Gucci Osteria da Massimo Bottura (Beverly Hills) – Shoppingpause
Massimo Bottura, einer der präsentesten und kreativsten Spitzenköche Italiens, ist vor einigen Jahren mit dem Luxusmodehersteller Gucci eine Partnerschaft eingegangen. Als erstes Projekt eröffnete in diesem Zusammenhang im Jahr 2018 die erste Osteria oberhalb einer Gucci-Boutique in Florenz, inzwischen ist das Konzept in drei weitere Städte expandiert: nach Tokio, Seoul und Beverly Hills.
Dass eine solche Kooperation Früchte trägt, ist nahezu selbsterklärend. Botturas Drei-Sterne-Restaurant Osteria Francescana in Modena verzeichnet über Monate ausgebuchte Reservierungslisten mit einer Klientel, die aus der ganzen Welt anreist. (Dass ich das weder auf Grundlage der Küche noch des Erlebnisses nachvollziehen kann, steht auf einem anderen Blatt.)
Demnach existiert also ein gigantischer Überschuss an Bottura-Interessierten, die alles mitnehmen, wo Bottura draufsteht. Wenn das Ganze dann auch noch in Gucci verpackt ist, umso besser.
Ich bin allerdings gar nicht so skeptisch, wie es diese Einleitung klingen lassen mag. Im Gegenteil, an diesem sonnigen Mittag auf dem Rodeo Drive habe ich jede Menge Appetit, Neugier und Vorfreude mitgebracht. Das online komplett einsehbare Menü mit A-la-carte-Schwerpunkt klingt deutlich kurzweiliger als die romantisch überfrachteten Kreationen aus Modena.
Über einen eigenen Eingang geht es mit dem Fahrstuhl nach oben in die Osteria. Herrlich luftig ist es hier auf der halbschattigen und halboffenen Terrasse, die man an den wenigen Regentagen im Jahr hier mit einigen Handgriffen offenbar auch schließen kann.
Das Ambiente ist gar nicht so »Gucci«. Die Korbstühle haben eher US-Südstaatenflair, und die Fliesen und Tische aus Naturstein sind entspannt mediterran. Das Personal ist ziemlich smart gekleidet, vermutlich nicht in Prada.
Zum Abkühlen passt, neben Wasser, ein Glas Weißwein aus der offenen Auswahl, die sehr gute Weine auf verschiedenen Preisebenen aufführt. Ich greife etwas höher ins Regal und bestelle ein Glas eines 2019er Château Lynch-Bages blanc per Coravin-Ausschank für 45 $ (ca. 45 €) – viel Geld für ein Glas Wein zum Abkühlen, aber es wird auch üppig eingeschenkt; es sind geschätzt mindestens 150 ml im Glas.
Die Preise fürs Essen sind ähnlich gesalzen, wenngleich es beim Wein noch Ausweichmöglichkeiten nach unten gab. Das Mittagsmenü (»Beverly Hills Classics«), das auch die Frage aufkommen lässt, wie schnell man eigentlich Gerichte als »Klassiker« betiteln kann, kostet 170 $ zzgl. möglicher Weinbegleitungen zu 95 bzw. 180 $. Letztere – die Premium-Variante – ist, wie so viele Weinbegleitungen, mit einem Non-Vintage-Champagner, einem unauffälligen Chianti, zwei mäßigen Premier-Cru-Burgundern und einem Sherry reine Augenwischerei. Diese gesamte Seite lasse ich daher buchstäblich links liegen und blättere auf die spannendere A-la-carte-Auswahl um, die auf einer Seite Gerichte von ca. 30 bis 60 $ aufführt, offenbar grob nach deren Umfang sortiert.
Ein Amuse-bouche unterbricht willkommen mein Stöbern in der Karte. Es gibt eine Tartelette, hauchdünn und knusprig gearbeitet, mit pistaziengespicktem Parmesanschaum und gehobeltem Parmesan. Die filigrane Kreation ist kühl, angenehm herzhaft und überraschend köstlich. (7,5/10)
Hausgemachtes Sauerteig-Früchtebrot mit bretonischer Butter steht auch auf dem Tisch und zeugt auch hier von exzellentem Teighandwerk.
