Fischers Fritz – stärker denn je
Es ist Sonntagmittag, und eine Stippvisite in der Hauptstadt neigt sich dem Ende zu. Doch wer wäre ich, hätte ich nicht noch eine Reservierung im Fischers Fritz? Eine der vielen guten Eigenschaften dieses Restaurants ist nämlich, dass es so gut wie immer geöffnet hat: samstags, sonntags, montags, mittags, abends, ganz egal.
Gerade vor ein paar Wochen erst war ich auch mittags hier, ebenfalls vor einer Rückreise. Doch das mit den Rückreisen ist purer Zufall; reine Absicht dagegen ist für mich das Einkehren in Berlins für mich bestem Restaurant.
Den Speiseaal zieren Kronleuchter und holzvertäfelte Wände, an den Fenstern schützen halbhohe Gardinen den Esser vor Blicken Neugieriger. Die Gäste heißen „die Dame“ oder „der Herr“; Tafelsilber, Kristallgläser und feines Porzellan sind so selbstverständlich wie ein Austausch der großformatigen Stoffserviette nach einem kurzen Verlassen des Tischs. Kein Grund jedoch, sich von dieser luxuriösen Atmosphäre verunsichern zu lassen: Spätestens, wenn die ersten „Grüße“serviert werden, weiß man, womit das Fischers Fritz wirklich beeindrucken möchte.
Die Produkte begeistern bereits zu Beginn mit phänomenaler Qualität. Ein kleines Stück – mehr bedarf es nicht – kurz angebratenen Lachses demonstriert eindringlich, was gute Fischqualität ausmacht. Das typisch deutsche, an Fischtheken dieses Landes häufig erwünschte Attribut mager ist es mit Sicherheit nicht. Zu dem prachtvollen Fisch gesellen sich passend ein säuerlich-süßer Papaya-Estragon-Salat sowie Ingwer-Joghurt. Lediglich das dekorative Stängelchen Petersilie kann man bedenkenlos beiseitelegen.
Auf mindestens gleichhohem Niveau ist dann eine kleine Trilogie von lauter wohlschmeckenden Kleinigkeiten. Ein Kartoffel-Schaumsüppchen mit Safran und Chorizo (angenehm pikant), ein Atlantik-Gamba mit Melonensalat und eine Sellerie-Creme mit Atlantik-Steinbutt und Balsamico gefallen alle sehr. Hervorragendes Handwerk und feinste Produktküche machen sich am Tisch breit.
Als Vorspeise kann ich hier fast nie widerstehen, die Terrine von der Gänsestopfleber (€ 42) zu wählen. Glücklicherweise verlangt mir niemand einen etwaigen Verzicht ab. Ich bitte heute ausnahmsweise um eine halbe Portion, die immer noch üppig portioniert ist. Die zu einem langen Quader geformte Terrine ist auf einer hauchdünnen Schicht Havelaal gebettet. Das rauchige Aroma passt ganz wunderbar zur herzhaften Terrine. Eine noch dünnere Schicht Pfefferkaramell liegt obenauf. Flankiert wird die Gänseleber von einer Konfitüre von violetten Auberginen sowie einem Stück buttrig-luftiger Brioche. Die schmelzende Gänseleber, der rauchige Aal, eine leichte Schärfe vom Pfeffer und die (nicht zu) süße Konfitüre ergeben eine sehr ausgewogene Foie-Gras-Kreation zum Dahinschmelzen. Für mich ein Klassiker – und auf seine Art perfekt.
Eher selten findet man auf Speisekarten (deutscher wie auch französischer Restaurants) Froschschenkel, weshalb ich mich darauf bei meinem nächsten Gang, grenouilles et estragon (€ 35), einlassen möchte. Wie sich herausstellt, ist das eine hervorragende Entscheidung. Die Gemüse (Zucchini, Artischocke und kleine Champignons) lassen mich beinahe sprachlos zurück; so gut sind Gargrade, Aromen und Würzung dieser eher schlichten Zutaten. Die Froschschenkel sind in Butter sautiert, herrlich zart und süffig-herzhaft. Natürlich steht ein Schüsselchen mit warmem Wasser und Zitrone nicht weit, um sich die Finger zu säubern. Und wie immer im Fischers Fritz stehtdie Sauce – hier eine „gesäuerte Estragonbutter“ – immer auch zum Nachnehmen in einer Sauciere auf dem Tisch. Gut so, denn die Saucen in diesem Restaurant zählen für mich zu den weltweit besten. Ganz große Küche!
Als Hauptgericht – solange nicht wieder das grandiose Milchferkel die Karte ziert – muss hier natürlich Fisch her (oder natürlich das spezielle Hummergericht, bei dem eine seltene Christofle-Hummerpresse zum Einsatz gelangt). Doch welchen Fisch nun wählen? Alle werden gut sein. Allein des Spektakels wegen entscheide ich mich für den Wolfsbarsch in Salzkruste (loup de mer en croute de sel, € 98 für zwei).
Natürlich wird das prächtige Exemplar nach seiner Garung am Tisch präsentiert, aus seiner Kruste gelöst und von Haut und Gräten befreit. Es duftet dabei nach Rosmarin und Thymian. Saftiger kann ein Fisch kaum aussehen – und schmecken.
Und auch hier sind die treffsicher ausgewählten Gemüse eine Klasse für sich: haargenau auf den Punkt gegart, aromatisch, unverzichtbar. Von der leichten Hummersauce nehme ich nach, nehme noch einmal nach, und löffle später noch die ganze Sauciere aus, um auch von diesem Elixier möglichst keinen Tropfen übrigzulassen.
Den Weg zum Dessert bereitet eine kleine Leckerei mit Waldmeistergelee, Rhabarberschaum und Joghurteis; dann, wie immer allzu köstliche, Pralinen und Petits Fours.
Das Dessert, geschmorte Ananas in bretonischem Butterkaramell mit gerahmtem Vanilleeis, ist eines der besten Desserts, die ich je gegessen habe – nicht zuletzt deshalb, weil es ein wahrhaftiges Dessert ist. Keine Spielereien, kein Verzicht auf Substanz. Stattdessen: ein einziger süßer Traum. Das Karamell ist einen Hauch pikant; das Eis schmelzend, cremig und dicht; die geschmorte Ananas süß und karibisch. So muss ein Dessert schmecken. Immer! Hier hat man es verstanden.
Mit diesem grandiosen Ausklang endet ein sonntägliches Festmahl par excellence und auch eine der stärksten Darbietungen im Fischers Fritz überhaupt. Berlin, ich komme wieder, du bist jede Reise wert!
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Fischers Fritz (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Christian Lohse |
Ort: | Berlin, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 12.08.2012 |
Guide Michelin (D 2012): | ** |
Meine Bewertung dieses Essens |