Résidence – besser in Essen essen
Verschlägt es jemanden in die Region um Essen, womit durchaus ein größerer Umkreis gemeint ist, kann sich derjenige freuen, der eine Tischreservierung im Hotel-Restaurant "Résidence" in seinem Terminkalender stehen hat.Seit meinem ersten Besuch hier vor längerer Zeit habe ich das Restaurant in guter Erinnerung; allerdings war das Essen damals eher enttäuschend hinsichtlich der Erwartungen, die mit einer 2-Michelin-Sterne-Bewertung einhergehen. Ob einem dabei eher die Köche mit ihrer Sterne-Bürde Leid tun müssen oder der auf hohem Niveau "enttäuschte" Gast, ist eine andere Frage.
Da der Michelin jedoch seit nunmehr 20 Jahren konstant auf seiner Bewertung für das Résidence beharrt, nutze ich heute Abend die Gelegenheit, dass mich der Zufall erneut in diese Region führt, um mir die Küche Berthold Bühlers ein weiteres Mal zu Gemüt zu führen.
Bei einem Glas Louis Roederer Brut (€ 15) stöbere ich in der Speisekarte, die einen 7-gängigen Menüvorschlag enthält (€ 135). Der aufmerksame Service weist dabei auf größtmögliche Flexibilität hin. Diese nutze ich jedoch nicht, sondern entscheide mich für die gesamte, äußerst viel versprechende Abfolge.
Was den Wein betrifft, so sehe ich von der angebotenen Degustation (€ 80) ab und stöbere in der guten, aber etwas unhandlichen Karte. Nach den vergangenen kalifornischen Wochen ist mir nach etwas Abwechslung hinsichtlich der Rebsorten, und ich entscheide mich für einen 2004er Gigondas "Prestige des Hautes Garrigues" von der Domaine Santa Duc (€ 75), der von Anfang an mit Noten von Graphit und schwarzen Beeren äußerst gut gefällt.
Die nächsten vier Stunden kommen dann einem Aufenthalt im Schlaraffenland nahe. Da wird - auf sehr charmante und professionelle Art - eine Gaumenfreude nach der anderen serviert, als gäbe es kein Ende mehr - aber das ist dann leider nur Wunschdenken. Die Gerichte Bühlers sind im Kern klassisch (französisch), bieten eine ungeheure Vielfalt an Produkten und Ideen und sind heute Abend einfach allesamt köstlich:
Die Amuse-bouches beginnen mit einer Auswahl an kleinen, herzhaften Fingerhäppchen, die Lust auf mehr machen. Daran ändert dann auch nichts die ebenfalls sehr gelungene Variation vom Tunfisch & Avocado, bei der lediglich der kurz angebratene Tunfisch durch den Sesam und das Fehlen einer Zutat mit flüssiger oder cremiger Textur zu einer etwas trockenen Angelegenheit wird und von der hervorragenden Produktqualität ablenkt.
Es folgt ein dritter Gruß aus der Küche (man möchte längst zurück grüßen und danke sagen) - ein gebackenes Wachtelei auf jungem Mangold mit Lauchschaum, das das Niveau weiter anzieht. Das Wachtelei ist (für dieses Gericht) perfekt gegart - so, dass es gerade nicht ausläuft - und in einer hauchdünnen, leicht knusprigen Panade serviert. Mangold und perfekt gewürzter Lauchschaum bieten dabei gute Kontraste.Doch erst jetzt beginnt das "eigentliche" Menü – Freude und Herausforderung zugleich.
Der Salat vom weißen Spargel mit Holunderblütenvinaigrette, Kamtschatkakrabbe & Ibericotatar ist leicht und elegant; der Ibericotatar ragt heraus durch eine unverfälschte, pure Zubereitung, unterstützt durch zarten, jungen Salat; die Krabbe gefällt sehr in der Kombination mit dem Spargel und der Vinaigrette - lediglich dem Spargelmousse in der Mitte kann ich nicht viel abgewinnen.
Angenehm mediterran geht es weiter mit Dorade Royale Wildfang mit konfiertem Rhabarber & Crème von Snocciolate-Oliven sowie, im Anschluss, mit dem Rape Nero (Seeteufel) mit spanischer Meerwasser-Tomate, Wakame-Algen, Ingwergelée & gebackenem Sushi. Beide Fische sind makellos gebraten und von sehr guter Qualität - die anderen Zutaten jeweils sehr abwechslungsreich und immer passend. Nicht eine Kleinigkeit lasse ich auf einem Teller zurück, jedes Blatt und jedes Kraut verfeinern die jeweilige Komposition.
Die Pausen zwischen den Gängen sind angenehm und genau auf den Gast abgestimmt. So serviert man nach einer Weile das Involtini von Kalb & Bresola mit Erbsen, Möhren & Espuma von geräucherten Kartoffeln, das nicht ganz so begeistert, wie die Gänge davor, aber dennoch gut ist.
Zufrieden? Absolut. Gesättigt? Äußerst. Das Menü abbrechen? Auf keinen Fall! Aber das hat mich auch niemand gefragt. Man glaubt es kaum - vor dem folgenden Fleischgang wird dann noch ein weiterer Gruß serviert, nämlich ein Bäckchen vom irischen Weideochsen mit Rettichbaiser, das hervorragend ist. Etwas im Schatten seines vorangegangenen Grußes steht dann das Teriyaki vom Wagyu-Rind mit Samoosa, Senfkohl & schwarzem Knoblauch. Die von Wagyu-/Kobe-Rind bekannte Zartheit und "Buttrigkeit" vermisse ich hier, und die Teigtasche (Samoosa) ist etwas trocken. Die gute Sauce und das Püree von schwarzem Knoblauch können diese Mängel zwar recht gut ausgleichen, aber dies sollte eigentlich nicht notwendig sein.
Es geht weiter mit der Patisserie: Der Zitronengraswürfel mit Baharatbaiser ist nicht besonders denkwürdig - umso mehr jedoch das Trifle von der Tonkabohne mit Pinienkernkrokant & Orangen-Basilikumeis. Besonders das Eis ist eine erfrischende Komposition, die hervorragend zur moussierten Tonkabohne passt. (Ein großer Zufall ist die dekorative Ähnlichkeit zum erst kürzlich probierten Dessert in der Auberge du Soleil, siehe dort.) Das Dessert will bis aufs Letzte verputzt werden. Unterstützend wirkt dabei der 2005er Straw Wine von de Trafford aus Südafrika (€ 65).
Nach diesen offiziell sieben, in Wahrheit jedoch elf und gefühlten zwanzig Gängen verzichte ich nun glückselig auf den verlockenden Käsewagen und weitere süße Pralinés (na gut, überredet, zwei darf sie gerne noch einpacken). Berthold Bühler und sein Team haben heute Abend ein sehr gutes, teils hervorragendes Menü präsentiert, das ich mit großer Freude verkostet habe, und auch der herzliche, aufgeweckte Service hat seinen Teil dazu beigetragen, dass ich von diesem Abend nicht nur noch am nächsten Tag zehre.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Résidence (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Berthold Bühler |
Ort: | Essen, Deutschland |
Datum dieses Besuchs: | 07.05.2010 |
Guide Michelin (D 2010): | ** |
Meine Bewertung dieses Essens |