Le Jules Verne – 0,08 Meilen über dem Meer
Mein Vorhaben ist nicht so kühn wie die Abenteuer Kapitän Nemos und seiner Nautilus. Aber der Gedanke, auf dem Turm in der Stadt zu Mittag zu essen, ist reizvoll und romantisch. Möglich ist das im Restaurant Le Jules Verne mit der wohl coolsten Adresse der Welt, Tour Eiffel, Paris.
Das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant ist Bestandteil des Gastro-Imperiums von Alain Ducasse. Große kulinarische Offenbarungen erwarte ich heute allerdings nicht. Denn natürlich ist das Le Jules Verne ein Touristenmagnet par excellence, nur eben auf 125 Meter höherem Niveau.
Der Zugang zum Restaurant erfolgt über einen eigenen Eingang im Südpfeiler des Eiffelturms. Dort gelangt man über einen kleinen Aufgang zunächst in einen Empfangsbereich mit eigenem Aufzug. Nachdem sich genügend Gäste angesammelt haben (das ist etwas wuselig), beginnt die kurze, aber lästig überfüllte, Fahrt nach oben zur mittleren Plattform des Turms.
Wie das in Türmen so ist, wirkt alles ein wenig gedrungen, doch die Kulisse an unserem Fenstertisch ist einzigartig. Zwischen den braunen Stahlstreben (der Eiffelturm ist braun, nicht grau!) blickt man über die Dächer der Stadt, die Seine, einfach alles. Selbst an diesem diesigen Tag ist das eine grandiose Kulisse.
Skurril: Ein paar Meter weiter unten kann man frierenden Touristen auf der Besucherplattform mit einem Glas Champagner zuprosten, allerdings scheint ihnen der Blick ins Restaurant verwehrt. Das Essen wird in jeder Hinsicht ein Wettlauf zwischen sattsehen und satt werden.
Das Restaurant mit mehreren Sälen ist unerwartet geräumig. Hier finden bestimmt um die hundert Esser Platz. Der Service ist routiniert, straff durchorganisiert und leider ziemlich herzlos. Man hat von Anfang an das Gefühl, durchgeschleust zu werden. Aber was soll’s, ein Blick aus dem Fenster wirkt entschädigend.
Die Preisgestaltung ist saftig. 175 Euro für Vorspeise, Hauptspeise, Dessert, von denen jeweils vier bis fünf zur Auswahl stehen. Dazu bestelle ich eine Flasche 2007 Domaine de l’Horizon blanc (€ 80), eine vermutlich clevere Wahl unter den übrigen, viel teureren Etiketten.
Als Amuse-Bouche wird eine kalte Zubereitung mit Foie Gras und Karotte serviert, dazu etwas Stangengebäck. Das ist in Ordnung, aber wahrhaftiger Genuss stellt sich dabei nicht ein. Man schmeckt die massenhafte Vorbereitung und anschließende lange Kühlung leider zu sehr heraus.
Die Vorspeise meiner Wahl ist Cookpot de pomme de terre et truffe noire. In Ducasse’ patentiertem Schmortopf finde ich eine Art Gratin Dauphinois mit geschmolzenem Käse, geschmorten Zwiebeln, schaumiger Trüffelsauce und gehobeltem schwarzen Trüffel. Links daneben ein knackiger Salat mit Vinaigrette.
Und obwohl die bewährte Kombination innerhalb des Töpfchens zunächst schön süffig ist, und auch die Frische des Salats gut zu allem passt, wirkt das Gericht nach ein paar Löffeln leider sehr monoton. Irgendwann ist es zu viel Käse, zu viel Kartoffel und zuviel „Einerlei“.
Als Hauptgericht freue ich mich auf einen der Klassiker der französischen Küche schlechthin: Tournedos „Rossini“, hier schlicht Tournedos de Bœuf et foie gras de canard genannt. Bei diesem Gericht kann man viel falsch machen, angefangen bei der Qualität und Zubereitung des Fleischs, der Stopfleber, der Herstellung der Trüffelsauce (sauce périgueux), bis hin zu den Kartoffeln.
Hier macht man nicht alles falsch, aber auch mit diesem Teller ist nicht mehr als ein zufriedenes Sattwerden möglich. (Aber auch das ist natürlich ein Grund zur Freude.) Das Filetstück ist von offensichtlich guter Qualität und Garung, auch die Foie Gras ist akzeptabel, doch bei der Sauce hapert es dann. Man erkennt bereits an der hellen Farbe, dass sie nicht besonders lange eingekocht, sondern früh abgebunden wurde. Dies macht sich auch im fehlenden Aroma bemerkbar. Und wer, bitte schön, soll die ganzen Kartoffelsticks essen? Die beste Repräsentation dieses Klassikers ist das sicher nicht – die schlechteste aber auch nicht.
Die Patisserie leistet dagegen einwandfreie Arbeit. Das gelungen mit Säure und Süße spielende Agrumes, das im Wesentlichen aus Zitrusfrüchten und einem Zitronengranité besteht, ist wunderbar frisch, und feine Streifen kandierter Kumquat sind das entscheidende i-Tüpfelchen. Auch die danach gereichten Mignardises sind sehr gut.
Für den Weg nach unten beginnt dann wieder etwas Gewusel, da der Fahrstuhl ziemlich lange auf sich warten lässt. Der Blick auf eine Anzeigetafel mit der aktuellen Fahrstuhlposition sowie ein Fenster mit Blick in die Küche gestalten das Warten etwas kurzweiliger.
Nüchtern betrachtet bietet dieses Restaurant gute, aber leider unpersönliche französische Standardküche zu Preisen, die man selbst in dieser Stadt als gepfeffert bezeichnen kann, da sie nicht mit der entsprechenden Küchenleistung einhergehen. Ohne die einzigartige Lage hätte das Jules Verne vermutlich in Paris keine Chance. Doch die Küche des Jules Verne und seine Lage sind als Einheit zu verstehen. Man kommt immerhin hierher, um auf dem Eiffelturm zu speisen! Und wer dabei noch zu nüchternen Betrachtungsweisen in der Lage ist, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Le Jules Verne (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Pascal Féraud |
Ort: | Paris, Frankreich |
Datum dieses Besuchs: | 23.02.2013 |
Guide Michelin (F 2013): | * |
Meine Bewertung dieses Essens |