Quique Dacosta – Rot und Gelb
Es sprechen eigentlich viel mehr Gründe dagegen, dieses Restaurant zu besuchen als Gründe dafür. Doch als würde ich so etwas abwägen. Meine Neugier, ein neues Drei-Sterne-Restaurant kennen zu lernen, ist immer Trumpf. Aber beginnen wir mal mit einer Gegenüberstellung. Das Restaurant ist etwas umständlich gelegen, nämlich in Dénia, einem Küstenort am spanischen Festland, ungefähr zwischen Valencia und der Insel Ibiza. Aber was sind schon ein paar Stunden Anreise gegen die Aussicht auf ein gutes Mahl? Da habe ich schon ganz andere Strecken auf mich genommen. Und weil ich an diesem Wochenende ohnehin Freunde in Madrid treffe, liegt Dénia für mich so gut wie auf dem Weg.
Dann plage ich mich gerade mit den Nachwehen eines aggressiven Atemwegsinfekts herum, bei dem das dafür verantwortliche Virus meine Geruchsnerven so geärgert hat, dass sie sich beleidigt zurückgezogen haben. Das Resultat: Vosne-Romanée schmeckt wie abgestandene Cola, und Yuzu wie Zitrone. Aber was soll’s? Ich fühle mich angespornter denn je, Aromen hinterherzujagen. Was bietet sich da also besseres an als ein Besuch im Drei-Sterne-Restaurant? Ich bin mit genug kulinarischer Erfahrung gewappnet, um zumindest einige fehlende Informationen ausgleichen zu können. Grundgeschmack, Textur, Temperatur, Optik und Erfahrung: das reicht aus, um objektiv über Produktqualitäten, Handwerk, eine Art „Grundgeschmacksbild“ und das Konzept eines Gerichts urteilen zu können. Hin und wieder brechen ein paar Synapsen auch schon mal ihr derzeitiges Schweigen und berichten meinem Gehirn recht willkürlich über Aromen verschiedenster Art. Mit je mehr Informationen ich sie füttere, umso mehr kommt auch dabei raus, so meine Theorie, die ich versucht bin, in die Praxis umzusetzen.
Ein weiterer Punkt auf der Contra-Liste ist kulinarischer Art: ich kann der spanischen Küche nicht viel abgewinnen. Die spanische Küche ist überwiegend das genaue Gegenteil von fein, leicht und produktorientiert, Attribute, die für mich von ausschlaggebender Wichtigkeit sind. Stattdessen ist Spaniens Küche so rot und gelb wie die Nationalflagge: Schinken und Garnelen, Safranreis und vieles mit Teig. Das ist überwiegend fettig, mächtig und tranig. Spätestens nach 48 Stunden vor Ort träume ich von knackigem grünem Gemüse mit Olivenöl.
Wer von Spaniens Küche schwärmt, schwärmt in der Regel von dem sie umgebenden Kontext: dem nächtlichen Spaziergang durch die Tapas- und Pintxos-Bars San Sebastiáns, dem lebhaften Restaurant am Hafen, der Grillparty bei Freunden. Dass es allen gut geschmeckt hat, ist zwar für eine Beurteilung eines gelungenen Abends die Hauptsache, lässt jedoch kulinarische Aspekte außer Acht.
Vor allem ist es eine Küche, die sich nach meiner Erfahrung nicht gut dazu eignet, in der Spitzengastronomie hochstilisiert zu werden. Zumindest nicht so wie es die meisten der am höchsten dekorierten Restaurants Spaniens derzeit tun. Angestachelt von Ferran Adriàs Ruhm, gewürzt mit einer ordentlichen Prise Nationalstolz und Machismus, wird in Spaniens Top-Restaurants eine Erlebnisküche zelebriert, bei der sich mit größtmöglichem Verlass Wohlgeschmack und Produktqualität Showeinlagen mit Kohlendioxid und leuchtenden Tellern unterordnen müssen. Nirgendwo sonst kriecht mehr weißer Nebel über die Tische von Gästen als in Spanien, nirgendwo sonst wird mehr lyophilisiert, pacossiert und gethermomixt. Paradoxerweise hat die von Ferran Adrià angestoßene kulinarische Revolution ausgerechnet in seinem Heimatland eine Strecke der Verwüstung hinterlassen. Dabei hat Adrià viel intelligenter gekocht. Es ging ihm niemals um Show.
