Spiaggia – Städtischer Strandurlaub
Tatsächlich ist das, was man in Chicago durchaus als Strand (it. spiaggia) durchgehen lassen kann, nur einen Steinwurf von diesem 80er-Jahre-Wolkenkratzer entfernt, in dessen erstem Stock dieser Italiener untergebracht ist.
Ich mag diese urbane Variante eines Strandrestaurants. Dort ist es angenehm klimatisiert, es stört auch kein klebriges Gemisch aus Sand und Sonnencreme bei der Nahrungsaufnahme, und das Meersalz wurde praktischerweise auch schon einem sinnvollen Verwendungszweck zugeführt.
Höchst beschämenderweise habe ich bisher überwiegend außerhalb Italiens „italienisch“ gegessen, so auch heute, über siebentausend Kilometer entfernt von dort. Aber man kann schließlich nicht überall sein, und ich gelobe Besserung.
Ich fühle mich pudelwohl in meinem kleinen Separee. Es gibt zwei Menüs und eine umfangreiche Auswahl à la carte; alles klingt süffig und verlockend. Entsprechend schwer fällt mir die Auswahl. Letztlich fällt meine Wahl auf das Pasta-Menü (degustazione delle paste, $95), lediglich den ersten Gang tausche ich aus.
Die fast ausschließlich italienische Weinkarte ist eine der umfangreichsten, die ich je in den Händen hielt. Eine Orientierung fällt nicht gerade leicht. Und da sich hinter Italiens Weinen noch mehr Tretminen finden als im Burgund, greife ich zur Weinbegleitung ($75).
Ohne großes Grußbrimborium geht es dann auch gleich los mit Burrata con caviale, einem erfrischenden Auftakt mit cremigem Burrata, jungem Spargel, Kaviar und Olivenöl. Ein unkompliziertes Vergnügen!
Die Calamari alla griglia präsentieren sich mit schönen Röstaromen, lediglich die kreisrund geformte Spinatpasta hat mir etwas zu viel Biss (fast wie eine Kartoffel). In Summe aber angenehm herzhaft.
Gnocci neri con sepia ist ganz famos! Zum Tintenfisch (hier natürlich erwünscht bissfest) harmonieren perfekt die pikanten Chilistreifen und ein säurebetonter Jus. Delizioso!
Culingioniscon gamberi – Sardische Nudeltaschen mit Garnele – demonstrieren erneut die Fähigkeiten der hauseigenen Pastaherstellung. Die schmackhafte Nudeltasche ist gefüllt mit „Yukon Gold“-Kartoffel und Spinat; die Garnele perfekt gebraten; lediglich das Pesto Genovese hat deutlich zu viel Knoblauch.
Die Küche des Spiaggia genießt bereits uneingeschränktes Vertrauen bei mir. Während ich entspannt in meiner Sitzbank versinke und mir ein solches Lokal in meine Nachbarschaft in Hamburg wünsche (ganz für mich allein), erreicht mich der nächste Gang.
In einer verführerisch duftenden, pikanten Tomatensauce finde ich die röhrenartige Nudelart Mezzi paccheri, knusprig gebratenen Oktopus und weitere Ingredienzen wie Streifen von Erbsenschoten, Ricotta, Mandeln und Kapern (Mezzi paccheri con polipo). Himmlisch!
Und wenn ich jetzt sage, dass die Dorade – der Hauptdarsteller in Orata con granchio – einer der besten gebratenen Fische ist, die ich je auf dem Teller hatte, wird man mir möglicherweise völlige Verblendung durch die italienische Sonne unterstellen. Doch genauso ist es. Die Haut ist goldbraun, zart knusprig und hat ein an Honig erinnerndes Röstaroma. Herrlich dazu „anci di pepe“-Pasta, Taschenkrebs, Safran, Fenchel und Orange.
Das Dessert, Coco di Noce, ist mir dann etwas zu mächtig, aber es gibt wahrlich keinen Grund zur Klage.
Beglückt von der wohlschmeckenden, herzhaft-süffigen Küche nippe ich an meinem letzten Glas Wein, blicke hinaus in Richtung spiaggia un habe keine Zweifel: Chicago ist Italien näher als die meisten Orte in Deutschland.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Spiaggia (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Tony Mantuano |
Ort: | Chicago, USA |
Datum dieses Besuchs: | 24.07.2013 |
Guide Michelin (CHI 2013): | * |
Meine Bewertung dieses Essens |