Haerlin – Lean Service
Hamburgs aktueller „Hoffnungsträger“ für einen zweiten Stern (so der Michelin 2011), das Restaurant Haerlin im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten, verdient hinsichtlich dieser neuen kulinarischen Anerkennung einen erneuten Besuch. Nachdem mir seit meinem vergangenen Besuch dort im Februar wegen einer ärgerlichen Auseinandersetzung mit dem Service eigentlich die Lust vergangen war, in absehbarer Zeit erneut hier einzukehren, ist es heute an der Zeit, Frieden mit dem Haus zu schließen – um des erhofften Genusses willen.
Während sich dann vor den großen Panoramafenstern mit Blick auf die Binnenalster gerade ein spektakuläres Blaulichtmeer auftut – mit Booten und Hubschraubern werden im eiskalten Wasser Personen gesucht –, wählen wir den Champagner aus (sehr guter De Venoge Brut Rosé). Eine skurrile Situation, als säße man im Restaurant der Titanic und hielte die bevorstehende Eisberghavarie für ein Dessert.
Glücklicherweise erwartet uns hier im geerdeten Speisesaal keine dieser eiskalten Katastrophen. Eingefroren ist lediglich der Service, der so angestrengt darum bemüht ist, keine Fehler zu machen, dass Herzlichkeit und Gastfreundschaft vollkommen auf der Strecke bleiben. Zumal nicht einmal das Vermeiden von Fehlern gelingt. Da wird uns ein Madiran als Burgunder empfohlen, eine deutsche Bordeaux-Cuvée als „bester deutscher Merlot“ angepriesen (vom Restaurantleiter; ein Sommelier war offenbar nicht zugegen), und auf die Frage nach der Möglichkeit einer kleinen Pause zwischen den Gängen, werden wir mit den praktischen Problemen aus der Küche bombardiert, die eine solche Pause auslösen könnte. Entschuldigung, es war ja nur eine Frage. Es klappt dann aber doch, man darf dankbar sein. Charme, Lächeln, Souveränität? Fehlanzeige. Dabei bin ich ein einfacher Gast – höflich, dankbar, ohne Hund und Attitüden und mit der einzigen Erwartung, gutes Essen nett serviert zu bekommen.
Doch zum Essen.
Die Amuse-bouches, vier Kleinigkeiten, die ich nicht im Detail behalten habe, sehen recht vielversprechend aus, sind geschmacklich irgendwo zwischen in Ordnung und gut. Die drei Häppchen sind alle auf Teig angerichtet, was sie etwas zu mächtig macht.
Ich wähle vier Gänge à la carte. Unterdessen treibt der Service das alberne Gastronomie-Französisch mit der Wortperversion „Allerkart-Karte“ auf die Spitze. Klingt wie "Film-Film".
Vorab wird noch ein Gericht mit lauwarmem Räucherlachs und verschiedenen, hauchdünnen, krossen Wurzelgemüsen gereicht. Der Lachs ist von exzellenter Qualität, behutsam gegart und überzeugt in Kombination mit dem leichten, aromatischen Sud und den krossen Gemüsen. Ein eleganter, produktfokussierter Auftakt. Leider bleibt es bereits ab hier nicht mehr auf diesem Niveau.
Erster Allerkart-Karten-Gang ist der Langustinentatar mit Gänseleberhollandaise, Orangen-Tapioka & in Soja marinierten Zucchini (€ 34). Dieser Gang misslingt leider, indem von der Hauptzutat, der Langustine, leider nicht viel zu schmecken ist und auch die Konsistenz als Tatar nicht auszumachen ist. Grund hierfür ist die Ummantelung des Krustentiers mit hauchdünnen, aber viel zu salzigen Kartoffelfäden. Auch den restlichen Zutaten hätte ein besseres Abschmecken nicht geschadet.
Es folgt der Sußländer Schweinebauch mit Gurken-Bulgur, Eigelb & weißer Trüffel aus Alba (€ 48). Dieses Gericht hat abermals ein Problem damit, den Protagonisten richtig in Szene zu setzen. Die Saucen mit Trüffel und dem Ei sind sehr gut und wunderbar erdig-herzhaft, jedoch ist das Stück Schweinebauch sehr enttäuschend. Es ist fad und erscheint – man mag es bei Schweinebauch kaum glauben – viel zu mager und trocken. Hier hat ganz offensichtlich die Garung versagt. Schade drum.
Dritter Gang, Steinbuttschnitte mit geröstetem Naturreis, Dill-Krabbensud & Blumenkohl (€ 49), ist eine große Enttäuschung und präsentiert sich unverständlich langweilig und geschmacksneutral.
Der vierte Gang, auf Holzkohle gegrilltes Ochsenfilet mit Edelkastanien, Navetten, Petersilie & Holzkohle-Mayonnaise (€ 45), ist gut, aber auch hier wurde nicht richtig abgeschmeckt – ohne etwas Fleur de Sel, das ich nachträglich bestelle, wäre auch dieses Gericht recht fad.
Es ist sehr betrüblich, dass kein einziger Gang richtig abgeschmeckt war, denn an Produktqualität hat es nicht gemangelt. Umso erstaunter bin ich, dass Küchenchef Christoph Rüffer sogar anwesend ist und derartige Faux-pas nicht zu verhindern weiß. Auf Diskussionen habe ich jedoch an diesem Abend keine Lust. Man möchte als Gast schließlich keine Wiedergutmachungen, sondern von Anfang an ein gutes Esserlebnis.
Auch die Patisserie schließt an die Mittelmäßigkeit des Vorherigen an. Alles ist immer nur „okay“, „ganz gut“, aber niemals überraschend oder gar sehr gut.
Ich habe hier in der Vergangenheit schon deutlich besser gespeist. Ein „Hoffnungsträger“ ist dies ganz bestimmt, aber heute Abend nur mit der Hoffnung auf eine Rückkehr zu Ein-Sterne-Niveau und der Hoffnung auf einen Service, der sich das Wort Gastfreundschaft noch mal zu Herzen nimmt.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Haerlin |
Chefkoch: | Christoph Rüffer |
Ort: | Hamburg, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 25.11.2010 |
Guide Michelin (D 2011): | * |
Meine Bewertung dieses Essens |