Quay – lieber ein Mahl mehr
An diesem Mittwoch ist es heiß und schwül in Sydney. Ich habe den Vormittag im Toranga Zoo verbracht und komme gerade mit der Fähre wieder am Circular Quay, dem Passagierterminal, an. Über eine Stunde zu früh für meine Lunch-Reservierung im Rockpool Bar & Grill. Mein Hemd klebt an mir, ich muss mich frisch machen, möglichst jetzt gleich und in gepflegter Umgebung. Und ich habe Hunger.
Als die Fähre anlegt, kann ich fast direkt ins Restaurant Quay hineinsehen – das Restaurant, das mir vor ein paar Tagen eines der besten Essen überhaupt beschert hat. Und ich kann vom Schiff aus sehen, dass Leute im Speisesaal sitzen. Es dauert nicht lange, um zu schlussfolgern, dass auch ich im Quay Lunch haben muss. Genau jetzt, ohne Reservierung. Warum sollte ich ins Rockpool gehen (so gut die Steaks für den Preis eines manchen Degustationsmenüs auch sein mögen), wenn das kulinarische Glück gleich hier um die Ecke lauert? Eine rhetorische Frage mit klarer Antwort.
Ein paar Augenblicke und offene Worte später sitze ich an einem Tisch mit direktem Blick auf die Harbour Bridge. Klimaanlage, gedämpfte Geräuschkulisse, Marmor-Waschräume und ein Glas Bollinger sorgen für Tiefenentspannung. Endlich wieder hier.
Ich bestelle drei Gänge (AUD 105) aus der umfangreichen Mittagskarte. Es wäre sogar das gesamte Tasting Menu meines vergangenen Samstags wieder verfügbar, doch ich möchte natürlich vorwiegend neue Eindrücke erhalten.
Bei der Auswahl der ersten Gangs zögere ich. Soll es tatsächlich etwas Neues sein, oder bestelle ich erneut die grandiose Komposition aus frischen Gartengemüsen? Ich entscheide mich für Letzteres. Doch vorher wird ein kleiner Gruß serviert, ein frisches Arrangement mit Tunfisch und Gurke, genau das Richtige zum Auftakt.
Wenig später steht er dann erneut vor mir auf dem Tisch, der Salad of French breakfast radishes, pickled beetroot, goats curd, blood sorrel, violets, olives, pine resin, balsamico.
Ich bin gespannt. Wird es wieder so gut sein wie am Samstagabend, oder war das eine Laune (von mir oder vom Restaurant)? Doch ich werde nicht enttäuscht; auch heute ist dieses Gericht eine ergreifende Demonstration von Produktperfektion, Frische und Harmonie von Aromen und Texturen. Ich lasse mir dieses Mal mehr Zeit damit; versuche, alle Merkmale zu erfassen, die da so großartig sind.
Neben der beispiellosen Frische der teilweise nahezu unbehandelten Wurzelgemüse und dem daraus resultierenden Wohlgeschmack, sind es die Texturen, die besonders beeindrucken. Feinste Krumen einer gebackenen und getrockneten Olivenzubereitung, ganz leicht und nur teilweise frittierte Rote-Bete-Abschnitte und hauchdünne, mit einer Creme (deren Inhalt ich nicht genau ausmachen kann) gefüllten Teigröllchen steuern alle eine schmeichelnde „Krossheit“ bei, die eine Brücke zwischen der weichen Quarkzubereitung und den bissfesten, knackigen Gemüsen darstellt. Der sirupartige, alte Balsamessig, der einige Gemüse umspielt, bringt eine durchgehend appetitanregende Süße mit ins Spiel, die die leichte Säure der Gemüse wunderbar kontrastiert… Eine bessere Entscheidung hätte ich für diesen Auftakt nicht treffen können; zumal ich morgen abreise und dieses Gericht nun noch facettenreicher genießen konnte – wie einen Spielfilm, den man ein zweites Mal sieht und dabei immer Neues entdeckt. Dazu wurde mir ein passender französischer Muscadet serviert (Domaine nicht notiert).
Weiter geht’s mit einem Roasted fillet of pure Angus beef, truffle infused potato puree, baby spinach, bitter chocolate black pudding crumbs, morels. Was für ein Fleischgenuss! Ein Filet kann mager und deshalb langweilig sein – oder so saftig und zart wie dieses hier. Und auch wieder dabei: der spielerische Umgang mit Textur durch Blutwurstkrumen. Morchelsauce, Spinat und Püree komplettieren den klassischen Genuss. Der begleitende Wein dazu ist ebenfalls hervorragend, ein reiner Cabernet Franc „Monkey Business“ von Tomfoolery Wines.Es ist schon beinahe unglaubwürdig, stets in Superlative zu verfallen, allerdings ist auch das Dessert unverschämt gut und wohl der Inbegriff des perfekten Schokoladengenusses.
Der Eight Texture Chocolate Cake featuring Amedei Chocolate ist fantastisch. Es handelt sich um eine Art Ring aus Schokolade in mehreren Schichten und Komponenten, die alle eine unterschiedliche Textur aufweisen (cremig, etwas krosser, teigartig usw.). Eine davon wird in Form einer lauwarmen Schokoladen-Ganache auf das Törtchen gegossen, das sodann in der Mitte zusammenfällt. Ein fast unbeschreiblicher süßer Genuss.
Ich habe mit diesem ganz ungeplanten Mittagessen hier erneut vollkommenes gastronomisches Glück erfahren. Leider war jedoch auch heute Küchenchef Peter Gilmore nicht im Haus – ich hätte ihn gern mit Lob überschüttet. See you next time, mate!
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Quay (→ Website) |
Chef de Cuisine: | Peter Gilmore |
Ort: | Sydney, Australien |
Datum dieses Besuchs: | 12.01.2011 |
Meine Bewertung dieses Essens |