Pollen Street Social – urbane Lässigkeit
Jason Atherton ist eine populäre Gestalt der englischen Kochszene. Dafür sprechen Auftritte im Fernsehen, diverse Kochbücher und nicht zuletzt seine ehemalige Position als Küchenchef im von Gordon Ramsay betriebenen, sehr beliebten, Restaurant Maze. Von der Popularität Athertons wusste ich bei meiner Reservierung in seinem neuen Restaurant Pollen Street Social allerdings nichts. Für meinen Abreisetag in London war ich lediglich auf der Suche nach einem unkomplizierten, aber besternten Restaurant in Hotelnähe.
Gesucht, gefunden, trete ich an diesem Mittag also völlig unvoreingenommen in das Restaurant mit großer Fensterfront ein. Das Interieur ist wie ein modernes Bistro gestaltet. Viele Zweiertische mit weißen Tischdecken, Lederbänke an der Wand und helles Holz prägen die informelle, junge, aber auch elegante Atmosphäre.
Aus der Speisekarte wähle ich zwei starters und einen main course. Dazu ist mir nach einem weißen Burgunder. Da mir viele Erzeuger auf der Weinkarte jedoch unbekannt sind und ich keine Lust auf Zufallstreffer habe, lasse ich mich auf eine Empfehlung von der Sommelière ein. (Es ist ein ziemlich junger Puligny-Montrachet, den Rest habe ich nicht notiert.) Sie beschreibt ihn, unter anderem, als „sehr zugänglich“. Tatsächlich ist der Wein dann jedoch alles andere als das, sondern, auch nach einiger Entfaltungszeit, stängelig und viel zu säurebetont. Sichtlich pikiert empfiehlt sie nach meiner entsprechenden Anmerkung eine Alternative, die wenig später ungewöhlicherweise bereits karaffiert an den Tisch gelangt, mit der leeren Flasche daneben (2008 Saint Aubin 1er Cru „Les Combes“ von Caroline Morey). Ich werde bis heute den Eindruck nicht los, dass der Inhalt dieser Karaffe derselbe Wein ist wie von Beginn. Er weist alle Eigenschaften des vorherigen Weins auf. Sei es drum, der erste Gang kommt.
Cornish crab vinaigrette, Nashi pear, cauliflower sweet ‘n’ sour dressing, frozen peanut powder (£12,50) ist ein eher merkwürdiges Gericht. Die Textur ist durch das viele Krebsfleisch etwas „matschig“, und die Aromen sind zwar frisch und klar, aber gleichermaßen auch langweilig und kontrastlos. Es ist weder gut noch schlecht; man wartet einfach schulterzuckend auf den nächsten Gang.
Cauliflower & squid, clear roasted squid juice, sea herbs (£11,50) ist dann erheblich besser. Sehr sonderbar ist allerdings, dass ich ein frappierend ähnliches Gericht zwei Tage vorher im The Ledbury gegessen habe (Squid „Risotto“ with cauliflower, sherry and pinenuts). Auch heute ist die Textur des aus dem Fisch hergestellten Risottos sehr ansprechend, und der mit Tintenfisch zubereitete Jus verleiht diesem Gericht die Tiefe, die im The Ledbury fehlte. Gut! Es wäre interessant, zu erfahren, wer hier von wem abge…, will sagen, sich inspirieren ließ.
Der Hauptgang, Rack of Cotswold lamb, braised shoulder, creamed spiced aubergine, savory & black olive reduction (£25,50), besteht vornehmlich aus einer anständigen Portion Lammkarree von guter Qualität und Garung. Der Jus mit Olivenreduktion ist kräftig und gut, auch die Auberginen passen. Das Gericht ist ein ziemlicher „Sattmacher“, was nicht unbedingt ein negatives Attribut sein muss, doch fehlt mir gleichwohl etwas Finesse.
Trotz der Kritikpunkte (auf hohem Niveau): Das Pollen Street Social ist ein lebendiger, urbaner Hotspot mit einer modernen, aber keinesfalls affektierten Küche in trendigem Ambiente und mit entspanntem Publikum. Es gehört genau zu der Sorte an informellen Restaurants, die man sich in Deutschland in die Nachbarschaft wünscht, allein schon, um den hierzulande fast immer falsch verstandenen Begriff eines Sternerestaurants ins richtige Licht zu rücken (auch, wenn meine Gerichte heute nicht immer überzeugten). Gerne wieder. Mit besserem Wein.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Pollen Street Social (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Jason Atherton |
Ort: | London, Vereinigtes Königreich |
Datum dieses Besuchs: | 30.12.2011 |
Guide Michelin (GB/IRL 2012): | * |
Meine Bewertung dieses Essens |