Momofuku Ko – martial lunch
Ein Essen im Restaurant mit dem sonderbaren Namen Momofuku Ko hat von Anfang an etwas Martialisches. Zuallererst muss man sich auf der Reservierungs-Website einen Platz erkämpfen. Wie schwierig das sein kann, hat schon Frank Bruni von der New York Times beschrieben. Ein starker Wille, präzises Timing und eine Portion Glück entscheiden auch bei diesem Restaurant über den Erfolg, einen der zwölf begehrten Tresenplätze zu ergattern. Am besten zum Lunch, denn dann gibt es im Ko das umfangreichere Menü.
Hat man die Reservierung in der Tasche, beachte man die weiteren Regeln. Die Stornofrist beträgt 24 Stunden, sonst werden hundertfünfzig Dollar pro Person fällig; kommt man ein paar Minuten zu spät, rufe man eine bestimmte Telefonnummer an und spreche dort auf einen Anrufbeantworter; ist man jedoch mehr als 15 Minuten zu spät, muss man in jedem Fall zahlen, ohne zu Essen (die Kreditkartendaten werden bereits bei der Reservierung erhoben).
Hat man es schließlich geschafft, pünktlich an der genannten Adresse im East Village zu erscheinen, muss man nur noch den Eingang finden. Ich stehe direkt davor, muss aber dennoch in dem Café nebenan nachfragen.
Endlich trete ich ein. Die ausgedruckte Reservierung muss vorgezeigt werden, doch hier ist man flexibel: mein europäisches A4-Format bereitet keinerlei Schwierigkeiten. Zeit, aufzuatmen.
Wie in allen angesagten Tresenrestaurants New Yorks ist auch hier Fotografie verboten. Ich fühle mich mit meinen verdeckten Videoaufzeichnungsversuchen wie ein Spion im feindlichen Gebiet. Dabei hege ich keinerlei böse Absichten.
In dem länglichen Restaurant gibt es einen kleinen Eingangsbereich, wo man durch sehr entspannte Menschen in Freizeitkleidung empfangen wird als wäre man bei ihnen zu Hause. Doch die Höflichkeit kann auch Kalkül sein. Wir befinden uns schließlich noch immer an der Front. Spätestens die sehr musternden Blicke von dem Koch mit Kampfbemalung (in Form von Tattoos und Piercings) machen das wieder klar. Es würde gut zu dem Laden passen, würde man beim Eintreten darum gebeten, seine Waffen abzulegen.
Die restliche Einrichtung besteht dann eigentlich nur noch aus einer offenen Küche, vor der man am Tresen Platz nimmt. Im Hintergrund spielt skurrile Musik. Dieses Restaurant könnte direkt aus einem Tarantino- oder Takashi-Miike-Film stammen. Kaum zu glauben, dass der gepiercte Koch, sein Rockabilly-Kollege und ein paar Helferinnen hier Zwei-Sterne-Küche auftischen sollen.
Es gibt natürlich keine Speisekarte, und tägliche Variationen des Menüs (mittags $175, abends $125) sind hier an der Tagesordnung.
Die nächsten drei Stunden erlebe ich Eindrucksvolles. Das routinierte, eingespielte Küchenteam werkelt souverän an diversen Köstlichkeiten im Miniaturformat. Es wird gebraten, geschmort, abgeschmeckt, geschnippelt, angerichtet und serviert. In Ermangelung an Notizen und leider nicht wirklich gelungenen Aufnahmen kann ich die einzelnen Gerichte im Nachhinein kaum noch genau abrufen.
Die Zutaten sind vielseitig und von bester Qualität. Hervorragend ist beispielsweise eine Kreation mit roher Lychee und Foie Gras, die in gefrorenem Zustand darüber gehobelt wird. Die leichte Fruchtsüße passt hervorragend zur Gänseleber – eine nahezu selbstverständliche Kombination, die mir bisher noch nie begegnet ist. Wunderbar sind auch hausgemachte Orecchiette mit Parmesan und Trüffeln; großartig ein Gericht mit verschiedenen Blattsalaten, Kräutern, Pilzen und eingelegten Zwiebeln, das über eine längere Zeit direkt vor meinen Augen minutiös präpariert wurde und dann schließlich vor einem auf dem Tisch steht.
Doch es gibt noch so viel mehr. Ente; geschmortes Lamm; Marshmallows; Seeteufel; Seeigel – alles Zutaten, die hier in verschiedensten kleinen Gerichten unterschiedlichster Zubereitungsart zu finden sind.
Das Momofuku Ko ist New York pur. Schräge Küchennerds servieren in einer bescheidenen Location exzellente Küche ohne Speisekarte auf höchstem Niveau. Es ist ein Schlag ins Gesicht gegen alle Art von verkrampfter Gastronomie, vor allem in unseren Breiten. Die Tatsache, dass Spitzenküche in Deutschland häufig mit spießigen Kronleuchter-Restaurants assoziiert wird, liegt genau daran, dass es in deutschen Großstädten kein Publikum für eine solche Art von Restaurant gäbe (außer vielleicht eine Handvoll japanischer Gourmet-Touristen in Berlin). „Zu teuer, schlechter Service, und nicht einmal richtige Tische – für das Geld“, würde man zu Unrecht beklagen, ohne jemals auch nur eine einzige Gabel zu kosten.
Gäste und Gastronomen, öffnet euch! So will man essen!
Informationen zu diesem Besuch | ||
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Restaurant: | Momofuku Ko (→ Website) | |
Chef de Cuisine: | David Chang | |
Ort: | New York City, USA | |
Datum dieses Besuchs: | 27.01.2012 | |
Guide Michelin (NYC 2012): | ** | |
Meine Bewertung dieses Essens |