Firedoor ‒ Fisch, Fleisch und Feuer
Im Hotel ein Uber Black mit der App bestellen. Bequem zum Restaurant fahren und aussteigen, ohne auch nur irgendeinen Bezahlvorgang anstoßen zu müssen. Durch eine stilvoll dunkle Fassade in das warme Licht im Inneren eines belebten Restaurants blicken. Backstein und Holz, vielleicht etwas Industrie-Ästhetik. Belebte Atmosphäre, kulinarisch interessiertes Publikum, Weinflaschen auf den Tischen. Ein freundlicher Empfang. Vorfreude auf gutes Essen. Ich liebe diese Abfolge an Eindrücken, die sich in Deutschland so leider kaum erleben lässt. Genuss ist bei uns nie lässig.
Hier in Sydney ist es heute Abend das Firedoor, welches mir ein solches Erlebnis ermöglicht. Auf das Restaurant stößt man derzeit unausweichlich, wenn man nach den besten Restaurants in Sydney recherchiert. Es hat zwei „Chef’s Hats“, die zweithöchste Auszeichnung des Sydney Morning Herald. In dieser noch nicht vom Guide Michelin erschlossenen Region ist das die Referenz.
Küchenchef Lennox Hastie hat sich im Laufe seiner Karriere in die baskische Grillküche verliebt und fünf Jahre lang im legendären Etxebarri gearbeitet, wo ich, Asche auf mein Haupt, leider noch nicht gewesen bin. Im Jahr 2011 eröffnete Hastie dann hier in Sydney das Firedoor, in dem vor allem mit Feuer gearbeitet wird. Entsprechend „kaminig“ duftet es hier auch.
Es gibt gewöhnliche Holztische, schlicht eingedeckt und sehr gemütlich, sowie einen Tresen direkt an der Küche. Ein Glas Champagner wird eingeschenkt, man muss nicht mal danach fragen. Manche Restaurants machen das einfach, da wird nicht lange gefackelt. In Deutschland ‒ um mal wieder darauf zu kommen ‒ würde so eine dem Genuss zugewandte Geste gar nicht funktionieren, weil die meisten Gäste erst einmal fragen würden, was das denn kostet. Und ob es stattdessen nicht auch Prosecco gäbe. Es fehlt bei uns die Souveränität ‒ sowohl von Gästen als auch von Gastronomen ‒, einfach mal Genuss Genuss sein zu lassen.
Ich betone das alles nicht grundlos, sondern um aufzuzeigen, wie dramatisch anders der Besuch zeitgemäßer Restaurants außerhalb der deutschsprachigen Grenzen vonstattengeht, und das, bevor man auch nur einen einzigen Blick auf die Teller geworfen hat.
Die Speisekarte bietet ein gutes Dutzend Gerichte à la carte sowie ein chef’s menu für umgerechnet ca. € 57. Ich entscheide mich für das Menü, allerdings mit der Zusatzoption eines 181 Tage gereiften Stücks Rinderrippe im Hauptgang. Mit € 64 extra verdoppelt man damit glatt den Menüpreis. Aber wenn ich schon mal in einem Restaurant bin, das unter anderem auf das Zubereiten von exquisitem Fleisch spezialisiert ist, lasse ich mich schon mal auf ein solches upselling ein.
Die Eröffnung des Menüs machen drei Speisen, die gleichzeitig aufgetischt werden. Es gibt gegrillten, sehr saftigen Pak Choi mit wunderbaren Röstaromen, dazu schön salzigen Bottarga. Schlicht und sehr gut. (7/10)
Weiter gibt es ein Stück Aubergine, weichgegart und ohne Haut, bestrichen mit einem Miso-Gelee. Das ‒ etwas zu wässrige ‒ Gemüse bekommt dadurch einen intensiven, leicht süßlichen Umami-Geschmack. Serviert ist der Snack auf einem getrockneten, knusprigen „Asche-Lavash“, einer Art Fladenbrot. (6,5/10)
Der nächste Teller ist ein Sashimi von geräuchertem Schwertfisch mit gegrillten Erbsenblättern und gepufftem Quinoa. Die Zutaten sind mit der sehr aromatischen Meyer-Zitrone angemacht, was bei diesem Gericht das Highlight darstellt. Davon abgesehen geht der geschmacklich ohnehin recht neutrale Fisch etwas unter. (6,9/10)
Inzwischen ist ein Platz am Tresen freigeworden. Der Küchenchef, sein Souschef und zwei weitere Köche arbeiten dahinter, schwarz gekleidet, an Edelstahlarmaturen und verschiedenen Feuerstellen.
