Marque – Bestes von Mark Best
Da fliegt man um die halbe Welt nach Sydney, besucht das Restaurant, von dem die ganze Stadt unter anderem gerade redet (Nr. 1 im Sydney Morning Herald, dort ausgezeichnet mit drei „Chefs‘ Hats“) und findet … ja, was wohl, ein kleines Fleckchen Frankreich auf dem Teller. Die Rede ist hier jedoch nicht von Hausmannskost, sondern von einer Küche, die eine Kombination ist aus den Erfahrungen von Chefkoch Mark Best bei Alain Passard (Arpège, Paris), Australiens Repertoire an vorzüglichen Produkten, und nicht zuletzt einem Talent, das „unüberschmeckbar“ ist. Das Ergebnis ist ein Pflichtbesuch für jeden Essensliebhaber in Down Under.
Dem achtgängigen Degustation Menu (AUD 150) geht eine Hommage an Lehrmeister Passard vorweg in Form des Chaud-Froid Free Range Egg, Alain Passard 1998. Dieses unscheinbare Gericht, hier zurückhaltend als Amuse Boucheserviert, ist eine beeindruckende Darbietung von aromatischer Harmonie, die man probiert haben muss, um sie wirklich nachvollziehen zu können. In einer Eierschale befindet sich ganz leicht erwärmtes, flüssiges Eigelb, darauf eine süßlich-saure Creme und Schnittlauch; ich würde auch etwas Zimt vermuten. Dazu werden zwei hauchdünne „Salzstangen“ gereicht, die Textur und Salz nach eigenem Belieben zulassen. Die Harmonie der sich vermengenden Aromen ist absolut beeindruckend, nicht zuletzt auch wegen der einfachen Zutaten. Wohlgeschmack und auch aufs Feinste abgestimmte Temperaturen der einzelnen Zutaten ergeben einen kleinen, perfekten Gaumenschmaus. Die Tatsache, dass dieser nicht aus eigener Feder stammt, stört mitnichten – lieber ein solch überzeugender Start (mit persönlichem Bezug) als eigenes Mittelmaß. Letzteres ist hier jedoch ohnehin nicht an der Tagesordnung, wie man bald feststellen wird.
Ausgerechnet der erste Gang des Menüs jedoch, Almond Jelly with Blue Swimmer Crab, Almond Gazpacho, Sweet Corn & Avruga, ist etwas enttäuschend, da der eigentlich vorzügliche Geschmack der zart gegarten Schwimmkrabbe unter dem Mandelgelee etwas untergeht. Der Ossietra-Kaviar bringt eine salzige Unterstützung mit ins Spiel, ist dafür jedoch leider zu minutiös portioniert. Ich möchte schließlich keine Zutat eines Gerichts aufsparen müssen, weil sie von Anfang an nicht ausreicht.
Schwamm drüber (oder einen Schluck des ersten begleitenden Weines, einer wunderbaren 2004er Spätlese Zeltinger Himmelreich von Markus Molitor; wer hätte das hier vermutet, viele Grüße an die Mosel!), es geht nun grandios weiter mit einem nicht ganz vegetarischen „Gemüseteller“ allerfeinster Güte, den Spring Bay Scallops with Vadouvan, Radish, Turnip & Apple. Die Augenweide findet sich ebenso am Gaumen wieder. Hier findet man knackige Frische und den puristischen, feinen Geschmack der roh marinierten Jakobsmuscheln, zusammengehalten durch sehr fein abgestimmte Gewürze. Auch die verschiedenen Texturen zwischen weich und knackig sind einfach wunderbar zu essen. Sommer überall. (Es geht weiter in der Weinbegleitung (AUD 85) mit einem einfachen, aber durch seine Säurestruktur sehr passenden 2007 Bourgogne „Les Perrières“ von Simon Bize & Fils.)
