Sushi B ‒ bewundernswert

Als ich um 11:40 Uhr in meinem (vom vorabendlichen Turndown-Service offenbar vollkommen abgedunkelten) Hotelzimmer auf mein Handy blicke, traue ich meinen Augen kaum. Der Wecker: hat nicht geklingelt. Die Uhrzeit: zwanzig Minuten vor meiner Reservierung im Sushi B. Die Akku-Kapazität: zwei Prozent.

Hektisch ziehe ich mich an, stelle nach zehn Minuten auf meinem notdürftig aufladenden Handy noch fest, dass die Reservierung doch erst um halb eins ist, schaffe es also noch, kurz zu duschen und stürze mich gleich danach in ein Uber. Um 12:29:08 Uhr, so beweist es hinterher der Zeitstempel meines Fotos, komme ich beim Restaurant an.

Das Sushi B ist eines der raren Sushi-Restaurants in Europa, das authentisches Edomae-Sushi serviert. Der aus Fukuoka stammende Küchenchef Masayoshi Hanada versucht hier, innerhalb der „Limitationen“ der in Frankreich verfügbaren Produkte, einen Teil seiner heimatlichen Esskultur zu repräsentieren. Er tut dies mit Erfolg. Seit letztem Jahr ist das Restaurant sogar mit einem Stern ausgezeichnet.

Das winzige Lokal hat acht Sitzplätze am Tresen. Reservierungen sind dennoch ohne große Mühe online zu ergattern. Die Atmosphäre ist schlicht, zen-artig, japanisch.

Das größere Omakase-Menü kostet € 130, mittags gibt es noch eine etwas weniger umfangreiche Option für € 90. Das Omakase-Menü beginnt ganz klassisch mit einigen kleinen Speisen vorweg, danach gibt es Nigiri-Sushi und Dessert.

Eine von der Konsistenz her ungewohnte, etwas „klebrige“ Speise aus Sesam mit frisch geriebenem Wasabi ist heiß und sehr wohlschmeckend (7/10), danach begeistert gegrillte Aubergine mit kühlendem, ansprechend pikantem Ingwergelee und Bohnen (8/10).

Es folgt eine Kreation mit Sashimi vom Wolfsbarsch in einer süffig-salzigen Kombination mit Schalotten und Ponzusauce. Der frisch geriebene Wasabi ist hier auch wieder ein willkommener Begleiter.

Der nächste Gang ist gegarter Zackenbarsch in einer einen Hauch zu kaubedürftigen Konsistenz, dafür aber hervorragend kombiniert mit saftigem, aromatischem Blattspinat und Bottarga-Abrieb. Letzterer fügt eine gelungene Geschmackstiefe hinzu. (6,9/10)

Das Menü geht weiter mit einem Potpourri von Gemüse-Tempura, Kaisergranat und Rettichpüree. Der bunt zusammengewürfelt aussehende Teller bietet ein sehr harmonisches Geschmacksbild, qualitativ exzellente Zutaten und eine ansprechende Vielfalt an Texturen. Lediglich das Tempura ‒ sehr leicht und nur gering fettig umgesetzt ‒ weicht in der Sauce ein wenig auf. Dennoch sehr gut. (7/10)

Das erste Stück Nigiri-Sushi kommt mit Petersfisch und ist, wie in jedem neuen Sushi-Restaurant, immer das spannendste, weil man alles prüft: die Beschaffenheit vom Reis, die Qualität des Fischs, die Schnitttechnik und unzählige andere Parameter, die diese faszinierende Speise ausmachen. Dieses Stück ist sehr gut. Der Reis ist eher locker als klebrig, die Körner sind gut differenzierbar, Temperatur und Portionsgröße sind optimal, die Säure eher zurückhaltend. Interessant ist es immer wieder, zu erleben, dass die in Europa für Sushi verwendeten Fische ‒ unabhängig von ihrer Güte ‒ nur sehr selten die Harmonie am Gaumen erzeugen, der man in Japan begegnet. Bei dieser kleinen Speise mit makellosem Fisch und hervorragendem Handwerk ist eigentlich kaum etwas zu verbessern, doch es beginnt genau hier der schwierig zu erklärende Unterschied zwischen sehr gutem Sushi und allem was noch besser ist.

Das Menü geht wie folgt weiter:

Wolfsbarsch

Rosa Geißelgarnele (crevette rose)

Lachs

Bastardmakrele

Schwertfisch

Thunfisch, mager (akami)

Muschel

Misosuppe

Maki-Rolle mit Thunfisch und Shiso, zum Abschluss noch ein Stück Tamago

Das Sushi war auf hohem Niveau (7/10-7,5/10), mit sehr guten Fischqualitäten und exzellentem Handwerk. Das beste Stück war für mich der Schwertfisch mit einer sehr zarten Textur und hervorragendem Geschmack.

Die Desserts schließen das Essen dann noch ausgezeichnet ab.

Ganz rechts begeistert mich ein Reiseis mit Olivenöl und weißem Pfirsich. Die zurückhaltende, aber dennoch präsente Süße der Eiscreme wird vom sehr aromatischen Pfirsich ergänzt, etwas Olivenöl unterstützt die Cremigkeit am Gaumen und bringt eine leichte Würze mit. Das ist sehr präzise umgesetzt, zweifelsfrei als „Dessert“ erkennbar und schmeckt großartig. (8,5/10)

In der Mitte überrascht eine Kombination mit roten Bohnen, Mango und Mochi. Selbst dieses Gericht nimmt man, trotz der Bohnen, eindeutig als Dessert war. Die Fruchtsüße der Mango dominiert das Geschmacksbild, der typisch klebrige Mochiball passt auch gut, und die Bohnen spielen sehr gekonnt mit „Erdigkeit“ und Süße. Ungewöhnlich, aber mehr als überzeugend. (7,5/10)

Ganz links schließt eine kühle Speise mit Kirsche, frischer Mandel und einem geheimnisvollen Minzaroma das Essen ab. (7/10)

Das Sushi B überzeugt durch den sehr akribisch arbeitenden Küchenchef Hanada-san, sehr gut ausgewählten Produkten und einer angenehmen, beruhigten Atmosphäre. Paris wird, neben London, immer mehr zu einem europäischen Sushi-Hotspot, mit bereits einigen sehr guten Adressen (siehe zum Beispiel: Jin). Selbst Yannick Alléno hat kürzlich ein Sushi-Restaurant eröffnet, meine Reservierung steht bereits. Ebenso die Buchungen für die nächste Reise nach Japan.

Informationen zu diesem Besuch
Restaurant: Sushi B (→ Website)
Chef de Cuisine: Masayoshi Hanada
Ort: Paris, Frankreich
Datum dieses Besuchs: 28.07.2018
Guide Michelin (F/MC 2018): *
Meine Bewertung dieses Essens 7,5 (Was bedeutet das?)
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