Doch ausgerechnet der Guide Michelin bewertet viele dieser Restaurants mit der Höchstnote von drei Sternen, obwohl dort kein Genuss erlebbar ist, der auch nur ansatzweise mit dem vergleichbar ist, den man in den Drei-Sterne-Restaurants außerhalb Spaniens erfahren kann.
Hier ist es also zunächst dem Guide Michelin anzukreiden, dass ein Gast, der von drei Sternen höchstmöglichen Genuss erwartet, mit völlig falschen Erwartungen in diese Restaurants einkehrt. Aber ist es ihm wirklich anzukreiden? Müssen für modernistische Küchen – nicht nur in Spanien (siehe vergleichbare Debakel wie Piazza Duomo) – vielleicht andere Maßstäbe herangezogen werden? Maßstäbe, die viel weniger auf klassische Aspekte des Kochens wie Produktqualität, Handwerk, Frische und Wohlgeschmack setzen und dafür mehr einen künstlerischen, intellektuellen Aspekt bewerten? Es gibt – auch in der Foodie-Szene – durchaus konträre Ansichten zu diesem Thema. Ich selbst vertrete die Ansicht, dass modernistische Ideen mit einem klassischen Verständnis von Kochen exzellent vereinbar sind, und demnach auch bei der Bewertung moderner Küchenstile bewährte Maßstäbe herangezogen werden müssen. Dass dies funktioniert, zeigen zum Beispiel Köche wie Heston Blumenthal (The Fat Duck) oder Grant Achatz (Alinea), denen es trotz zum Teil sehr inszenierter, persönlicher und intellektuell angehauchter Menüs (so genannte „Autorenküche“) gelingt, Produktqualität, Handwerk und „Handschrift“ so perfekt zu vereinbaren, dass es am Ende auch noch ganz hervorragend schmeckt.
Vielen anderen Modernisten gelingt eine Umsetzung dieses komplexen Zusammenspiels nicht, und zwar meist dann, wenn krampfhaft versucht wird, irgendeine Tradition in einem modernen Kontext auf den Teller zu bringen. Wenn ein David Muñoz im Madrider DiverXO seine kabarettistische Essensshow am Gast vollzieht, inklusive Füttern und Essen von Nylonfäden, wäre das sogar in Ordnung, solange man dabei Genuss fände. Man könnte dann rausgehen und sagen: Mir gefällt dieses ganze Theater nicht, aber das Essen war hervorragend. Doch ich habe mich vor Speisen selten so geekelt. Die getrocknete Krabbe, die dort von der Decke hängt, schmeckt als hätte sie zwei Wochen in der Ecke eines Fischkutters herumgelegen. Und genau das ist sogar die Intention, nach dem Motto: Der Fischer auf dem Kutter hat auch nicht immer A-Ware an Bord, das macht es ja gerade so authentisch.
Und genau dort sollte der Michelin klarer unterscheiden: eine Garnele am Nylonfaden? In Ordnung, aber dann bitte eine Ausnahmegarnele, die auch wohlschmeckend zubereitet wurde.
Wenn irgendwelche Ideen von Küchenchefs die Ansprüche an Produktqualität zurückdrängen, nur, weil ein dicker Mantel aus Authentizität oder Tradition sie deckt, dann darf das nicht als höchste Kochkunst betrachtet werden. Von drei Michelin-Sternen darf man etwas Anderes erwarten.
Mit großem Elan, in dieses Thema weiter einzutauchen, kehre ich heute also in ein weiteres modernistisches spanisches Drei-Sterne-Restaurant ein. Quique Dacosta, ein umtriebiger Küchenchef, hat in Dénia, einem depressiven Pauschalurlaubsort mit von deutschen Biergärten und Pizzerien gesäumten Straßen einen einladenden Fremdkörper erschaffen.
In der Tristesse des zu dieser späten Jahreszeit geisterhaft leeren Orts wirkt das weiß gestrichene Haus, das mit seinem kleinen Turm etwas an eine Kirche erinnert, wie eine Bastion. Im Innenhof stehen ein paar komische Skulpturen herum, und man trifft auf weitere Gimmicks.