Im Glas entspannt sich inzwischen ein erfreulich guter 2014er „Genesis Syrah“ vom australischen Weingut Castagna (€ 95) aus der interessanten, hauptsächlich australischen Weinkarte.
Ein großzügiges Stück kurzgebratenen Thunfischbauchs ziert den nächsten Teller. Der Fisch stammt aus dem Bundesstaat Queensland und demonstriert eindrucksvoll, auf welche Qualitäten man hier in Australien zurückgreifen kann. Das Stück ist saftig und buttrig, ohne dabei wässrig zu sein. Auch von Trockenheit fehlt jede Spur. Eine leichte Sauce aus Kōshū und Bergamotte fügt dezent etwas Säure und erneut eine elegante Zitrusnote hinzu. Begleitet ist das Ausnahmeprodukt von knackig frischen Zuckerschoten. Ein Teller, der voll und ganz durch seine exzellente Hauptzutat überzeugt. (7,5/10)
Das Menü geht weiter mit zwei gleichzeitig servierten Gerichten. Gegrillter Tintenfisch kommt mit Kichererbsen, Cipolli-Zwiebeln und einer süffig-pikanten Sauce. Geschmacklich ist das deftig und dennoch fein, der Tintenfisch könnte allerdings zarter sein. (6,9/10)
Der zweite Teller auf dem Tisch thematisiert Muscheln ‒ von exzellenter Qualität ‒ in einem ebenfalls sehr süffigen Ensemble mit verschiedenem Gemüse, etwas Chili und einer buttrigen Sauce, die man wunderbar mit dem dazu gereichten Brot aufnehmen kann. Sehr wohlschmeckend. (7/10)
Dass nun ‒ noch vor dem Fleisch ‒ ein weiterer, üppiger, Fischgang folgt, ist den Umfang betreffend anspruchsvoll. Es gibt ein auf der Haut gebratenes Stück Murray Cod (eine Dorschbarsch-Art) mit Rettich, Knoblauch und gegrilltem grünen Gemüse. Die Qualität des Fischs ist erneut sehr gut, allerdings ist die Haut sehr dick und nicht gerade genießbar. Auch ist das Gericht in Summe unerwartet schwer, vor allem wegen einer recht fettigen Sauce. (6,5/10)
Für den Hauptgang gibt es dann das tatsächlich ein halbes Jahr gereifte (dry aged) Stück Rinderrippe, am Knochen gegrillt. Es wird so schlicht serviert wie möglich, einfach in fingerdicke Streifen geschnitten. Ein gemischter Salat dient als erfrischende Beilage. Das Fleisch ist sehr saftig und weist einen hohen Fettgehalt auf. Die Röstnoten vom Feuer kommen ohne eine Spur Bitterkeit. Es ist nicht ganz so zart wie vermutet, dafür aber geschmacklich eindrucksvoll. Der lange Reifeprozess gibt dem Fleisch eine Art „käsige“, komplexe Aromatik. Authentisch, qualitativ über jeden Zweifel erhaben, exzellent zubereitet, aber trotz allem keine Offenbarung. (6,9/10)
Das Dessert ist ein Baked Alaska mit Haselnuss-Meringue, weißem Rum und Erdbeeren. Der Klassiker begeistert hier mit sehr aromatischen Erdbeeren und köstlichen Karamell- und Vanillearomen. Lediglich die sehr dunklen, geflämmten Stellen haben einen Hauch zu viel Feuer gesehen und bringen etwas unerwünschte Bitterkeit mit. Dennoch mehr als sehr gut. (7/10)
Der Abend war insgesamt ein kurzweiliges Vergnügen. Verzichtet man auf den Aufpreis für das Fleisch, wozu ich im Nachhinein wohl raten würde, erhält man hier ein preisgünstiges, umfangreiches Menü mit sehr guten Zutaten, die in unkompliziertem, lebhaftem Ambiente serviert werden. Ich hätte mir ‒ beim Namen Firedoor ‒ noch etwas mehr Einsatz von Feuer gewünscht, etwas kleinere Portionen und weniger Repetition von Gerichten nach dem Schema „Fisch mit grünem Gemüse“.
Ich lasse den Abend mit dem Wein ausklingen, schließe die Tür zum Feuer, ein Uber bringt mich zurück zum Hotel. Im Hintergrund leuchtet die Oper von Sydney. Fabelhaft, alles.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Firedoor (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Lennox Hastie |
Ort: | Sydney, Australien |
Datum dieses Besuchs: | 04.10.2018 |
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