Herman im Hotel nimb – dänisch-französische Zusammenarbeit
Das Hotel nimb in Kopenhagen ist das schönste und angenehmste urbane Boutique-Hotel, in dem ich je untergekommen bin. Von außen orientalisch anmutend, präsentiert es sich von innen als elegantes, großzügig und liebevoll gestaltetes Designhotel in einem faszinierenden Mix aus kolonialem Landhaus-Stil, skandinavischer Zurückhaltung und einigen wenigen fernöstlichen Designelementen.
Das Hotelrestaurant Herman ist dabei ganz schlicht in Weiß gehalten und erlaubt einen entspannten Ausblick auf den heimeligen Trubel des angrenzenden Vergnügungsparks Tivoli. Bei einem sehr guten Glas Roséchampagner aus dem Hause Diebolt-Vallois (€ 23) steht die Entscheidung zum Menü (€ 113) recht schnell. Moderne skandinavische Küche ist hier ganz offensichtlich das Thema, ohne jedoch eine klassische französische Basis ganz vom Teller zu verbannen – ein Ansatz, der gefällt.
Zu Beginn werden ein paar Snacks gereicht, deren Anfang die Jerusalem artichoke chips with hay cheese machen. Kross, leicht käsig, rauchig. Kein Grund, philosophisch zu werden. Das Quail egg, also Wachtelei, wird serviert mit einem Pulver aus geräuchertem Käse und Brennnessel. Very Noma.
Die Label Rouge Oysters kommen mit Öl und einem Piniengranité, aber meine persönliche Abneigung gegenüber Muscheln überwinde ich nur recht selten, und diese sehr sonderbare Präsentation macht mir diesen Snack nicht besonders schmackhaft, weswegen meine Bewertung diesbezüglich ausfällt. Unglücklich und etwas übertrieben finde ich in jedem Fall die Anrichtung der Austern auf einem düsteren, feuchten Untergrund aus der Meeres- und Pflanzenwelt, der keinem erkennbaren Zweck dient. Es stellt sich einem auch automatisch die Frage, ob dieser ganze Haufen überflüssiger Botanik entsorgt oder wiederverwendet wird … Sehr skurril das Ganze.
Ein kleiner Teigball (batter ball) mit Speck und Zwiebeln hingegen, dazu ein erfrischendes Gelee, ist unverschämt saftig und einfach lecker. Die Green cloud with dried seeweed / Juice of green applesist unspannend.
In hohem Maße lobenswert ist das zum Essen gereichte Brot, das mit Buttermilch gebacken wird und warm und mit einer verführerisch knusprigen Kruste ausgestattet ist. Wirklich hervorragend!
Erster Gang des Menüs ist dann der Salad of North Sea turbot & New onions, watercress & sauce béarnaise, dessen Anrichtung und Zutaten deutliche Parallelen zu René Redzepi aufweisen – mit einer Ausnahme: die anständige Portion Sauce, die, laut Service, anstelle von Estragon einfach mit noch mehr Butter zubereitet und mit Pilzen aromatisiert wurde. Das klingt vielversprechend. Der Steinbutt ist hervorragend gegart, das Grünzeug passt gut, nur die Sauce ist mir dann doch etwas zu schwer (und das will etwas heißen), um unterstützend zu wirken. Das Geschmacksbild ist jedoch prinzipiell harmonisch, und es freut mich, dass hier nicht am Geschmacksträger Fett gespart wird, wie es vermutlich morgen ein wenig der Fall sein wird.
Als Zwischengericht wird Foie gras and wine snow serviert, eine kalte Kombination aus eben diesen Zutaten, die in Ordnung ist, aber keine Begeisterung auslöst.Seared Foie Gras & cherry ist sehr gut. Wieder keine Scheu vor der französischen Klassik und wunderbar entstaubt in Szene gesetzt, wird dieses perfekt gebratene Stück Gänseleber begleitet von einer Art Kirschmarmelade (nicht zu süß), dazu kleine Apfelstückchen, die ein wenig Säure mit ins Spiel bringen, und einem hauchdünnen Chip, der für eine texturelle Abwechslung sorgt. Sehr ausgewogen und schmackhaft.
Ein weiterer Zwischengang ist ein im Markknochen serviertes Rillettes, zu dem krosses, wieder sehr gutes Brot gereicht wird.
Bei Deer & mushrooms handelt es sich um ein Stück Hirschrücken, das mit Pilzen, einem Pilzgelee, einigen Kräutern und einem Kompott serviert wird. Letzteres beinhaltet geräucherten Kürbis, Zwiebeln, Brotkrumen, viel Butter und Essig. In dieser Mixtur, deren zu hoher Fettgehalt auch leider die Säuerlichkeit noch weiter verstärkt, geht das Fleisch komplett unter. Man ist nicht mehr in der Lage, zu erkennen, um was für eine Art von Fleisch es sich handelt – geschweige denn, die Pilze auszumachen. Das Kompott ist so dominant säuerlich und fettig, dass ich das Gericht nicht weiter esse. Ein Herr am Nachbartisch sieht das offenbar genauso. Schade um den Fleischgang. Interesse am Grund meiner Zurückhaltung zeigt der Service später jedoch nicht.
Aus der Käsekarte lasse ich mir einige Sorten frei zusammenstellen. Die Selection of Danish cheeses ist hervorragend und abwechslungsreich, ebenso wie die verschiedenen hausgemachten Brotsorten, die ein weiteres Mal besondere Erwähnung verdienen. Selten habe ich in einem Restaurant so phantastische Brote genossen. Dazu wird eine sehr passende Hagebuttenmarmelade serviert.
Als Pre-Dessert wird ein etwas zu süßes, zimitig-apfeliges Eis gereicht; danach Sweet memories anno 2010, ein Arrangement aus Birne in unterschiedlichen Verarbeitungen. Etwas zu kalt das eine, etwas zu einheitlich das andere Schälchen, will dieses Dessert nicht so recht begeistern.
Der Abend im Herman neigt sich einem Ende zu, und ich verlasse das Restaurant trotz so mancher Kritikpunkte und sogar einem stehengelassenen Hauptgang eigentlich recht zufrieden. Besonders gefallen hat mir Chefkoch Thomas Hermans Ansatz, die französische Basis mit in seine Küche zu integrieren, die unverkennbar ab und an in Richtung René Redzepi äugt, ohne diese nachahmen zu wollen. Leider gelingt das Integrieren klassischer Elemente jedoch nicht immer und erscheint – wie im Fall der Béarnaise – manchmal sogar etwas hilflos. Herman sollte genau diese Brücke zwischen skandinavischer Moderne und französischer Klassik noch weiter ausarbeiten, dann könnte dieses Restaurant zu einer weiteren unverzichtbaren Anlaufstelle in Kopenhagen werden.
Informationen zu diesem Besuch | |
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Restaurant: | Herman (im Hotel nimb) |
Chef de Cuisine: | Thomas Herman |
Ort: | Kopenhagen, Dänemark |
Datum dieses Besuchs: | 19.11.2010 |
Guide Michelin (EU 2010): | * |
Meine Bewertung dieses Essens |