Die Wahl des Menüs und das Verkosten erster Einstimmungen erfolgt im Halbschatten auf der Terrasse. Ich entscheide mich für das Menü State of Mood (€ 185), das die aktuelle Stimmung von Dacosta am besten wiedergeben soll. Auf dem anderen Menü findet man die Klassiker der letzten Jahre. Ich werde ohnehin noch in den Genuss beider Menüs gelangen, als mir nämlich irgendwann einfällt, dass ich abends noch gar keine Reservierung habe. Innerhalb eines Tages zwei Mal im selben Drei-Sterne-Restaurant zu speisen wäre sogar für mich Premiere. Mit einer Nacht dazwischen gab es einen solchen doppelten Hattrick zwar schon mal bei Christian Bau und im Flocons de Sel, aber Mittags und Abends, das ist eine reizvolle Idee, die ich im Verlaufe des Essens noch konkretisieren werde.
Erst einmal gibt es jetzt einen schaumigen, kühlen (roten) Sangria-Snack, der recht gut die Fruchtaromen und Gewürze dieses sonst eher zweifelhaften Getränks einfängt. Es folgen: ein warmer, herzhafter (gelber) Kabeljau-Beignet; ein (gelber) Kräcker mit knusprigen Reis, inspiriert von den angebrannten Pfannenresten einer Paella („socarrat“); sowie „Korallen“, die natürlich keine sind, sondern irgendwas Frittiertes, das nach dem schmeckt was es ist: fettiger Fisch, nur in knusprig.
Dann wird ein Brett gereicht, auf dem ein Stück „Kohle“ glimmt, das in Wahrheit mit Tintenfischtinte gefärbte Meringue ist. Dieses Kohlesurrogat tunkt man in eine pikante (rote) Fischsauce, Pericana. Dazu gibt es natürlich auch jede Menge Tradition, die mal wieder irgendetwas mit hungrigen Fischern zu tun hat, aber keinesfalls großen Genuss bringt.
Viel Rot, viel Gelb, viel Fisch, viel Teig, viel Ei.
Der beste Snack ist ein (rot-gelber) Raviolo mit Edamame und Kimchi, ein Wink in Richtung Asien, der deshalb gerade ungemein befreiend zu essen ist. Mit einer Art Mojito (es ist wichtig, dass nichts so ist wie es scheint) werde ich dann zum Tisch begleitet.
Ich bin um halb zwei am Mittag nur einer von zwei Gästen im Restaurant. Eine größere Gesellschaft stößt später noch dazu, aber das ist keine Idealbesetzung für ein Restaurant dieser Bekanntheit.
Der „zweite Akt“, so die Fortsetzung des Menüs, besteht aus drei gleichzeitig servierten Speisen. Da sind ein paar Abschnitte von dem was in Italien als Bottarga bekannt ist, also getrocknete Eierstöcke eines Fischs, hier von der Meeräsche. Das ist authentisch (und gelb), aber zu viel von der Authentizität möchte man dann auch nicht essen. Auf dem nächsten Teller liegen drei kleine Scheiben Oktopus, die scharf angebraten und pikant gewürzt, aber etwas gummiartig sind.
Dann endlich etwas Grünes! Der Salat mit eingelegtem Gemüse beinhaltet verschiedene frischer Kräuter, Blüten und Pilze, sowie knackige Erbsen. Sogar der als profan verschriene Eisbergsalat gelangt hier zu neuen Höhen, weil er, so geschnitten wie hier, eine knusprig frische Textur beisteuert. Das ist zwar so weit entfernt von drei Sternen wie ich von zu Hause, aber dennoch exzellent. Keine Geschichte vom Fischkutter und keine Garnele stören das Geschmacksbild. Das tut richtig gut.
Weiter geht’s mit dem „dritten Akt“ und mit einem sehr tomatigen (roten) Kräcker („Coca“), mit dem ein paar keck gewürzte (rote) Mini-Tintenfische serviert werden. Von denen könnte ich glatt eine ganze Schüssel verspeisen, bediente mich dazu allerdings nicht einer dieser albernen Nasentamponpinzetten.
Es folgt etwas Frisches (in Gelb), das ein wenig seltsam mit „Fisch-Zitrone und Halbzitrone“ betitelt ist, aber wohl eher „halb Zitrone, halb Fisch“ meint. In einer ausgehöhlten Zitronenhälfte befinden sich Würfel eines (nicht notierten) Fischs, die in der Säure eines luftigen Zitronenschaums garen. Das erinnert mich an Ceviche – ist auch ähnlich pikant und säurebetont – und gefällt mir sehr gut.
