Fischers Fritz – es ist nicht alles Fisch, das glänzt
Vierzehn Stunden nach dem letzten Gang bei Tim Raue ist es an der Zeit, meine dritte Reservierung in Berlin an diesem Wochenende wahrzunehmen. Mein Frühstück habe ich in Anbetracht des bevorstehenden Mittagessens auf ein Croissant beschränkt und die Zeit im Wesentlichen damit verbracht, zu warten, bis die Uhr kurz nach zwölf zeigt.
Dann breche ich auf ins Hotel Regent, um meine sehr guten Eindrücke vom Fischers Fritz aufzufrischen, die auch schon über drei Jahre zurückliegen.
Fischers Fritz ist eines der wenigen Gourmetrestaurants der Hauptstadt, denen man Samstagmittags einen Besuch abstatten kann. Zu dieser Tageszeit hierhin zu entfliehen hat etwas merkwürdig Surreales. Nur eine Handvoll Tische ist besetzt. Die halbhohen Gardinen vor den Fenstern, die abends vor den Blicken neugieriger Passanten schützen, lassen die gleißende Mittagssonne hinein in den festlichen Saal. Normalerweise wäre ich an diesem Samstagmittag vielleicht selbst einer dieser flüchtigen Schatten der Großstadt, die eilig vor dem Fenster vorbeihuschen, doch jetzt sitze ich hier zwischen holzvertäfelten Wänden und werfe einen ersten Blick in die Speisekarte. Diese wurde mir von einer Bedienung überreicht, die aussieht wie ein von der Präsentation von Haute Couture inzwischen gelangweiltes Mannequin.
Die Karte beherbergt, neben zwei Fleischgerichten, überwiegend Schätze aus dem Meer, von Austern und Aal über Kabeljau und Wolfsbarsch zu Hummer und Steinbutt. Die Beschreibungen darunter offenbaren stets spannend klingende Mitspieler des jeweiligen Gerichts.
Ich entscheide mich für drei Gänge à la carte, was die Kellnerin sichtlich erstaunt, seien die Gerichte schließlich großzügig portioniert. Meine Auswahl zu reduzieren liegt jedoch weder in ihrer Absicht noch in ihrem Vermögen.
Als Einstimmung wird dann ein exzellentes Ensemble mit Couscous, Pak-Choi, Ingwerjoghurt und Lachs aufgetischt. Die Qualität des nur kurz gegarten Lachses begeistert durch seinen hohen natürlichen Fettgehalt, der nicht nur das Aroma des Fischs optimal zur Schau stellt, sondern auch die anderen Zutaten glänzen lässt.
Als weitere Einstimmung folgt ein Trio aus einem hervorragend intensiven Blumenkohlsüppchen und dagegen etwas schwächer, weil gewöhnlicher, erscheinenden Rindertatar mit Wachtelei sowie Hummer mit Blumenkohl.
Mein erster bestellter Gang, Homard et chorizo (€ 42; die Namen der Gerichte sind alle auf Französisch), folgt wenig später. Hier brilliert ein halber ausgelöster bretonischer Hummer „vom Stahlgrill“ neben einem saftig-pikanten Kartoffel-Chorizo-Salat. Aromatisch verbindet die Komponenten eine „geräucherte Schalottenvinaigrette“, die den mediterranen Charakter des Gerichts unterstreicht und separat auch noch in einer Saucière zur ausreichenden Verfügung steht. Lediglich die offensichtlich nur aus optischen Gründen platzierten Basilikumblätter sind etwas deplatziert.
Das Mittagessen fährt fort mit Lotte et artichauts (€ 70!). Der farbenfrohe Teller beherbergt geschmorte Artischocken mit Brunnenkresse in einem aromatischem Jus sowie zwei perfekt gegarte („geröstete“) Stücke vom Seeteufel in frappierend guter Qualität. Separat hierzu findet man ein cremig-buttriges Kartoffelpüree, das schlicht perfekt ist. In Summe finde ich jedoch nicht den größten Gefallen an dem handwerklich makellosen Gericht. Das Paprikacoulis, das auch die dominierende Grundlage der vorherigen Schalottenvinaigrette war, ist mir jetzt hinreichend bekannt, und es fehlt etwas Spannung auf dem Teller – sei es durch Texturen oder Aromen. Bei einer A-la-carte-Bestellung wünschte ich mir häufig auch mehr Aufmerksamkeit vom Personal bezüglich mehrfach verwendeter Hauptkomponenten.
Mein zweiter Hauptgang folgt nach einer erbetenen Verschnaufpause. Beim Porcelet de lait handelt es sich um ein „geröstetes westfälisches Milchferkel mit karamellisiertem Chicorée und Ysop-Lavendeljus“ (€ 55). Wer hätte gedacht, dass das „Fischers Fritz“ derart mit einem Fleischgericht auftrumpfen würde. Mühelos rangiert dies unter den besten Fleischgerichten, die ich je genießen durfte. Auf dem Teller ein ungemein zartes Rückenstück vom Ferkel mit einer filigranen, gerade soeben krossen, goldbraunen Haut. Separat dazu weitere Stücke Fleisch mit Wildkräutern und etwas Périgord-Trüffeln. Die Sauce dazu – ein dicht eingekochter, hocharomatischer Jus mit schmeichelnden, süßholzartigen Lavendelaromen – ist phänomenal. Und es gibt auch hier eine Saucière! Kein Milliliter bleibt davon übrig. Der ergänzende Chicorée mit seinen leicht bitteren Noten passt perfekt, und auch an ein Schälchen mit Fleur de Sel ist gedacht. Ein überragendes Gericht, dessentwegen ich mich gleich erneut auf den Weg nach Berlin machen könnte, während ich diese Zeilen schreibe.
Nein, wahrlich, für ein Dessert ist dann kein Platz mehr. Die exzellenten Mignardises und ein Café reichen voll und ganz, um die nächsten paar Stunden bis zum „reinstoff“ zu überbrücken – meine letzte Station dieses kulinarischen Kurztrips.
Küchenchef Christian Lohse und sein junges, sympathisches Serviceteam bieten mit dem „Fischers Fritz“ nach wie vor eines der gastronomischen Highlights in Berlin für klassisch französische Küche mit mediterranem Schwerpunkt. Das gediegene Ambiente bietet dabei den passenden Rahmen für festliche Anlässe am Abend – oder eben für ein schwelgerisches Mittagessen an einem beliebigen Samstag.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Fischers Fritz (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Christian Lohse |
Ort: | Berlin, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 22.10.2011 |
Guide Michelin (D 2011): | ** |
Meine Bewertung dieses Essens |