Der erste von mir gewählte Gang ist eine Kreation aus dünn gehobeltem japanischem Rettich (29 $), dessen millimeterdünne Scheiben mehrfach gewunden auf einer Schicht aus Enoki-Pilzen aufgestellt sind. Dazu wird ein gehaltvolles Sellerie-Dashi angegossen. Der Teller duftet eindringlich wie ein Waldspaziergang nach einem Regen, erdig, feucht, frisch. Die kleinen Pilze bestätigen die Empfindung auch am Gaumen, während der Rettich mild und mit sanftem »Biss« zur Geltung gelangt. Dabei ist das Dashi erstaunlich fettreich und sorgt für ein vollmundiges Gefühl. Es ist ein hervorragendes, sehr elegantes Gericht, das gut zu seinem poetischen Titel »The City is in Bloom« (»Die Stadt blüht auf«) passt. (8/10)
Ich probiere danach ein Rindertatar, das kreisförmig unter einem schwarzweiß gefärbten, hauchdünnen Dinkelcracker angerichtet ist. Der zarte Getreidekeks bringt eine zusätzliche Texturebene ins Spiel, die das hervorragend gewürzte Tatar kurzweilig ergänzt. Kühl, cremig, keine Spur »schleimig«; Senf, Salz und Pfeffer sind appetitanregend eingebunden. Auch das ist mehr als sehr gut. (7,5/10)
Die Atmosphäre ist entspannt. Fernab vom Trubel der mondänen, kaum schattigen und betriebsamen Einkaufsstraße genießt man hier oben Ruhe, eine leichte Brise und schon jetzt einige unerwartet hervorragende Speisen zu gutem Wein. So kann ein unkompliziertes Lunch gerne ablaufen.
Der Kellner, der frappierend so aussieht wie David Lynch in jungen Jahren (was insoweit mysteriös ist, als ich mir gerade heute erst das Haus, in dem Lynchs Meisterwerk Lost Highway beginnt, in den Hollywood Hills angesehen habe), empfiehlt mir zum Weitermachen ein Glas 2018er Barolo Marcenasco von Renato Ratti per Coravin aus der Magnumflasche. Dass der Wein später mit unverschämten 70 $ auf der Rechnung stehen wird, entdecke ich erst viel später.
Der Wein begleitet noch zwei Pasta-Gerichte. Eine Portion Tortellini mit Parmesansauce steht im krassen Gegensatz zu vielen Sahnesaucen-Schandtaten manch zwielichtiger Restaurants. Die Sauce auf diesem Teller besteht ausschließlich aus Wasser und Parmesan; vielleicht hat man allenfalls noch ein Lorbeerblatt darin ziehen lassen. Der Verzicht auf Sahne macht sich naturgemäß in einer geringen Viskosität bemerkbar, sowie aber auch in ihrem konzentrierten Geschmack: pures Umami. Die kompakte Fleischfüllung der bissfest gegarten Tortellini ist zurückhaltend, aber stimmig, gewürzt, nur wird das Ganze nach einigen Dutzend genossener Nudeln eine Spur monoton. Sehr gut ist das alles trotzdem. Die üppigen 50 $ für den Teller erscheinen vor dem Hintergrund, dass Heinz Beck im La Pergola sechs seiner kaum größeren »Fagotelli« für 56 € anbietet, regelrecht günstig. Aber eben nur vor diesem Hintergrund. (7/10)
Etwas spannender klingt die Pastakreation »You & Me in Capri« (47 $), bei der ein übergroßer Raviolo, der eigentlich eher ein Nest aus hochgestellten Bandnudeln ist, in einer mit Zitrone und Bottarga frisch und salzig akzentuierten Sauce thront. Eine etwas »stumpfe« Ricotta-Füllung findet man auch noch in dem handwerklich sauberen Konstrukt. Hätte ich nicht noch Seeigel aus Santa Barbara als Add-on dazu bestellt (zzgl. 25 $), wäre dieses Nudelnest etwas langweilig. Die bissfeste Garung ist hier zudem etwas gut gemeint. Trotz fabelhafter Produkte und begrüßenswerter Schlichtheit, überzeugt mich die Umsetzung hier etwas weniger. Ein »sehr gutes« Niveau ist gleichwohl kaum zu unterschreiten, wenn handgemachte Pasta auf kalifornischen Seeigel trifft. (7/10)
Alles in allem ist die Osteria ein gehobenes italienisches Restaurant, in dem Bottura eine moderne und schmackhafte italienische Küche servieren lässt, die ohne den intellektuellen Ballast aus Modena auskommt. Das ist erfrischend. Eine kurze Shopping-Pause zum Lunch kann man jedenfalls durchaus unangenehmer verbringen. Man muss dafür nicht einmal shoppen gehen – nur in etwa so viel ausgeben.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Gucci Osteria da Massimo Bottura (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Mattia Agazzi |
Ort: | Beverly Hills, USA |
Datum dieses Besuchs: | 14.07.2022 |
Guide Michelin (California 2021): | * |
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