Ein fabelhaftes Stück Fisch kommt in Form des Cold Smoked Ocean Trout with Lemon, Dill & Vanilla daher. Dieser lachsartige Forellenfisch auf dem Teller ist der Inbegriff von Frische, deren wunderbares Aroma durch eine dekadente Fettmaserung voll zur Geltung gelangt. Die weiteren Komponenten – kleine Cremetupfer mit Dill und dezenter Vanille – passen prinzipiell sehr gut zu dem Stück Fisch, allerdings sind diese auf einer Art hauchdünnen, knusprigen „Limonentarte“ untergebracht, die wegen ihrer Textur und dem intensiven Aroma Gift für den feinen Fisch ist. So entdeckt man schnell, dass der Fisch lieber pur und separat von den anderen Bestandteilen genossen werden sollte – vielleicht kann man diese deshalb auch so einfach vom Fisch herunternehmen. Ob Intention oder nicht – ein Gericht, das zu begeistern weiß. (Weinbegleitung: 2008 Gobelsburger Rosé Cistercien, Österreich)
Nicht besser zubereiten kann man den Roast Scampi with Mustard & Ham Vinaigrette. Hierbei handelt es sich (natürlich) nicht um Scampi im deutschen Sinn, also um eine Garnele; als Scampi wird in diesen Breiten auch Kaisergranat bezeichnet, und um einen solchen – oder zumindest etwas kaum unterscheidbares – handelt es sich hier. Die besten dieser Exemplare habe ich bei Bernard Pacaud gegessen – und danach nie wieder. Häufig auf dem Teller, häufig sehr gut, aber eben niemals wieder so perfekt… bis heute! Hier ist das Getier gebettet auf leicht geräuchertem Speck o. Ähnl., der eine angenehme Salzigkeit einbringt. Die frisch-säuerliche Vinaigrette sowie Fenchel und Fenchelblüten sind hervorragend dazu, man muss nur etwas behutsam mit der Dosierung der Fenchelblüten sein, damit deren intensive natürliche Lakritz/Anis-Aromen den eigentlichen Protagonisten nicht übertönen. Aber das hat man schließlich selbst in der Hand. Ein grandioses Beispiel für Produktperfektion. (Weinbegleitung: 2008 Gulfi „Valcanzjria“ aus Sizilien)
Das nächste Gericht, Spatchcock with Peas, Spinach, Pistachio & Samphire, besteht aus einer sehr zarten Wildgeflügelbrust (Wachtel?), die mit einer Art Pistazienstaub überzogen ist, sowie einem Arrangement aus wunderbar frischen Erbsen und einer einheimischen Queller-Art, dazu einer Sauce oder eher einem leichten Püree von Spinat. Zwar überzeugen hier die Produktqualitäten, jedoch ist das Ganze sehr trocken. Es hätte dem Gericht gut getan, wenn anstelle des festen Spinatpürees eine großzügige, klassischere Sauce zu finden gewesen wäre. Offenbar kenn der Kellner diese Schwachstelle des Gerichts bereits, da er mir meine Anmerkung „it’s a bit dry…“ schon vorwegnimmt, als er fragt, wie es geschmeckt hätte. Seltsam – warum wird es dann weiterhin so serviert? (Weinbegleitung: 2008 Dom. Michel & Stéphane Ogier, Syrah „La Rosine“)
Der nächste Gang, Wagyu Striploin with Shallots, Leek, White Asparagus & Ox Heart, erinnert mich optisch an das kürzlich so ähnlich servierte Gericht aus der Küchenwerkstatt, allerdings wäre jeder weitere Vergleich schon vermessen. Das Wagyu (Fettgrad 7+) heute Abend gehört zum Besten Fleisch, das ich je probiert habe. Wagyu-typisch zart und nussig-buttrig Geschmack braucht es weder Salz noch Sauce, um zu überzeugen. Die dazu gereichten Gemüse unterstützen den Genuss derweil mit einer willkommenen Frische und können nach Belieben auch mit dem sehr aromatischen Streifen vom Ochsenherz kombiniert werden. Puristischer Fleischgenuss, der nichts vermissen lässt. (Weinbegleitung: 2008 Sutton Grange Winery „Giove“ Sangiovese/Cabernet Sauvignon, Victoria)
Was aussieht wie ein Kaffee mit Crema ist in Wahrheit eine perfekte Crême Caramel mit Sauternes – Sauternes Custard. Hieran stimmt einfach alles: präzise dosierte Süße, betörendes Sauternes-Aroma und eine nicht verbesserungsfähige Textur, irgendwo in der goldenen Mitte zwischen weich und fest. Ein Hochgenuss, der über das eigentliche Dessert, das im Vergleich dazu etwas schwächelt, hinwegtröstet. (Weinbegleitung: 2008 Ökonomienrat Rebholz, Gewürztraminer Auslese, Pfalz)
Dabei handelt es sich um eine Chocolate Mousse „écrasé“, Eucalyptus & Coconut. Eine Art Schokoladenkuchen mit Schokoladenmousse, dazu Kokoseis und Eukalyptusblätter. Die Mousse ist allerdings so dermaßen schwer, dass man die Meinung hat, reine Butter zu löffeln. Ein an sich verführerischer Gedanke – aber nur bis nach dem dritten Löffel, danach ist es zu viel des Guten. Da helfen auch die guten anderen Komponenten nicht mehr, die sowohl Frische als auch einen Hauch Salzigkeit einbringen. (Wer hätte gedacht, dass der Tag kommt, an dem ich einen Butterüberschuss kritisieren würde…?)
Die Petit fours, Salted Caramel Chocolates & Bitter Bon Bons, (alle gut) bilden den Abschluss dieses Menüs, das vor allem durch eine überragende – und deshalb hervorzuhebende – Produktqualität und fast ununterbrochenem Wohlgeschmack überzeugen konnte. Darüber hinaus ist die Atmosphäre entspannt, das Interieur modern gemütlich und das junge Serviceteam kompetent und freundlich. Definitiv eine der Top-Adressen in Down Under.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Marque (→ Website) |
Chefkoch: | Mark Best |
Ort: | Sydney, Australien |
Datum dieses Besuchs: | 05.01.2011 |
Meine Bewertung dieses Essens |