Hakkasan Mayfair – der Metropolen-Chinese
Hakkasan gehört zu der Art von Restaurants, die man in deutschen Großstädten nicht findet, weil deutsche Großstädte keine Metropolen sind. Nur in Metropolen jedoch verkehrt die Klientel, die weder zu knauserig noch zu kleinbürgerlich ist (oder ist das dasselbe?), um in entspannter Atmosphäre in einer Weinkarte zu stöbern und bereit ist, etwas mehr als neun fuffzich („das sind zwanzig Mark!“) für ein (chinesisches) Gericht zu bezahlen. Deshalb gibt es die sieben Filialen von Hakkasan nur in Städten wie London, New York oder Mumbai.
Wer in der Filiale in Londons noblem Stadtteil Mayfair einkehrt, den erwartet nicht nur ein Empfang durch ein ausschließlich in Rot gekleidetes weibliches Empfangskomitee, sondern unkomplizierte Küche in belebtem Ambiente. Das Publikum ist so bunt gemischt wie die Straßen einer Weltstadt. Asiatische Touristen, andere Touristen, Locals, Familien, und vom Shopping in der exklusiven Nachbarschaft nach Erholung suchende Menschen sitzen hier nebeneinander auf Ledersesseln und -bänken an Tischen aus dunklem Holz.
Neben dem teuersten Preis, den ich jemals auf der Speisekarte eines Restaurants gesehen habe – dazu noch für ein Einzelgericht –, nämlich Braised dried whole Japanese abalone with morel mushrooms and sea cucumber (24 hours notice required) zu £418 (ca. € 520), bietet die Karte dutzende würzig klingende Gerichte im Bereich von ca. £12-40.
Die Orientierung fällt zunächst etwas schwer, da sich einem die jeweilige Portionsgröße nicht erschließt, aber mit einigen Tipps vom Kellner gelange ich schließlich zu einer Auswahl. Treffsicher war schon mal meine Wahl eines weißen 2006er „Le Soula“ (£77), dem überaus genießbaren Ergebnis eines spannenden Weinprojekts von Gérard Gauby aus dem Languedoc-Roussillon, der seltsamerweise nur in England vermarktet wird.
Erstes Gericht ist der Crispy duck salad (£21,50), der in einer größeren Schüssel „zum Nachnehmen“ serviert und schon mal in einer ersten Portion auf dem Teller angerichtet wird. Es handelt sich hierbei um einen Salat mit Kräutern, Sprossen, Pinienkernen, Pomelo und knuspriger Ente von lobenswerter Qualität. Das ist gut abgeschmeckt, doch für ein sehr gutes Urteil fehlt „das gewisse Etwas“ an Originalität und Aromen. Ohne Zweifel ein Überschuss erwirtschaftendes Gericht, wie alle hier (aber dagegen ist prinzipiell natürlich nichts einzuwenden).
Ebenfalls auf dem Tisch stehen Sesame prawn toast with foie gras (£17) sowie Salt and pepper squid (£11,50), beides belanglose Gerichte mit lauter frittiertem Zeug und deshalb nahezu einheitlichem Geschmack und einheitlicher Textur. Das ist schade, denn auch beim Tintenfisch erkennt man durchaus eine gute Qualität. Ärgerlich ist, dass die Karte mit keinem Wort die frittierte Zubereitung erwähnt.
Mit durchaus feinen Aromen und makelloser Produktqualität geht es glücklicherweise weiter mit dem Stir-fry Chilean seabass with Szechuan pepper (£37) und einer Schüssel Reis (£3 extra!). Der Name des Gerichts mag Verwirrung stiften, handelt es sich hierbei nicht etwa um „frittierten chilenischen Wolfsbarsch“, sondern um eine sautierte Hechtart, doch das wusste ich in diesem Fall bereits vorher. Basilikum, Schalotten und Knoblauch ergeben zusammen mit dem Fisch eine angenehme, an Thai-Küche erinnernde Komposition. Weltbewegend ist das nicht, eher so, wie man sich die „Nummer dleiunddleißig“ bei jedem Chinesen zu Hause wünschen würde, aber nie bekommt.
In Anbetracht der angebotenen Vielfalt auf der Speisekarte reicht ein kurzes Mittagessen nicht aus, um die Küche umfänglich beurteilen zu können, doch deswegen bin ich auch nicht hauptsächlich hier. Das Mahl fiel kulinarisch zwar eher bescheiden aus und war für das tatsächlich Gebotene deutlich überteuert, doch die guten Ingredienzen und einige aromatisch interessante Akzente lassen durchscheinen, dass es hier sicherlich die eine oder andere Überraschung zu entdecken gibt. Für den Auftakt dieser Kurzreise war dies ein angenehmer Start. Ich möchte mich hier schließlich hocharbeiten, nicht runter.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Hakkasan Mayfair (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Tong Chee Hwee |
Ort: | London, Vereinigtes Königreich |
Datum dieses Besuchs: | 27.12.2011 |
Guide Michelin (GB/IRL 2012): | * |
Meine Bewertung dieses Essens |