Noch besser ist dann ein (rot-gelbes) Arrangement von in Shisoblättern eingewickelten geschmorten Schweinerippchen. Für meine noch immer recht angeschlagenen Geschmacksnerven ist ein so herzhaftes und wohlschmeckendes Gericht eine Wonne.
Der „vierte Akt“ leitet offiziell die Hauptgänge ein. Zuerst gibt es ein Krebs-Satay – etwas überfrachtet, aber knusprig, herzhaft und gut –, danach Aspik von Garnelen. Es steht zwar langoustines in der englischen Version der Karte, doch um Kaisergranat handelt es sich hier erwartungsgemäß nicht. Die pikante (rote) Sauce ist ziemlich gut: komplex gewürzt und luftig wertet sie das rohe Meerestier deutlich auf.
Als wollte man einen Kontrast dazu aufzeigen, übernehmen beim nächsten Gericht erneut (rote) Garnelen die Hauptrolle. Die laut Speisekarte dem Maler Twombly gewidmete Kreation kann jedoch allenfalls optisch Aufmerksamkeit erregen. Die weiteren Komponenten des Gerichts sind (rote) „Schwämme“ sowie andere, kleinere, Garnelen und eine pikante (rote) Sauce. Ein Handtuch liegt auch schon bereit, um die fischigen Hände zu säubern, die man benötigt, wenn man den Karkassen das Hirn auslutscht – was ich nicht tue, weil zwar jeder kolportiert, dass der graue Glibber im Kopf „das Beste“ am ganzen Tier sei, aber wenn das das Beste sein soll … na ja, dann versteht manch einer vielleicht meine Abneigung gegen dieses Getier.
Grün! So die Farbe des nächsten Gangs. Erneut erfüllt die Farbe die Hoffnung auf Frische. Die Erbsen, hier zusammen mit ihren Schoten, Erbsenkraut und ein paar sphärisierten Tropfen Tintenfischtinte serviert, ergeben ein knackig frisches, ansprechendes Gericht.
Den „fünften Akt“ eröffnet eine „Tauben-Pizza“, die recht trocken ist und metallisch schmeckt, danach folgt mit „Ei in Asche“ ein Gericht, das so fern davon ist, Genuss vermitteln zu wollen, dass ich frustriert fast alles liegen lasse. So etwas kann einfach nicht ernst gemeint sein.
Das Dessert kommt in hellen (rot-gelben) Pastelltönen auf den Tisch, ist ziemlich hübsch anzusehen und heißt „strange flowers“. Das ist sehr gut: knusprig, frisch, zitronig und floral – das passt alles gut zusammen, hat eine schöne Säure und passende Süße, aber etwas zu viel Schaum.
Auf der Terrasse beende ich dann dieses Mahl mit einem Kaffee und süßen Kleinigkeiten: ein essbarer Zimtstab, ein paar geleeartige hergestellte (rote) „Rosenblätter“, die man aus einer echten Rose herauszupft und ein (gelber) „Apfel-Gin-Tonic“. Vor dem Kontext von drei Michelin-Sternen ist das alles kaum der Rede wert, aber in Einklang mit der bisherigen Leistung des Restaurants.
Ich mache jetzt erst mal einen ausgiebigen Verdauungsspaziergang. Denn bald geht es schon weiter.
Am Abend kehre ich zurück. Ich bin guter Dinge. Das Team ist sehr nett, und selbst wenn das Essen keinen drei Sternen standhält, reden wir immer noch über ein Restaurant mit ambitionierter Küche, guten Produkten, gutem Wein und von der Aussicht auf einen kurzweiligen Abend in der sonstigen Tristesse dieses Ortes. Wo sollte ich auch sonst hier einkehren?
Ich bin jetzt der einzige Gast im Restaurant – und bleibe das auch. Das ist skurril, und irgendwie habe ich sogar ein schlechtes Gewissen, doch man versichert mir, dass man auch ohne Gast nicht schließen würde. Öffnungszeiten seien Öffnungszeiten.
Wie vorher vereinbart, verzichte ich auf eine Wiederholung der Einstimmungen und steige direkt beim „dritten Akt“ des anderen Menüs ein, das sich universo local nennt und ein paar Klassiker der vergangenen Jahre enthält. (Leider habe ich einige Fotos verloren, ein iPhone-Wechsel und etwas zu viel Verlass auf die Cloud seien Dank.)
