Café Boulud – Upper Downside
In der elitären Upper East Side, zwischen schmucken Stadtvillen und den exklusiven Geschäften an der Madison Avenue nördlich der 60. Straße, hat sich auch Daniel Boulud niedergelassen, einer der erfolgreichsten Gastronomen New Yorks. Der gebürtige Franzose und Wahl-New-Yorker führt unter anderem das Drei-Sterne-Restaurant Daniel sowie weitere – etwas einfachere – Etablissements in der ganzen Stadt.
Eigentlich hatte ich gar nicht vor, an diesen Mittag essen zu gehen, aber wenn ich ehrlich bin, schlummerte in mir die Hoffnung, dass sich doch noch eine Möglichkeit auftun würde. Und siehe da: als ich um 11 Uhr vor dem Whitney Museum stehe, um mir die aktuelle Jeff-Koons-Ausstellung anzusehen, stelle ich fest, dass das Museum heute erst um eins öffnet. Auf solche Notfälle bestens vorbereitet, zücke ich die Michelin-App und finde umgehend das Café Boulud als besterntes Restaurant in der Nähe, das mittags geöffnet hat – allerdings erst ab 12 Uhr. Eine knappe Stunde gilt es also noch zu überbrücken. Das ist recht unangenehm, denn über die gesamte Stadt hat sich heute ein drückender, dampfbadähnlicher Feuchtigkeitsfilm gelegt, der bei dreißig Grad nur die Flucht in klimatisierte Räume zulässt. Aber kein Problem: von den Geschäften hier ist eines kühler als das andere.
Kurz vor zwölf schlendere ich dann in Richtung des Surrey Hotel, welches im Erdgeschoss das Café Boulud beherbergt. Eine Reservierung habe ich nicht, aber nach einem kurzen Gespräch mit der Empfangsdame und der Versicherung, es würde nicht allzu lange dauern, bekomme ich einen Tisch.
Das Ambiente wirkt auf mich etwas unruhig. Die Tische stehen recht eng aneinander, sind teils eckig, teils rund, die Bilder an den cremefarbenen Wänden sind fürchterlich kitschig, und verspiegelte, scheinbar willkürlich aufgestellte, Raumtrenner sorgen für weitere Verwirrung.
Doch was soll’s, ich bin froh, die Wartezeit auf die Museumsöffnung mit essen zu verbringen. Und ein kleines Gläschen Au Bon Climat Chardonnay ($ 18) kann auch nicht schaden … Es sei denn, der Wein ist korkig – und das, obwohl der Sommelier ihn vorher probiert hat. Obwohl mir Fehler vom Service in der Regel nicht viel ausmachen (irren ist menschlich), ist ein Fauxpas dieser Art schon ziemlich schwerwiegend, da er fast nur den Schluss zulässt, dass man hier dreist genug ist, es einfach mal drauf ankommen zu lassen. Gleichwohl wirkt der Sommelier nach meinem Hinweis sichtlich bestürzt und öffnet schnell eine neue, diesmal fehlerfreie, Flasche. Cheers, es kann losgehen!
Die Speisekarte bietet einige, offenbar recht opulente, Klassiker sowie ein dreigängiges Mittagsmenü für fast schon geschenkte fünfundzwanzig Dollar, auf das meine Wahl fällt.
Ich beginne mit einem Raukesalat mit Artischocken, Sonnenblumenkernen, Pecorino und Zitronenvinaigrette. Ein Trauerspiel! Die lieblos angehäuften Gemüse könnten nicht trockener sein, denn von der (viel zu sauren) Vinaigrette sind nur ein paar Milliliter am Tellerboden zu finden, und auch die Artischocke ist so dünn gehobelt, dass sie – einmal an der Luft – sämtliche Flüssigkeit verloren hat und damit ungefähr so schmeckt wie Löschpapier. Ich spüle einen im Hals steckengebliebenen Raukestiel schnell mit einem Schluck Chardonnay hinunter und versuche, meinen Appetit mit etwas Brot zu stillen. Doch das ist so gummiartig und zäh, dass ich wirklich Mühe habe, ein Stück davon abzureißen. Da sucht man schon fast nach einer versteckten Kamera.
An meinem Hauptgang gibt es indes nichts zu bemängeln. Der Rochenflügel „Grenobloise“ mit Prinzessbohnen, Mandeln und Zwiebel-Soubise ist auf den Punkt gebraten und bietet mit den Kapern ein schönes Säurespiel. Einfach und gut.
Das Dessert wiederum – Passionsfrucht-Semifreddo mit Himbeer-Meringue und Litschi – ist ein Graus, ich lasse fast alles davon stehen. Die bräunlichen Litschihälften sind vertrocknet, die gelbe Masse ist mir äußerst suspekt, und auch die pappigen Himbeerplättchen helfen nicht weiter. Das ist vermutlich das schlechteste Dessert, das mir jemals irgendwo serviert wurde.
Die danach gereichten Madeleines – warm und buttrig – machen das zwar nicht ungeschehen, sind aber hervorragend. Wie bezeichnend, dass der Kellner es besonders betont, dass die Madeleines frisch zubereitet seien.
Nach nicht einmal einer Dreiviertelstunde ist der Spuk vorbei. Keine Frage: hier wird man gnadenlos abgefertigt. Alles, was vorbereitet werden kann, wird lange im Voraus zubereitet, selbst das Brot vom Vortag ist man sich nicht zu schade, zu servieren. Das wirft kein gutes Licht auf einen derart renommierten Gastronomen wie Daniel Boulud. Und der Michelin sollte hier dringend mal sein Radiergummi aus der Schublade holen, denn mit solchen – eigentlich schon vorsätzlichen Nachlässigkeiten – ist dieser Laden weder einen Stern noch eine Empfehlung wert.
Ich gehe jetzt erst mal ins Museum, da gibt es immerhin besseres Essen: nämlich gar keines.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Café Boulud (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Aaron Bludorn |
Ort: | New York City, USA |
Datum dieses Besuchs: | 01.08.2014 |
Guide Michelin (NYC 2014): | * |
Meine Bewertung dieses Essens |