die mit Taschenkrebs, Tomaten, Avocado, weiteren Gemüsen und Blüten serviert wird. Zwar ist vom Kaisergranat wenig zu sehen, aber der Taschenkrebs macht sich auch ganz hervorragend.
Bei der zweiten Zubereitung kommen dann drei perfekt gegarte Exemplare des edlen Krustentiers zum Einsatz, und zwar zusammen mit Zitrusfrüchten, Karotte (als Püree) und orientalischen Gewürzen. Die Kombination ist stimmig, die Qualität aller Zutaten makellos, aber die Tiere haben es etwas schwer, sich bei all den Gewürzen Gehör zu verschaffen. Hervorragend, aber nicht zum Schwärmen.
Für den zweiten Gang entschied ich mich für Taschenkrebs(„North Sea crab“, € 42), ohne zu wissen, dass diese Kreation dem ersten Gang der Kaisergranat-Zubereitung gleicht wie ein eineiiger Zwilling. Die gleiche halbe Tomate, das gleiche Krebsfleisch, die gleichen Kräuter und Blüten, lediglich ein dunkler Jus trägt zur Unterscheidung bei. Was soll ich sagen? Ja, erneut sehr gut. Auf diesen Umstand hätte man mich bei meiner Speiseauswahl allerdings hinweisen können.
Für den Hauptgang schwenke ich dann vom Meer aufs Land. Das niederländische Rind „Special Selection“ (€ 44) ist sechs Wochen gereift und wird serviert mit einem Sammelsurium von (recht weihnachtlich-orientalischen) Gewürzen, einem (etwas zu) intensiven Püree vom roten Zwiebeln und schwarzem Knoblauch, sowie Pilzen, Kräutern und Gemüsen.
Ich probiere ein paar Gabeln in verschiedenen Kombinationen und kann – selbst äußerst wohlwollend – zu keinem anderen Schluss gelangen, als dass das Fleisch zäh und die Komposition in Summe sehr monoton ist. In Anbetracht der hohen Weihen ist das ziemlich enttäuschend. Ein à part serviertes Tatar mit repetitiven Kräutern und säuerlich gewürzten Perlen reißt das Ruder bie diesem Gang auch nicht rum.
Auf ein Dessert verzichte ich dann nicht nur aus zeitlichen Gründen.
Die Petits Fours, die ohnehin noch an den Tisch gelangen, sind sehr gut, der Espresso ebenfalls.
Keine Frage: das war ein durchaus angenehmer Zwischenstopp auf meiner Fahrt, aber gut, dass meine Reise noch weitergeht.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | De Leest (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Jacob Jan Boerma |
Ort: | Vaassen, Niederlande |
Datum dieses Besuchs: | 02.10.2014 |
Guide Michelin (NL 2014): | *** |
Meine Bewertung dieses Essens |