Es gibt:Mar y tomato – ein flacher (roter) Gebäckzylinder, gefüllt mit (roter) Bloody Mary, dazu ein Stück in Vodka „rehydrierten“ Selleries. Ganz nett. Snow of tomatoes – ein sehr kaltes, völlig weißes Gericht mit viel (roten) Tomatenaromen. Es besteht überwiegend aus Gefrorenem und einer Menge weißer Creme darunter, die auch nach Tomate schmeckt, aber die ich nicht ganz aufessen kann, weil sie so mächtig ist.
Jerusalem trunk / Stones of parmesan cheese – Zwei trüfflige Snacks: der eine, nicht im Bild, sieht aus wie ein Schokoladentrüffel, aus dem eine kleine Pflanze wächst, der andere wie ein Stein, der sich inmitten echter Steine versteckt. Der richtige Stein schmeckt ganz gut und gibt im inneren eine Trüffelcreme frei, aber das Spiel mit dem Zahnarzttermin ist mir schon zu viel Theater.
Cuba Libre of foie gras with lemon granité and rocket salad – Dieses Gericht wird stolz präsentiert und lange erläutert. Alles hätte hiermit begonnen: Dacostas Ruhm, die drei Sterne … Gespannt höre ich zu, führe mir schließlich die Masse zu Gemüte und erfahre kulinarische Trivialität. Eine cremige Foie-Gras mit Cola-Gelee obenauf, dazu die Würze von der Rauke: das ist zwar ganz gut, aber nichts, dass ich aufessen möchte. Ich kenne Hunderte Gerichte mit Foie Gras, die mir besser gefallen, nicht besternte Restaurants eingeschlossen. Viel Lärm um wenig.
Für die Inszenierung des nächsten Gangs möchte ich mich dann fast vor Scham bei den anderen Gästen entschuldigen – doch es gibt ja keine. Ich bin allein mit meinem Nebel (The Haze), unter dem sich nach ein paar Minuten ein Gericht mit Erbsen und Enokipilzen lichtet. Die Erbsen sind exzellent, der Rest erstickte wohl in der CO2-Emission.
Es geht dann weiter mit Garnelen, den Red king prawns aus Dénia. Tatsächlich sind das einfach nur gekochte (rote) Garnelen, serviert in einer (roten) Plastiktüte. Garnelen zum Aufpulen und Auslutschen, wie schon am Mittag. Ein dazu servierter heißer, süffiger Tee mit (gelbem) Krustentierschaum rechtfertigt zumindest, den Tütensnack noch als „Gericht“ zu verstehen.
Es geht mit verschiedenen Dingen weiter. Ein Cracker von irgendetwas, ein weiteres Ding mit sonst was.
Auf einmal geht das Licht aus. Dass das kein Stromausfall ist, wird schnell klar, als man mit einem leuchtenden Teller auf mich zukommt, dabei habe ich heute gar nicht Geburtstag. Es sei eindrucksvoller, so erklärt man mir später, wenn das Restaurant gefüllt sei und man dies gleichzeitig an allen Tischen servierte.
Bei der theatralisch servierten Speise handelt es sich um ein Champagnersorbet mit Limone, eine – trotz der Show – dann doch recht gelungene Erfrischung vor dem Hauptgang, fast so leicht wie Luft und mit klaren, vielschichtigen Zitrusaromen.
Es folgt, nach ein paar weiteren Gängen, ein exzellentes Fleischgericht: Abschnitte vom iberischen Schwein mit einem warmen, süffigen, klebrigen Jus. Ungemein wohltuend!
Den Übergang zu den Desserts macht ein „Mojito“ mit Gurke und Algen. Ähnlich wie das Sorbet begeistert mich diese Speise mit ihrer Frische, die hier durch Gurke und Algen noch mehr Tiefe und Salzigkeit erfährt. Das fügt sich am Gaumen alles ganz hervorragend zusammen.
Mit einer Batterie von Süßigkeiten, von denen keine in meinem Gedächtnis bleibt, beende ich dann mein zweites Mahl hier.
Nachdenklich spaziere ich zurück zum Hotel. Der Tag bei Dacosta war kurzweilig, so viel steht fest, und das Essen bot in Teilen sogar Genuss. Diese Ausbeute reicht mir heute. Manchmal muss man sich auch in Genügsamkeit üben.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Quique Dacosta (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Quique Dacosta |
Ort: | Dénia, Spanien |
Datum dieser Besuche: | 24.09.2015 |
Guide Michelin (E 2015): | *** |
Meine Bewertung dieses Essens |